Kapitel 42

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Ich musste kurz eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, hatte Alec es tatsächlich geschafft mit Hilfe seiner Stele und irgendwelchem Schutt, der sich hier unten befand, ein Feuer zu machen, dass nicht nur mich wärmte, sondern auch auch ihm Kraft spendete und einen Augenblick der Ruhe gab, zum Nachdenken. Als ob das etwas geholfen hätte. Wir befanden uns in einer ausweglosen Situation. Es gab kein Weg zurück, dass musste auch ihm klar werden. Ich keuchte leise auf vor Schmerzen und merkte erst jetzt, dass er mir seine Jacke als Kopfkissen unter den Kopf geschoben hatte. Ich setzte mich ein wenig auf und schaffte es tatsächlich, ohne zur Seite umzukippen. „Magnus.", stieß Alec hervor, als er meine Bewegungen vernahm und hechtete innerhalb weniger Sekunden zu mir rüber, stützte mich und half mir, mich Aufrecht zu halten. „Du bist wach.", stellte er fest. Seine Stimme klang noch immer besorgt, ängstlich hätte ich sogar behauptet wenn ich nicht gewusst hätte, dass ihn so schnell Nichts aus der Bahn werfen konnte. Für gewöhnlich war er immer derjenige, der einen kühlen Kopf behielt. Vielleicht würde uns diese Eigenschaft hier unten ja letzten Endes doch noch zu Nütze kommen.

Ich keuchte wieder auf und holte tief Luft, machte eine kurze Pause und hob meine Hand zu der Wunde an meinem Kopf. Meine Haare klebten an meinem Kopf wie Kaugummi. Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Eine ziemliche Wunde, die du da am Kopf hast.", stellte Alec fest und warf selbst einen Blick auf die Stelle an meinem Schädel, die zwischenzeitlich glücklicherweise vollends aufgehört hatte zu bluten. Wenn ich jetzt noch über meine magischen Fähigkeiten verfügen könnte, mitunter auch über meine Selbstheilungskräfte, wäre die Situation vielleicht gar nicht so ausweglos wie anfangs vermutet. Doch bedauerlicherweise verfügte ich hier unten in der Dimension meines Vaters über keinerlei magischer Fähigkeiten und war Nichts weiter, als ein hundsgewöhnlicher Sterblicher.

Ich nickte und stöhnte schmerzvoll auf, als er mit seinen Fingern auf das verletzte Fleisch an meinem Kopf fasste. Ich zischte, was Alec dazu veranlasste, sofort seine Hand wieder zurückzuziehen aus Angst, mir noch mehr Schmerzen zuzufügen. Ich wandte ihm einen Seitenblick zu und holte tief Luft. „Wieso hast du das nur getan?", flüsterte ich leise, meine Stimme beinahe nur noch ein Flüstern.

Alec hielt einen Augenblick inne, erwiderte meine Blicke ebenso intensiv, wie ich es tat. „Das solltest du eigentlich wissen.", erwiderte er ebenso leise, wie ich es zuvor getan hatte. „Ich lasse dich nicht einfach sterben Magnus.", fügte er hinzu, beinahe entäuschend, dass ich nicht selbst darauf gekommen war, und schüttelte energisch den Kopf. Ich seufzte. „Das war eine sehr sehr dumme Entscheidung.", erwiderte ich. „Sehr dumm. Du hättest mich einfach gehen lassen sollen." Wieder schüttelte er den Kopf. „In deinen Träumen ...", schnaubte er und klang allmählich etwas wütend. „Du verstehst das hier nicht Alec. Wir sind hier unten gefangen. Das ist nicht einfach eine eurer Parallelwelten, durch die ihr hindurch springen könnt wie ihr wollt. Selbst wenn wir hier unten ein Portal hätten, könnten wir nicht mehr so einfach zurück, erst recht nicht, jetzt wo Asmodeus in eurer Dimension ist. Wir sind hier unten gefangen. Gefangen wie zwei Fische in einem Goldfischglas." Alec stöhnte. „Ich werde nicht zulassen, dass wir hier unten sterben.", sagte er bestimmt. Meine Mundwinkel zuckten leicht. Ein sanftes Lächeln legte sich auf meine Lippen. „Ein sehr ehrenwerter Gedanke Alec, doch das alleine reicht nicht. Glaub mir, es haben schon andere versucht, hier wieder raus zu kommen. Der Sinn der Sache wäre ja auch etwas verfehlt, wenn man einfach so rein und raus spazieren könnte, wie es einem gerade passt, meinst du nicht?"

„Ich bin nicht wie die anderen." Ich nickte, dann seufzte ich leise. „Stimmt." Vorsichtig griff ich nach seiner Hand, betrachtete die blutigen Schrammen an seinen Knöcheln, die bei dem Sturz entstanden sein mussten, um ihm kurz darauf wieder in die Augen zu schauen. „Das bist du nicht. Und doch wird es nicht reichen."

„Das kannst du nicht wissen."

„Doch, das kann ich." Ich zuckte mit den Schultern. „Schon vergessen? Asmodeus ist mein Vater, ich kenn mich ein bisschen aus damit."

Es wunderte mich, dass Alec das Thema von wegen das Asmodeus mein Vater war und wieso ich ihm davon noch Nichts erzählt hatte, noch nicht angeschnitten hatte. Wahrscheinlich machte ihn der Gedanke, dass ich diese Information all die Zeit unseres Kennens für mich behalten hatte, wahnsinnig.

Alec erwiderte einen kurzen Augenblick nichts, sondern betrachtete mich nur eingehend. Sein Blick blieb an jeder einzelnen blutigen Wunde, an jedem Kratzer, an jedem blauen Fleck an meinem Körper hängen und jedes Mal erkannte ich einen größeren Schmerz in seinen Augen.

„Mein Leben ist es nicht Wert, deins zu riskieren Alexander.", seufzte ich nach einer Weile. Ich schüttelte den Kopf. „Du hättest dort oben bleiben sollen; versuchen sollen, Elijah und Asmodeus zu bekämpfen. Du hättest mich einfach vergessen sollen."

Jetzt war es wieder Alec, der den Kopf schüttelte und mich mit einem Ausdruck in den Augen betrachtete, als hätte ich ihm gerade erzählt, dass Aliens tatsächlich existierten. „Ich würde alles riskieren um dich zu retten Magnus, das solltest du inzwischen wissen." Ich lachte leise auf, was eher einem Schnauben klang. Wieder suchte mich eine Welle von stechenden Schmerzen heim, die mir für einen Augenblick die Luft abdrückten. Das Gefühl von Alecs Hand auf meinem Rücken half mir, mich wieder zu beruhigen und die Schmerzen zu übergehen. Zumindest für den Moment.

„Du bist jetzt mein Leben Magnus."

Ich lächelte. „Du bist mein Leben Alexander, und genau deshalb war es dumm, dich mit mir in die Hölle zu stürzen. Du musst leben Alexander. Nur das zählt."

„Wie viele Schläge hast du auf den Kopf bekommen?", fragte er dann, meine Worte absichtlich ignorierend und schielte neuerlich zu der Wunde an meinem Kopf. „Offensichtlich hast du ziemlich was abbekommen. Du kannst gar nicht mehr klar denken. Und dein Sprachvermögen scheint auch drunter zu leiden."

Meine Lippen hatten sich bereits geöffnet um etwas zu sagen, doch ehe die Worte meinen Mund verließen, verschloss er meine Lippen mit seinen. Ich spürte wie sich ein harter Druck gegen meinen Mund aufbaute, wie er seinen gegen meinen presste, gierig, voller Lust und doch so voller Trauer, dass es mir innerliche Schmerzen bereitete. Der Kuss hielt nur für einen Augenblick an, erschien mir jedoch, wie eine Ewigkeit. Er löste mich von mir los. Ich gierte noch immer nach meinen Lippen, wurde dann aber von den Schmerzen in meinem Körper, auf meiner Haut, an meinem Kopf daran erinnert, dass wir keine Zeit hatten für solche dummen Spielereien, selbst wenn es vermutlich die letzten Stunden unseres Lebens waren.

Dann griff er nach meiner Hand und umfasste sie mit seinen. Er schaute mir tief in die Augen. Ich spürte die Wärme, die durch meinen Körper floss, glaubte zu spüren, wie seine Kraft in mich überging, wie er meinem Körper half, sich zu regenerieren. Erstaunt blickte ich zu Alec, erwiderte seine Blicke. „Was tust du da?"

„Ich gebe dir nur ein bisschen meiner Kraft ab.", flüsterte er leise. „Du kannst sie momentan besser gebrauchen, als ich."

Ich versuchte ihm meine Hand zu entziehen, musste er doch stark bleiben. Wenn es eine Chance gab hier unten zu überleben, brauchte er all die Kraft, die er bekommen konnte. Doch Alec widersetzte sich meinem Versuch und hielt meine Hand weiter fest. „Du kannst meine Hand nehmen Magnus.", flüsterte er leise. „Und all meine Kraft. Alles. Was auch immer dir hilft am Leben zu bleiben. Ich werde nicht zulassen, dass du stirbst. Niemals." Ich seufzte, startete einen weiteren Versuch ihm meine Hand zu entziehen, doch ich war so geschwächt, dass ich noch nicht einmal das schaffte. Ich spürte weiter die Wärme, die seine Haut absonderte und in meinen Körper überging. „Du bist unglaublich Alexander Lightwood." Diesmal war er derjenige, der sich zu einem sanften, beinahe unmerklichen Lächeln durchrang. „Immer zu Diensten."

When Worlds Collide | Magnus BaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt