Kapitel 43 - Strandausflug

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Nach dem Essen versucht Nanice, den Kleinen ins Bett zu bringen. Aber die Aussicht auf den Strand lässt ihn jede Müdigkeit vergessen. Er bleibt einfach nicht still im Bett liegen und nach einer halben Stunde gibt Nanice auf.

"Strand, Strand, Strand, Strand, Strand!" Álvaro rennt um die große Couch herum, zum Poolbillard Tisch und dann wieder zurück.

Nanice seufzt tief. "Ist das nicht noch zu früh? Wir haben doch gerade eben erst gegessen."

"Das ist schon eine halbe Stunde her", beruhige ich sie. Mir kommt es so vor, als wenn sie befürchtet, ich urteile über sie als Ärztin. "Und wir sind sicher auch ein wenig unterwegs. Alles okay."

Nanice nickt leicht. "Na komm, Álvaro. Ziehen wir dich um. Und wir Frauen müssen uns ja auch fertig machen."

"Oah, das dauert ja dann eeewig!"

Ich muss grinsen. Der Kleine ist aber auch einfach nur zum Anbeißen.
Pablo und Rubén haben sich zurückgezogen, sodass Nanice nur schnell eine Tasche für sich packt, während ich mir die Badesachen drunterziehe und saubere Wechselwäsche mitnehme.

Die Fahrt zum Strand geht schnell und Álvaro springt direkt ins Wasser, während ich mit Nanice die Decken ausbreite.

Nanice legt eine Hand an die Stirn, um die Sonne abzuschirmen. "Wie gut das ich zu Hause noch daran gedacht habe ihn einzucremen."

"Ein richtiger Wirbelwind. Es ist schön, wenn Kinder so lebhaft sind."

"Ja, das ist er. Und man kann ihm nicht lange böse sein, egal was er ausfrisst. Zum Glück geht er schon in den Kindergarten."

"Und das klappt mit dem Job?"

"Oh ja. Ziemlich gut sogar. Rubén ist ja auch noch da. Er hatte ganz zu Anfang eine Nanny für ihn. So konnte ich mich an alles gewöhnen."

Ich ziehe meine Sachen aus, sodass ich direkt im Bikini dasitze. Dann helfe ich Nanice, sich möglichst ungesehen hinter einem Handtuch umzuziehen." Gewöhnen? Wie meinst du das?"

"Ich habe Rubén nach der Geburt von Álvaro verlassen. Das Kind ließ ich bei ihm. Eigentlich wollte ich das alles hinter mir lassen. Aber es hat mich nie losgelassen und ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, wegen dem Kleinen. Als Álvaro zwei Jahre alt war, bin ich wieder zu ihm zurück."

"Und was ist mit deiner Hand passiert?"

"Ah, das... Ich habe mich selbst geschnitten. Es war zu tief und... Naja. Es geht so halbwegs. Ich komme damit klar."

"Wie lange ist das her?", frage ich neugierig nach.

"Drei Jahre."

"Warst du bei einem Handchirurgen?"

"Krankenhaus, Notaufnahme", erwidert sie schlicht.

"Darf ich mal sehen?"

"Öhm, ja. Sicher." Nanice gibt mir die Hand und ich taste sie gründlich ab. Vielleicht kann man nachträglich noch etwas machen. Es gibt sicher Kollegen hier in Miami, die ich zu Rate ziehen könnte. Es scheint nicht irreparabel beschädigt zu sein. Bewegungsreflexe sind alle da. Vielleicht lahmt der Ringfinger auch nur wegen des Mittelfinger. "Hast du noch eine Aufnahme vom MRT?"

"Oh, das weiß ich nicht... Ich müsste zu Hause mal nachschauen."

Ich will Nanice keine Hoffnungen machen, immerhin ist es schon drei Jahre her. Aber vielleicht gibt es ja doch eine Möglichkeit, da was zu machen.

Wir werden etwas von Álvaro abgelenkt, der seine Mutter ins Meer zieht. Die Zeit nutze ich, um mich in Ruhe mit Sonnencreme einzureiben.

Während ich den beiden zusehe, wie sie sich gegenseitig mit Wasser bespritzen, denke ich über meine weiteren Schritte nach. Hat Pablo diesen Ausflug eingeschoben, um mir eine angeblich heile Welt zu zeigen? Dass ich als seine Frau so leben könnte wie Nanice? Kind, Haus, Garten, Job...

Schuld und schuldigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt