Kapitel 11 - Umzugshelfer

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Wie angewurzelt stehe ich da, während Reyes mich gewaltsam küsst. Seine Finger graben sich schmerzhaft in meinen Hals. Aber ich werde meinen Mund nicht öffnen. Ich ziehe beide Hände aus den Taschen und drücke sie gegen seinen Oberkörper, um ihn auf Abstand zu bringen.

Diese miese, widerwärtige Ratte! Reyes drückt fester zu und ich gebe einen ersticken Schmerzenslaut von mir. Sofort ist seine Zunge in meinem Mund. Den Kopf zu drehen ist unmöglich. Also mache ich, was wohl so jede Frau in meiner Situation tun würde. Ich hebe das Knie an.

Reyes geht einen halben Schritt zurück, lässt mich dabei los und weicht somit meinem Tritt aus. Nun hat er also die Karten auf den Tisch gelegt. Ich soll sein nächstes Opfer werden.

Eilig gehe ich um ihn herum und greife nach der Tür, bevor er mich davon abhalten kann. Zu meiner Erleichterung sind zwei Ärzte im Gemeinschaftsbüro und essen gerade Kuchen. Ich setze ein Lächeln auf, ziehe den Kittel aus und hänge ihn auf.

Die Ärzte schauen zwischen mir und Reyes hin und her. Aber ich störe mich nicht an ihren Blicken. Ich nehme meine Handtasche und drehe mich um. Reyes steht noch immer in der Tür zu seinem Büro. Sein Blick klebt regelrecht auf mir.

Ich setze ein Lächeln auf und nicke den beiden Ärzten kurz zu. „Einen schönen Tag noch. Bis morgen!" Als wäre nie etwas passiert, gehe ich aus dem Gemeinschaftsraum. Mit klopfendem Herzen verlasse ich das BMC, gehe zu meinem Auto und setze mich hinein. Dann reibe ich mir den schmerzenden Nacken und wische mit dem Handrücken der anderen Hand über den Mund.

Bevor ich losfahre, lehne ich den Kopf am Sitz an, atme ein paar Mal tief durch und überlege, wie ich mich ohne direkte Konfrontation aus dieser Situation hinaus manövrieren kann. Ich musst unbedingt mit der Klinikleitung sprechen. Da führt kein Weg dran vorbei.

Wütend schlage ich mit den Händen gegen das Lenkrad. Dann fällt mir ein, dass Noah heute vermutlich vorbeikommt. Ich drehe den Schlüssel in der Zündung und fahre los. Worüber will er mit mir reden?

Zu Hause parke ich wieder vor der Garage und gehe in das Haus. Im Flur bleibe ich stehen und mustere kurz meinen Hals im Spiegel. Es ist etwas rot. Dort, wo Reyes so fest gedrückt hat.

Ich höre Stimmen aus dem Wohnzimmer. Noah ist also schon da und unterhält sich mit Pablo. Aber das gefällt mir gar nicht. Er prahlt zu gerne über seine große Schwester.

Seufzend setze ich ein Lächeln auf und gehe ins Wohnzimmer. Noah sitzt mit dem Rücken zu mir auf dem großen Sessel, während Pablo wieder auf "seiner" Couch sitzt, direkt gegenüber vom Fernseher. Als ich hereinkomme, kann ich gerade noch hören, dass sie über Sport reden.

Noah schnauft leise. „Diese ganzen Ballspiele sind langweilig. Soccer, Baseball, Basketball und so. Das ist was für Kinder, aber kein Sport für Erwachsene. Ich bin eher der Fan von Boxen und dergleichen. Wenn es so richtig zur Sache geht. Nicht diese dummen Showkämpfe."

Ich setze wieder ein Lächeln auf und trete näher. „Oh, Männerthemen. Soll ich euch noch etwas länger alleine lassen?"

Noah dreht sich sofort zu mir um und grinst mich breit an. „Clara! Da bist du ja endlich. Wir haben vorhin noch über dich geredet."

„Oh, wirklich?" Warum wundert mich das nicht? Ich setze mich auf die zweite Couch, wieder mit dem Rücken zum Garten. Dabei sitze ich Noah direkt gegenüber, Pablo zu meiner linken Seite. Die quälenden Gedanken rund um Reyes schiebe ich bei Seite. Darüber kann ich mir später noch Gedanken machen.

Noah nickt und sieht zu Pablo. „Ja, ich habe Pablo gesagt, dass du früher Tennis gespielt hast. Und ich habe ihm dann noch von dem Schachclub erzählt."

Schuld und schuldigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt