Kapitel 14

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Alec noch tief und fest am schlafen. Er lag mit dem Rücken zu mir; ich lag genau hinter ihm und hatte meine Arme um seinen Körper geschlungen. Unsere Beine waren ineinander verflochten und machten es mir unmöglich, mich von ihm zu lösen und aufzustehen. Ich sog seinen Duft in mich ein, hielt meine Augen weiterhin geschlossen und genoss die Wärme, die sein Körper ausstrahlte. Ich drückte mich noch enger an ihn heran und platzierte mein Kinn auf seiner Schulter. Ganz sachte ließ ich meine Lippen über seine erhitzte Haut streifen, wanderte seinen Rücken entlang bis hin zu seinem Nacken. Ganz sachte und zaghaft drückte ich ihm einen Kuss auf die kleine Stelle unter seinem Ohr, verweilte einen Augenblick und wandte mich dann wieder von ihm ab. Ich hatte im ein Frühstück versprochen. Also musste ich auch dafür sorgen, dass alles bereit stand, wenn er aufwachte. Ganz vorsichtig versuchte ich unsere Beine zu entknoten. Erst zog ich mein rechtes Bein unter seinem heraus, dann mein linkes. Ich schlug die kühle Bettdecke zur Seite und kroch aus dem Bett. Barfuß begab ich mich in die Küche und warf einen Blick in meinen Kühlschrank. Ich hatte wohl nicht bedacht, dass man Lebensmittel brauchte, um ein Frühstück vorzubereiten. Gähnende Leere blickte mir aus dem Kühlschrank entgegen.

Doch wozu war man ein Hexenmeister wenn man das nicht mit ein paar wenigen Handgriffen wieder in den Griff bekam? Innerhalb weniger Sekunden überlegte ich mir, was ein ausgewogenes Frühstück alles herzugeben hatte. Ich wandte meinen Blick auf den schmalen Küchentisch, der an der Wand war und schnippte ein paar Mal mit den Fingern. Zuerst erschien eine weiße Tischdecke auf der hölzernen Platte, danach entsprechendes Geschirr. Teller, Gläser, Besteck, Tassen und kurz darauf ließen sich auch die leckeren Speisen blicken. Gekochter Schinken, Spiegel- und Rührei, da ich nicht wusste, was Alec lieber mochte, frisch gebackenes Brot, krosse Brötchen, Butter, viele verschiedene Sorten Käse, Marmelade, Wurst, heißen Kaffee und frisch gepressten Orangensaft. Als ich mein Werk vollbracht hatte, stemmte ich stolz die Hände in meine Hüften und betrachtete den gedeckten Tisch. Ich legte den Kopf schief und hielt einen Augenblick lang inne. „Irgendetwas fehlt noch ...", murmelte ich leise vor mich hin. Wieder schnippte ich mit den Fingern auf inmitten des Tisches erschien eine gläserne Vase mit einer einzelnen roten Rose.

Es war schließlich Alecs Räuspern, dass mich aus meinen Gedanken riss. Erschrocken blickte ich in den Türrahmen. Zu meinem Bedauern war Alec bereits wieder in seine Jeans und seinen Pullover geschlüpft. „Guten Morgen.", begrüßte ich ihn mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. Mit seiner rechten Schulter hatte er sich gegen den Türrahmen gelehnt und betrachtete mich eindringlich. „Hi.", begrüßte er mich, ebenfalls ein nervöses Lächeln auf den Lippen. „Du hast Frühstück gemacht.", stellte er fest und betrat die Küche. Ich nickte. „Natürlich. Ich halte, was ich verspreche.", erwiderte ich darauf hin und verdeutlichte ihm mit einer kurzen Handbewegung, dass er sich setzen solle. Ich tat es ihm gleich und ließ mich auf dem gegenüberliegenden Stuhl nieder. „Das hast du in der kurzen Zeit alles geschafft?", fragte er und runzelte die Stirn. Beinahe anerkennend ließ er seine Blicke über den großzügig gedeckten Tisch gleiten. Frech grinsend hob ich meine Hand in die Höhe und wackelte mit den Fingern. „Die Vorteile eines Hexenmeister-Daseins.", verkündete ich und schenkte ihm einen Schluck des frisch gepressten Orangensafts aus. „Das heißt du hast diese Sachen geklaut? Schon wieder?" Unbekümmert zuckte ich mit den Schultern. Klauen war so ein böses Wort. „Spiegelei oder Rührei?", fragte ich und versuchte so vom Thema abzulenken. Alec hielt noch einen Augenblick lang inne, als erwartete er doch noch eine Antwort, lächelte dann aber und bediente sich an dem frisch gebackenen Brot. „Ich mag beides gerne.", erwiderte er und nahm den mit Ei beladenen Teller entgegen.

* * *

Als wir gerade das Frühstück beendet hatten und es uns auf dem Sofa im Wohnzimmer noch ein wenig gemütlich machen wollten, klingelte sein Handy. Ein schriller Ton ließ mich zusammenfahren. Alec erhob sich leicht von dem Sofa, um das nervtötende klingelnde Gerät aus seiner Hosentasche zu ziehen. „Es ist Jace.", stellte er nervös fest, nachdem er einen Blick auf das flackernde Display geworfen hatte. „Möchtest du nicht antworten?"

Alec zuckte mit den Schultern, das klingelnde Ding noch immer in seinen Händen haltend. „Wahrscheinlich hat Clary ihm von unserem Streit erzählt.", seufzte er und wiegte das kleine schwarze Telefon in seiner flachen Hand hin und her. Immer wieder blinkte der Name 'Jace' in großen, weißen Buchstaben auf. Das Klingeln wurde immer drängender, als wäre es Jace selbst, der Alec dazu veranlassen wollte, endlich abzuheben. „Es könnte wichtig sein." Alec nickte, schüttelte dann allerdings den Kopf.

„Vielleicht ist er auch nur wütend. Oder er fragt sich, wo ich gestern Nacht gewesen bin." Augenblicklich verstummte das Klingeln wieder. „Und das willst du ihm natürlich nicht sagen.", stellte ich beinahe etwas enttäuscht fest und ließ mich in die weichen Kissen des Sofas fallen. Ich richtete meinen Blick gen Decke und verweilte einen Augenblick in dieser Position, bis Alecs Handy erneut zu Klingeln begann.

„Ziemlich hartnäckig.", stieß ich hervor und richtete mich wieder so auf, dass ich Alec ansehen konnte. Alec seufzte in sich hinein und lehnte sich zurück gegen die Lehne des Sofas. „Du solltest ran gehen, bevor das Ding noch in deinen Händen explodiert."

„Wahrscheinlich hast du Recht.", stöhnte Alec auf, presste auf den grünen Knopf und hielt das Telefon an sein Ohr. „Hallo Jace.", begrüßte er den Blondschopf auf der anderen Seite der Leitung. „Ähm ... bei ...", stotterte er und wandte seinen Blick kurz zu mir. Sein Blick haftete an mir wie eine Motte am Licht. „Ich bin bei ... Magnus. Magnus Bane." Ich grinste bei seinen Worten; konnte mir ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen. „Er wollte mich wegen des Dämons sprechen."

Alec schüttelte den Kopf. „Nein. Nicht wirklich." Dann nickte er wieder. „Ich weiß." Ich beobachtete jeden seiner Gesichtsausdrücke, während er mit Jace telefonierte. Er klang genervt, erfreut und ängstlich zugleich. Nervosität schwang in seiner Stimme mit, die ich nicht richtig einzuordnen wusste. „Was denn jetzt? Sofort?" Wieder seufzte er leise auf. „Ja, schon gut. Ich bin gleich da."

Enttäuscht senkte ich den Blick. Immer diese dämliche Schattenjägerpflichten. „Keine Sorge, ich werde es ihm ausrichten. Bis gleich."

Er nahm das Telefon wieder von seinem Ohr und drückte auf den roten Knopf. Dann steckte er es wieder zurück in seine Hosentasche und erhob sich von dem Sofa. „Es tut mir Leid, aber ich muss los."

„Sofort?"

Alec hatte sich bereits auf den Weg in den Flur gemacht, wo seine Jacke zwischenzeitlich getrocknet war. Er griff nach ihr und schlüpfte hinein. Ich folgte ihm, noch immer nur mit meiner lilafarbenen Pyjamahose bekleidet. Wenn ihn noch nicht einmal mein nackter Oberkörper hierbehalten konnte, dann musste es tatsächlich wichtig sein. „Er hat nicht gesagt worum es geht, aber es klang wichtig." Ich nickte; spürte, wie das zuvor noch vorhandene Grinsen auf meinen Lippen langsam verblasste. Meine Mundwinkel zuckten, diesmal allerdings in die entgegengesetzte Richtung. „Achso bevor ich es vergesse. Hodge lässt fragen, ob du bereits mit einem deiner Hexenmeisterfreunde sprechen konntest. Wegen Yanluo und so."

„Tatsächlich habe ich gestern mit meinem alten Freund Ragnor Fell telefoniert.", begann ich. Ich lehnte mich gegen die Wand im Flur und verschränkte die Arme vor meiner Brust, meine Blicke ruhig und still auf Alec gerichtet. Er zog den Reißverschluss seiner Jacke zu und verstaute seine Hände in seinen Hosentaschen. „Er wusste genauso viel wie ich. Keine neuen Erkenntnisse. Aber ich werde mich noch weiter umhören." Alec nickte, wirkte allerdings etwas enttäuscht. „Gut, ich muss dann jetzt wirklich los." Ich legte den Kopf schief und betrachtete ihn eingehend. Wie ein kleiner Junge stand er im Flur meiner Wohnung, nicht wissend, was er mit sich oder der Situation anfangen sollte. „Wenn du möchtest darfst du mich später gerne anrufen.", sagte ich und drückte mich von der Wand ab. Ich ging auf ihn zu und kam nur wenige Zentimeter vor ihm zum Stehen. „Das ... das würde ich sehr gerne.", erwiderte Alec stockend. Vorsichtig hob ich meine Hand und streichelte sanft mit meinen Fingern über seine Wange. Was auch immer das zwischen uns war, es trieb mich in den Wahnsinn. Ohne ein weiteres Wort beugte ich mich leicht zu ihm vor. Alec sog die Luft geräuschvoll in seine Lungen und hielt die Luft an. Ich lächelte und legte meine Lippen dann ganz sanft auf seine. Es war nur ein Hauch von einem Kuss, ein Kuss, der kaum länger als eine Sekunde anhielt. Eine sanfte Berührung wie der leichte Flügelschlag eines Schmetterlings. Kurz darauf löste ich mich wieder von ihm. Ein Grinsen lag auf meinen Lippen, während er leicht verdattert drein blickte. Seine Lippen waren nach wie vor leicht geöffnet. „Auf Wiedersehen, Alexander.", verabschiedete ich ihn. Rückwärts bewegte er sich auf die Tür zu. Noch immer leicht verdattert suchte er hinterrücks nach der Türklinke. Als er sie endlich gefunden hatte, presste er sie nach unten und öffnete die Tür. „Bis später.", sagte er noch, bevor er durch die Tür aus meiner Wohnung verschwand und mich mit wild pochendem Herzen zurückließ.

When Worlds Collide | Magnus BaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt