"Alejandro!", begrüßt Pablo einen jungen, durchtrainierten Mann. Er hat kurze, streng nach hinten gekämmte, schwarze Haare. Man sieht den beiden Männern an, dass sie verwandt sind. "Wurde aber auch Zeit! Komm her, setz dich."
"Hola Pablo!"
Die beiden umarmen sich herzlich und klopfen sich dabei gegenseitig auf den Rücken.
Dann wendet sich der jüngere Mann zu mir. "Und du bist Clara, nicht wahr?" Alejandro reicht mir die Hand, die ich zögernd annehme. Sein Händedruck ist ziemlich kräftig, schon fast schmerzhaft. Er setzt sich nach einer kurzen Geste von Pablo dazu und mustert mich.
"Ja, richtig", erwidere ich knapp.
"Pablo hat schon viel von dir erzählt. Ich bin Alejandro, sein Cousin väterlicherseits."
"Freut mich." Pablo redet über mich? Und was erzählt er dabei? Andererseits will ich das eigentlich gar nicht wissen.
Pablo trinkt einen Schluck Scotch und wendet sich dabei seinem Cousin zu. "Also... Was geht da gerade schief in New York?"
"Die scheiss Meth Labore schießen wie Nichts aus dem Boden. Wenn wir eins finden und zerstören, dann sind schon wieder zwei neue da."
Ich bin für einen Moment entsetzt. Die reden doch jetzt nicht etwa über Crystal Meth oder genauer gesagt, über Methamphetamin? Das Zeug ist leicht herzustellen, billig und die Wirkung kann echt lange anhalten. Ich weiß von Studenten, die den Scheiß während der Prüfungsphase nehmen, weil es die Konzentration und Leistung steigern kann.
"Das sieht so langsam nach einem System aus", murmelt Pablo nachdenklich. "Brauchst du mehr Männer?"
"Wir müssen die Konkurrenz vernichten, bevor er sich in unserem Gebiet festsetzen kann. Immerhin weiß ich mittlerweile, wie er heißt."
Die beiden Cousins reden noch eine Weile über das Problem. Pablo will zwanzig Männer nach New York schicken, um den Typen zu ergreifen. Alejandro schwört, dass er den Mann an den Eiern aufhängen wird, sobald er ihn hat.
Es ist schwer für mich, wegzuhören. Sie reden nicht mal über die Opfer der Drogen. Nur die Konkurrenz ist wichtig, die das Geschäft kaputt macht.
Pablo und Alejandro verabschieden sich und umarmen sich dabei wieder.
Alejandro wendet sich an mich. "War nett, dich kennen gelernt zu haben, Clara."
Ich verziehe kurz das Gesicht. Als wenn er mich in den zehn Minuten kennengelernt hätte. Während die beiden miteinander sprachen, habe ich bloß Löcher in die Luft gestarrt.
Nachdem Alejandro weg ist, wird es lebhafter. Ein glatzköpfiger Mann geht zu Pablo und sie klopfen sich überschwänglich auf den Rücken, während sie sich umarmen. Der Mann reicht auch mir die Hand, die ich nur ungern ergreife. Allerdings dreht er meine Hand und küsst meinen Handrücken mehrmals. Angewidert ziehe ich die Hand weg.
Die beiden sprechen spanisch miteinander. Aber sie lachen viel.
Da ich dem Gespräch eh nicht folgen kann, stehe ich wieder auf. Pablo sieht mich kurz an, richtet seine Aufmerksamkeit dann aber wieder auf den Mann vor ihm.Ich gehe ein paar Schritte, steuere auf die Bar zu und lasse mir ein Wasser geben. Immerhin werde ich wohl kaum die ganze Nacht hier sein müssen. Mit dem Glas in der Hand sehe ich mich um. Bisher ist noch niemand gegangen und immer wieder schauen die Männer zu Pablo. Einige begnügen sich bereits freizügig mit den Frauen und die Geräusche dringen immer lauter bis zur Bar vor.
Mir wird das alles zu viel. Ich schaue mich noch mal kurz um, dann gehe ich raus an die frische Luft. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen und es ist kühl geworden. Flüchtig geht der Blick zu den Autos. Aber ich sehe überall ein paar Männer im Halbdunkel herumlaufen.
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Schuld und schuldig
ActionClara ist Allgemeinchirurgin am Boston Medical Center und liebt ihren Job. Ihr Leben wäre fast perfekt, wäre da nicht ihr spielsüchtiger Bruder, der ein Händchen für Probleme hat. Um ihm zu helfen, würde Clara alles tun. - Wirklich alles? Was, wenn...