Kapitel 21

16 3 0
                                    

Maryse und Robert Lightwood waren vor gut zwei Stunden zurück ins Institut gekehrt. Ich kannte sowohl Maryse als auch Robert von früher, keine sonderlich angenehmen Zeitgenossen. Es wunderte mich, dass Alec tatsächlich ihr leiblicher Sohn war. Zugegeben, er hatte ihre schwarzen Haare, doch die blauen Augen waren für einen Lightwood außergewöhnlich und auch sein Gemüt glich eher dem eines Herondale. Seine Schwester Izzy war da schon eher ein Lightwood.

„Es gab einen Angriff.", verkündete Maryse. Ihre Stimme klang beunruhigt. Nach ihrer Rückkehr hatten wir uns alle an dem großen Tisch in der Bibliothek versammelt. Alec saß am anderen Ende des Tisches, mir fast genau gegenüber. Hin und wieder warf ich einen verstohlenen Blick zu ihm hinüber. Er wirkte angespannt, unsicher, ängstlich sogar. Zuerst glaubte ich, dass es an der schlechten Nachricht liegen würde, die seine Eltern mitgebracht hatten, doch dann wurde mir klar, dass es womöglich an mir lag. Dass ich der ausschlaggebende Punkt war, weshalb er sich so unwohl zu fühlen schien, ich und seine Eltern, die nichts von seiner sexuellen Orientierung wissen durften. „Der Angriff muss ungefähr zeitgleich mit unserer Rückkehr aus Idris stattgefunden haben. Lucian hat den Rat darüber informiert. Es hat den Blutmond getroffen. Jemand muss dort unbemerkt Feuer gelegt haben. Der Blutmond ist bis auf die Steinmauern niedergebrannt. Die Türen waren verschlossen weshalb fast alle Wölfe darin umgekommen sind. Es heißt ein Nephilim hat das Feuer gelegt.", verkündete Maryse mit hochgezogener Augenbraue. Ich stützte mein Kinn auf meiner rechten Hand ab und lauschte ihren Worten. „Wie viele?", wollte der arrogante Blondschopf wissen. Ich seufzte. Aufgrund der getroffenen Vereinbarung, war es Nephilim eigentlich nicht gestattet, Schattenweltler zu vernichten, nicht solange sie den Pakt einhielten und keiner von ihnen wäre so dumm, den Pakt zu brechen. Die Rasse der Nephilim und meinesgleichen lebten bereits seit Jahren in Frieden und auch wenn es immer mal wieder Ausnahmen gab, war ich mir ziemlich sicher, das die meisten mit dieser Vereinbarung zufrieden waren. Solange man sie in Ruhe ließ, ließen sie einen ebenfalls in Ruhe. So einfach war es. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Nephilim aus eigenem Willen eine Horde Werwölfe ermordete, vorausgesetzt er kannte die Strafe.

Maryse schaute einen nach dem anderen von uns an. „Vermutlich sind bei dem Anschlag zehn Kinder des Mondes ums Leben gekommen.", erwiderte Robert der nicht minder aufgebracht war, wie seine Frau. „Nie im Leben war das ein Schattenjäger." Jaces Stimme war rau und triefte nur so vor Entschlossenheit. Da musste ich dem arroganten Schnösel tatsächlich einmal Recht geben. Auch wenn ich nicht sonderlich viel von den Nephilim hielt, es sei denn sie hatten schwarze Haare und blaue Augen, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Schattenjäger ein Werwolfsnest ausgelöscht haben sollte. Es sei denn ....

Maryse nahm einen Schluck des vor ihr stehenden Rotweins. „Du hast Recht. Kein Nephilim würde so etwas tun. Jedenfalls keiner der bei klarem Verstand ist.", sinnierte Maryse. Ich runzelte die Stirn, fixierte das hübsche Gesicht einer Frau, die um Jahre gealtert war. „Ein manipulierter Schattenjäger jedoch wäre dazu in der Lage.", sprach ich meine Gedanken laut aus. „Das war Yanlous Werk beziehungsweise das Werk seines Handlangers." Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und hielt meine Blicke noch immer auf Maryse gerichtet, die mich ihrerseits mit erstaunten und zugleich ängstlichen Blicken betrachtete. „Du meinst das dieser andere Hexenmeister ....", fragte Clary leise ohne den Satz zu beenden, was im Grunde auch nicht notwendig gewesen war. Ich konnte in den Augen der anderen sehr wohl erkennen, dass sie alle verstanden hatten; dass sie alle wussten, worauf ich hinaus wollte. Ein Hexenmeister der einen Bund mit Yanlou eingegangen war, war eine Sache, doch ein Hexenmeister der mit seinen Taten Schattenweltler gegen die Nephilim aufbrachte, war etwas ganz anderes, etwas gefährliches, todbringendes und zwar für beide Seiten.

„Aber Luke weiß dass niemand von uns so etwas freiwillig tun würde.", ließ Alec verlauten. Ich warf ihm einen unverwandten Blick zu. Trotz der Stärke, die er ausstrahlte, wirkte er nach wie vor verloren. „Er ist der Anführer des New Yorker Rudels." Maryse nickte und erhob sich von ihrem Stuhl. „Du hast Recht Alec, aber Luke ist auch der einzige unter den Lykantropen der eine Beziehung zu uns Schattenjägern hat." Mit diesen Worten wandte sie sich an Clary. „Luke ist Jocelyns Freund und war selbst einmal einer von uns. Nicht alle Wölfe sind ihm deshalb gut gesinnt. Es gibt einige unter ihnen die Lucian nur dulden weil er nunmal der Anführer ist. Und wir alle wissen wie sich ein neuer Anführer wählen lässt." Indem der neue Anführer den alten tötet, dachte ich und betrachtete die außerordentlich aufgebrachten Gesichter der Nephilim. „Robert und ich werden zusammen mit Hodge den Rat informieren. Ihr Kinder solltet jetzt schlafen gehen. Morgen wissen wir sicher mehr. Clarissa du bist eingeladen hier zu übernachten." Während sie diese Worte sprach, wandte Maryse ihren Blick kurz zu Simon, dem Menschenjungen. Es war offensichtlich, dass sie ihn nicht hier haben wollte. Vielleicht hatte Alec tatsächlich Recht. Vielleicht waren seine Eltern tatsächlich noch nicht bereit dazu, etwas über ihn und mich zu erfahren. Wenn sie schon so auf einen einfachen Menschenjungen reagierten, wie reagierten sie dann wohl auf die Neuigkeit, dass ihr Sohn schwul war? Kurze Zeit später hatte sie sich gemeinsam mit Robert und Hodge in den hinteren Teil der Bibliothek verzogen, während wir nach wie vor an dem großen Tisch saßen und jeder von uns auf seine eigene Art und Weise das verarbeitete, was soeben bekannt gegeben wurde.

When Worlds Collide | Magnus BaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt