Kapitel 28

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Der U-Bahn Schacht war düster und feucht, als wir ihn erreichten. Orangefarbene Lichter erhellten die Wege nur spärlich für die eventuell durchzuführenden Bauarbeiten. Allerdings sah es hier unten aus, als wäre hier seit Jahrzehnten nichts mehr gemacht worden. Einige der Holzbalken hingen verfault von der Decke, drohten hinabzustürzen und uns die Köpfe einzuschlagen. Der Lehm an den Wänden war matschig und roch unangenehm. Hier unten roch es ohnehin nach Verwesung. Es war offensichtlich, dass hier vor nicht allzu langer Zeit ein Dämon gehaust hatte und es vielleicht noch immer tat.

Die Schienen die sich unter unseren Füßen Richtung Norden erstreckten waren alt und verrostet. „Da vorne müsste es sein.", stellte Alec zufrieden fest und zeigte in die vor uns liegende Dunkelheit. Das spärliche Licht wurde immer schwächer. Ich streckte meine Handfläche aus, sammelte einen Teil meiner Magie, bündelte sie und erschuf eine weiß blaue Leuchtkugel, die uns den Weg weisen würde. Als Alec das grelle Licht bemerkte, wandte er seinem Kopf seitlich zu mir um. Mit hochgezogener Augenbraue musterte er mich. Das Blau seiner Augen strahlte im weißen Licht der Leuchtkugel und ich konnte nicht anders, als zu Lächeln. Ich war mir im Klaren darüber, dass es keinen unangebrachteren Zeitpunkt hätte geben können, doch seine Anwesenheit machte mich glücklich; zufrieden irgendwie. Immer dann wenn er in meiner Nähe war, begannen die Erinnerungen an die Zeit vor ihm zu verblassen und mit jedem Tag wurden meine Gefühle für ihn stärker. Es war schließlich das Geräusch von zerberstenden Knochen, dass meine Aufmerksam zurück in die Dunkelheit vor sich lenkte.

Vor uns gabelte sich der Weg. Die Gleise zweigten schräg nach links oben ab und führten in einen weiteren Tunnel. Rechts von uns lag eine Art schmale Gasse, die in ein dunkles Nichts führte. Wieder erklang dieses knackende Geräusch. Panik zeichnete sich auf Alecs sonst so weichen Zügen ab. „Da lang.", befahl er mit harter Stimme und bedeutete mir mit einem Knopfnicken, ihm zu folgen. Seine Schritte hatten sich beschleunigt, während wir den schmalen, dunklen Weg nach rechts nahmen und dem knackenden Geräusch folgten. Nach einer Weile stieß ich die weiß blaue Lichtkugel in die Höhe und ließ sie uns den Weg deuten. Der lehmige Tunnel vor uns erhellte sich. Im Laufschritt folgten wir den über uns hängenden Rohren, die offensichtlich zur New Yorker Kanalisation gehörten, bis Alec schließlich ruckartig stehen blieb.

Ich ließ meine Blicke schweifen, hielt Ausschau nach etwas, dass er gesehen hatte und ich nicht. Doch Alec stand einfach nur da, still und leise, bewegte sich nicht. Seine Brust hob und senkte sich angestrengt unter seinen schweren Atemzügen, seine Augen waren starr geradeaus gerichtet und seine Lippen fest zusammengepresst. Erneut erklang dieses markerschütternde Knacken und mit einem Satz hatte Alec sich wieder in Bewegung gesetzt. Seine Füße bewegten sich so schnell, dass ich kaum mit ihm mithalten konnte.

Als Alec seine Schritte wieder verlangsamte erblickte ich einen auf dem Boden liegenden, leblosen Körper. Die Kleidung war verschmutzt und zerrissen. Blutige Kratzer zierten seine Haut. Eine dunkle Flüssigkeit hatte seine Haut bedeckt und verdeckten die Runen, die darauf hinwiesen, dass es sich bei dem leblosen Körper auf dem Boden nicht um einen Menschen, sondern um einen Schattenjäger handelte. Das blonde Haar war verdreckt, verfilzt und klebte ihm in verschwitzten Strähnen im Gesicht. Es gab keinen Zweifel. „Jace.", stieß Alec atemlos hervor und rannte auf ihn zu. Ich folgte ihm. Bei ihm angekommen ließ Alec sich neben ihm nieder, ging in die Hocke und drehte ihn auf den Rücken. Seine Augen waren nach wie vor geschlossen, doch seine Brust hob und senkte sich. Er atmete noch. Wenn auch nur sehr leicht, doch war er noch am Leben. Alec warf mir einen flehenden Blick zu.

Ich breitete meine Hände über seinem Körper aus, nahm die Schwingungen entgegen, die seine geschundene Seele und das in ihm ausbreitende Gift absandte. Ich stockte. Die Dunkelheit hatte seine Seele befallen; hatte seinen Körper heimgesucht. Das Gift hatte sich zwischenzeitlich so weitläufig in seinem Körper ausgebreitet, dass er den Schmerzen und dem Schaden, der das Gift bei ihm anrichtete, nicht mehr Standhalten konnte. Es hatte ihn wortwörtlich umgehauen. Wenn wir uns nicht beeilten, würde er sterben. „Kannst du nichts tun?", fragte Alec, seine Stimme von Angst gezeichnet. Ich schüttelte den Kopf. „Nicht hier.", erwiderte ich und hasste es, Alec enttäuschen zu müssen. „Ich brauch meine Tinkturen.", fügte ich hinzu und seufzte. „Ich kann höchstens versuchen, einen Teil seiner Schmerzen zu lindern. Aber wir müssen uns beeilen. Er hat nicht mehr viel Zeit.", versuchte ich Alec den Ernst der Lage deutlich zu machen. Alec nickte, griff unter Jaces Arme, um sich seinen leblosen Körper über die Schultern zu werfen, als ein grässliches, unverkennbares Lachen wie ein Echo durch den alten, verlassenen U-Bahn Tunnel hallte.

When Worlds Collide | Magnus BaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt