Kapitel 42 - Nanice

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Veronica kommt auf mich zu und reicht mir lächelnd die Hand, die ich allerdings nicht ergreife. "Du bist Clara, richtig? Ich heiße Nanice. Schön, dich endlich mal kennenzulernen."

Die Stimme ist ganz anders als die von Veronica, viel wärmer und herzlicher. Generell wirkt Nanice viel freundlicher als Veronica. Trotzdem sehen sich die beiden unglaublich ähnlich. "Álvaro, magst du noch ein wenig hüpfen?", fragt sie an den Jungen gewandt.

"Kommst du denn gleich wieder dazu?"

"Ja, natürlich", erwidert sie freundlich.

Der Kleine flitzt sofort wieder los und hüpft kurz darauf im Garten, nahe des Klettergerüsts auf und ab. Nanice greift zu der großen Karaffe und füllt die Gläser, reicht mir eines davon. Aber ich kann mich nicht überwinden, davon zu trinken.

Argwöhnisch hebt Nanice beide Augenbrauen. "Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen."

Pablo mustert mich einen Moment, ehe er wohl versteht und die Situation erklärt: "Wir waren in Brasilien und sie hat dort Veronica getroffen."

Rubén kneift kurz die Augen zusammen und sieht alles andere als begeistert aus. "Du warst bei Miguel?"

Pablo nickt. "Ja, erzähle ich dir später."

Nanice stellt ihr Glas wieder ab. Ihre Hände zittern dabei. "Ich dachte, Veronica wäre tot."

"Nein", erwidert Pablo kalt, "aber das wünscht sie sich sicher."

Kaum zu glauben, wie sie über die Ex-Frau von Rubén reden. Hier wird man wirklich wie ein Stück Dreck behandelt, sobald man nicht mehr gebraucht wird. Offenbar hat Rubén seine Ex gegen eine exakte Kopie getauscht, die vielleicht 2 oder 3 Jahre jünger ist. Wie krank ist das denn bitte?

"Sie wird dort misshandelt", sage ich anklagen und mustere Pablo, Rubén und auch Nanice. "Und es scheint niemanden zu stören."

Rubén nimmt sein Glas und erhebt sich. "Komm, Pablo. Gehen wir rein und lassen die Frauen einen Moment allein."

Pablo greift ebenfalls sein Glas und sie gehen rein ins Wohnzimmer. Ich schaue ihnen nur kurz hinterher und sehe dann wieder zu Nanice.

"Ich bin kein gehässiger Mensch, Clara. Aber Veronica hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Sie wollte mich töten. Und den Kleinen. Wäre Alejandro nicht, dann wäre ich voll in die Falle von Veronica getappt. Und Álvaro wäre wenige Stunden nach der Geburt einfach ermordet worden." Sie bricht ab und ihre Hände fangen wieder an zu zittern. Ihr Blick wird unruhig und ich sehe sofort, dass sich ihre Atmung beschleunigt.

Diese Frau hat Angst vor Veronica. Aber ich kann ihre Geschichte trotzdem nicht glauben. "Ich denke nicht, dass eine Frau einen Säugling töten kann."

"Veronica hätte es getan", flüstert Nanice leise, "sie kennt nur Hass, Verrat und Intrigen."

"Dann passt sie doch großartig in die Familie von Pablo und Rubén", erwidere ich eine Spur zu hart. Vor mir sitzt eine Frau, die eindeutig Angst hat.

"Was hat Pablo gemacht?", fragt sie neugierig.

Ich schlucke kurz und schüttele den Kopf. Mit Nanice will ich nicht darüber reden. Sie hat sicher ihren eigenen Kampf mit Rubén austragen müssen. Welche Rolle Veronica dabei wirklich spielte, werde ich wohl nie erfahren.

Nanice seufzt leise. "Na komm, ich zeig euch erstmal das Schlafzimmer." Dann dreht sie sich zum Klettergerüst. "Álvaro? Kommst du kurz mit rein?"

Der Kleine kommt sofort angerannt und flitzt durch in das Haus.

Nanice steht auf. "Ein Pool im Garten ist toll. Aber mit einem Kind ist man doch immer vorsichtig", erklärt sie dabei.

Im Wohnzimmer schaue ich mich kurz um. Rechts ein großer Esstisch, dahinter kann ich die Küche erahnen. Die riesige Couch ist schlangenförmig und dominiert das komplette Wohnzimmer und im Hintergrund ist der Poolbillardtisch.

Schuld und schuldigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt