Die Worte von meinem Bruder drücken die Atmosphäre. Wenn dieser Pedro gefährlich ist, wird mein Bruder auch nicht sicher sein. Nicht, solange er Schulden hat. "Noah, gib mir das Geld, nenn mir den Ort und die Uhrzeit und ich kümmere mich darum."
"Das kann ich nicht von dir verlangen. Hast du mich nicht gehört? Sie werden dir was antun!"
"Nein, er will ja sein Geld. Aber wenn du dich jetzt verkriechst, werden sie dir etwas antun. Erzähl mir alles über diesen Pedro, was du weißt."
Noah seufzt tief und sackt auf der Couch förmlich in sich zusammen. "Uff... Er ist nett, kultiviert, überaus einnehmend. Er redet viel und gerne und die Frauen liegen ihm regelrecht zu Füßen."
"Okay, womit muss ich rechnen, wenn ich ihm gegenüber trete?"
"Ich weiß es nicht. Er ist einerseits ein echter Gentleman, aber er kann auch knallhart sein. Für Frauen hat er aber eine echte Schwäche. Er ist wohl in festen Händen, aber nicht verheiratet."
Es wird also ein Vorteil sein, wenn ich mit Pedro rede, anstatt mein Bruder. "Okay. Was glaubst du, was er macht, wenn er sein Geld hat?"
"Ich habe nur die 20.000 Dollar. Vielleicht bietet er dir ein unmoralisches Angebot..."
"Uh, nee", erwidere ich sofort. Ich werde sicher nicht mit so einem Arschloch ins Bett gehen, um den Hals meines Bruders aus der Schlinge zu ziehen. "Hat er sonst noch Schwächen? Vorlieben? Irgendwas?"
"Naja, Frauen eben. Und er mag Kunst, also richtige Gemälde, nicht diese Statuen, oder so. Ich hörte auch mal, dass er Vater ist."
Ich versuche so viele Informationen zu speichern, wie möglich. Er ist Vater, er mag Kunst und er liebt Frauen. Vorrangig ein Gentleman, aber trotz allem sehr gefährlich. "Womit verdient er sein Geld?"
"Ich weiß es nicht. Er verkauft Zeug. Vielleicht sogar Gemälde oder sowas."
Unglaublich, dass Noah so blauäugig die Sache angegangen ist. "Du solltest dich das nächste Mal besser über deinen Chef informieren. Also, wann sollst du ihn morgen treffen? Und wo?"
"Am Hafen gibt es eine große, stillgelegte Werft oder sowas. Ich habe hier die Adresse... Um 22 Uhr ist er dort." Noah kramt in seiner Hosentasche und reicht mir einen Zettel. Er schweigt lange, greift nach meiner Hand und drückt sie. "Ich habe Angst, Clara. Bitte sei vorsichtig. Und reiz ihn nicht."
"Hey, mein Chef ist ein Choleriker und ich habe eine ganz gute Menschenkenntnis. Ich werde vorsichtig sein."
"Ich habe echt viel Scheiße gebaut in meinem Leben. Und seitdem Dad nicht mehr da ist..."
Für einen Moment wird mir flau im Magen und mein Herz verkrampft sich. An die Dinge, die vor sieben Jahren passiert sind, kann und will ich nicht denken. Nicht jetzt. Ich muss nach vorne schauen und stark sein. Für meinen kleinen Bruder. "Noah, dass du nun freiwillig diese Therapie machst, ist großartig. Aber du musst das bis zum Ende durch ziehen. Und du darfst nicht rückfällig werden. Vielleicht hilft dir dieses Erlebnis, ein für alle Mal loslassen zu können von dieser Sucht."
"Ja, du hast recht. Danke, dass du mir immer geholfen hast. Obwohl es für dich ja noch so viel schwerer war... Das mit Mom und Dad..."
Mir steigen Tränen in die Augen. Ich schlucke heftig und atme tief durch. Schnell verdränge ich die Bilder von der OP aus meinem Kopf und blinzle ein paar Mal. Ob ich das jemals loslassen kann? Wahrscheinlich nicht. "Reden wir nicht darüber... Bitte nicht."
"Es tut mir leid." Noah lässt meine Hand los und steht auf. Er geht zu seinem Wohnzimmerschrank, öffnet eine Schublade und holt einen dicken Briefumschlag hervor. Er dreht ihn etwas hin und her und ich sehe, wie schwer es ihm fällt, das Geld abzugeben.
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Schuld und schuldig
ActionClara ist Allgemeinchirurgin am Boston Medical Center und liebt ihren Job. Ihr Leben wäre fast perfekt, wäre da nicht ihr spielsüchtiger Bruder, der ein Händchen für Probleme hat. Um ihm zu helfen, würde Clara alles tun. - Wirklich alles? Was, wenn...