Kapitel 34

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„Das ... das tut mir wirklich Leid, Magnus.", entschuldigte er sich nun auch zum hundertsten Mal, während er den Edelstahl in seinen Händen hielt und wie ein begossener Pudel auf meinem Bett saß. „Ich werde dir das natürlich bezahlen." Wie oft hatte er das nun schon gesagt? Einhundert, zweihundert Mal?

Seine Haut war noch ganz feucht, ebenso wie meine. Seine Haare waren zerzaust und standen in alle Richtungen von seinem Kopf ab. Einzelne Wassertropfen hatten sich ihren Weg aus seinem Haar, über seinen Hals bis runter zu seiner nackten Brust gebahnt, wo sie in der Hügellandschaft seiner Muskeln verschwanden. Nackt, nur mit einem Baumwollhandtuch über dem Schoß saß er auf der Satinbettwäsche meines Bettes und betrachtete die Badezimmerarmatur in seinen Händen. Ich konnte nicht anders, als zu Grinsen. Nicht, weil sein Anblick mich amüsierte; nein, wegen dem, was wir getan hatten. Zuvor. In der Dusche.

Ebenfalls nur mit einem Handtuch bekleidet, dass ich mir um die Hüften gebunden hatte, ließ ich mich neben ihm auf dem Bett nieder und umfasste das Stück glänzenden Stahls in seinen Händen. Ich verstärkte meinen Griff und entzog es ihm. Dann legte ich es neben das Bett auf den Boden und wandte mich wieder Alec zu.

„Alles in Ordnung?", wollte ich wissen. Immerhin war unser gemeinsames Erlebnis von vorhin sein erstes Mal gewesen. Alec blickte mir ins Gesicht, seine Wangen leicht gerötet. Seine Mundwinkel zuckten leicht, verwandelten sich in ein strahlendes Lächeln, dass seine glühenden Augen betonte. Dann nickte er.

„Es kann sein das du ein paar Schmerzen haben wirst.", sagte ich dann und blickte zu seinem überaus knackigen Hinterteil. „Wenn dem so ist, sag es mir einfach okay?" Ich konnte spüren, dass ihm das Gespräch nicht sonderlich angenehm war, doch er widersprach nicht, sondern nickte nur. Kurz darauf beugte er sich zu mir vor und legte seine Lippen auf meine; diesmal sanfter, zaghafter als vorhin. „Es ... es war ...", stammelte er leise vor sich hin und senkte kurz den Blick, als sich unsere Lippen wieder voneinander gelöst hatten. „Du musst nichts sagen, Alexander.", raunte ich ihm entgegen und stahl mir einen weiteren, ganz sanften Kuss. Ein Kuss, der nur für den Bruchteil einer Sekunden Bestand hatte, aber wie ein Echo in meinen Lenden nachhallte.

„Doch. Ich möchte etwas sagen.", ermahnte er mich dann, holte tief Luft und schaute mir tief in die Augen; so intensiv, dass es mir Gänsehaut bereitete. „Es war ... wunderschön Magnus. Wirklich. Ich ... es ..." Dann stöhnte er leise auf. „Ich glaube ich habe in meinem ganzen Leben bisher noch nie etwas so schönes erlebt."

Ein glückliches und zufriedenes Grinsen legte sich auf meine Lippen. Ganz vorsichtig streichelte ich durch sein zerzaustes Haar, über seine Wange und küsste ihn erneut, sog seine Lippen zwischen meine, wodurch mir erneut klar wurde, dass ich einfach nicht genug von ihm bekommen konnte; dass er es war, der mein Herz gestohlen hatte. „War es ... für dich ... ich meine, hat es dir auch gefallen?", stammelte er weiter verlegen vor sich hin und ich konnte nicht anders, als ihn ein weiteres Mal zu küssen und ihn mit einem amüsierten Lächeln anzusehen. „Was glaubst du denn?", beantwortete ich seine Frage mit einer Gegenfrage. Dann stahl sich auch ein Lächeln auf seine Lippen und ich erwiderte es. „Vielleicht sollten wir noch ein bisschen mehr üben. Ich meine, dass wir besser werden ...", fügte Alec grinsend hinzu, beugte sich weiter zu mir nach vorne, küsste mich und schob seine Hand unter mein Handtuch. Ich sog die Luft tief in meinen Lungen, hielt für einen Augenblick die Luft an. So gerne ich unser Erlebnis von vorhin auch fortgesetzt hätte, zu gerne sogar, griff ich nach seinem Handgelenk und stoppte ihn in seiner Bewegung. „Ist irgendetwas?" Am liebsten hätte ich mir selbst dafür eine Ohrfeige verpasst, den Augenblick zu ruinieren, doch gab es etwas, worüber wir sprechen mussten. Etwas, worüber er vielleicht nicht sprechen wollte; etwas, dass er vergessen wollte, doch wenn er nicht darüber sprach, würde sich irgendwann eine riesige Kluft entwickeln, die es unmöglich war zu überwinden.

„Wir müssen uns unterhalten.", sagte ich dann und legte den Kopf schief. Augenblicklich zog Alec seine Hand unter dem Handtuch hervor. Das Lächeln auf seinen Lippen war verblasst. „Izzy hat mir erzählt was passiert ist. Nun ja, zumindest teilweise." Wie automatisch griff ich nach seiner Hand und streichelte ganz sanft über seine erhitzte Haut. „Willst du mir nicht sagen, was zwischen dir und deinen Eltern vorgefallen ist?" Sein Körper versteifte sich bei meinen Worten; jeder seiner Muskeln war angespannt; angespannt, wie vor einem Kampf. „Ich hab ihnen von uns erzählt. Sie haben es nicht sonderlich gut aufgefasst. Das wars. Ende der Geschichte." Alec wandte seinen Blick von mir ab und ich seufzte; ließ seine Hand los und legte meine vorsichtig auf seinen nackten Oberschenkel.

„Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst."

„Es gibt Nichts zu erzählen." Seine Augen waren zu Schlitzen verengt, seine Stimme klang heiser, harsch und seine Hände waren zu Fäusten geballt. „Es gibt aber Nichts zu erzählen.", behauptete er mit Nachdruck.

„Alec, bitte."

Innerhalb weniger Sekunden war er von dem Bett aufgesprungen; das Handtuch mit seinen Händen festhaltend stand nun aufgebracht und wütend mitten im Schlafzimmer. Seine Brust hob und senkte sich schwer unter seinen anstrengenden Atemzügen. „Es gibt Nichts zu erzählen Magnus. Sie haben mich rausgeworfen. Ganz einfach. Ich bin es eben nicht würdig, Teil dieser Familie zu sein, okay?", schrie er mich förmlich an; seine Stimme rau und heiser zugleich.

„Alexander ...", raunte ich, doch er ließ mich nicht zu Wort kommen.

„Mir geht's gut okay?", fauchte er, fuhr sich genervt durch die Haare und drehte sich mit dem Rücken zu mir. Mit einem wütenden Stöhnen schlug er mit der Faust gegen die Zimmerwand. Ich hatte mich zwischenzeitlich von meinem Bett erhoben, ignorierte die Tatsache, dass mir das Handtuch von den Hüften gerutscht war und begab mich zu ihm hinüber. Vorsichtig, ganz zaghaft näherte ich mich ihm, legte meine Hand auf seine Schulter, so wie ich es vorhin in der Dusche getan hatte.

„Alec.", flüsterte ich erneut, leise; beinahe keuchend.

„Sie haben Recht.", sagte er dann, ebenso flüsternd. Ein unbändiges Zittern schwang in seiner Stimme mit. „Ich bin eine Schande für unsere Familie."

„Das bist du nicht.", widersprach ich mit Nachdruck und ließ meine Hand über seine Haut kreisen. „Doch, das bin ich.", sagte er immer und immer wieder. „Wieso sollten meine Eltern auch einen Sohn wie mich lieben?", fragte er, mehr zu sich selbst gerichtet und schüttelte den Kopf. „Wer sollte mich denn schon überhaupt lieben."

Ich hielt einen Augenblick lang inne, ertrug den Anblick, der sich mir bot nicht länger; all die Gedanken, die sein Hirn vergifteten, waren einfach unerträglich. Unerträglich und eine absolute Lüge. „Ich liebe dich, Alexander."

Für einen winzigen Moment stand er einfach nur still da. Er hatte die Luft angehalten; jeden einzelnen seiner Muskeln angespannt. Dann drehte er sich zu mir um. „Was?", fragte er dann; ungläubig und ängstlich zugleich. Fragend hob er eine Augenbraue und schaute mir so tief in die Augen, dass meine Knie weich wurden und drohten zusammenzubrechen. Und in diesem Augenblick war ich mir so sicher wie noch nie in meinem Leben. „Ich liebe dich Alexander Lightwood. Und da gibt es Nichts mehr dran zu rütteln."

In diesem Augenblick zeichneten sich sämtliche Emotionen in seinem attraktiven Gesicht ab. Schock. Angst. Freude. Glück. Verlangen. Liebe. Wenige Augenblicke später lagen seine Lippen wieder auf meinen. Wie eine wild gewordene Furie hatte er seine Arme um mich geschlagen, uns beide herum gedreht, sodass ich nun mit dem Rücken zur Wand stand und presste mich mit all seinem Gewicht gegen den harten Beton in meinem Rücken. Seine Küsse waren gierig, unbändig und doch so voller Liebe und Leidenschaft, dass es mir all meine Sinne raubte.

In dieser Nacht schliefen wir noch ein zweites Mal miteinander. Und noch ein drittes Mal. Und bei jedem weiteren Mal; jedes Mal, wenn seine Lippen und Finger meine Haut bedeckten; wenn seine Haut meine berührte wurde mir noch ein Stückchen mehr bewusst, dass ich ihn liebte. Dass er derjenige war, für den sich mein Jahrhunderte altes Herz entschieden hatte. Dass er derjenige war, der mich ausfüllte, der mein Herz wiederbelebt und meine Seele zum Tanzen gebracht hatte. In dieser Nacht schwor ich mir, dass ich alles tun würde, um ihn glücklich zu machen; dass ich ihn nie wieder gehen lassen würde.

When Worlds Collide | Magnus BaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt