Kapitel 31 - Veronica

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Es wird bereits dunkel, als der Flieger zur Landung ansetzt.

Ich sehe nichts als Wald ringsum. Und ein paar ärmliche Holzbaracken. Als wir aussteigen, laufen uns Kinder entgegen. Sie tragen kurze Hosen uns ausgefranste T-Shirts. Sie springen um Pablo herum, der lacht und jedes Kind einmal kurz hochhebt und begrüßt.

Die Kinder lieben ihn, himmeln ihn regelrecht an und jeder versucht, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Dabei achtet Pablo darauf, mit jedem Kind ein paar Worte zu wechseln. Dabei strahlt sein Gesicht und er lächelt von einem Ohr zum anderen.

Sie reden sehr schnell und ich kann nur hier und da ein Wort aus dem Französischen ableiten. Nicht genug, um zu verstehen, was sie sagen. Eines der Kinder zieht Pablo an der Hand zu einer Holzhütte und die anderen laufen schon vor. Etwas irritiert folge ich ihnen.

Die Tür zu einer stickigen Hütte wird geöffnet. Im hinteren Bereich sitzen fünf oder sechs Männer und rauchen, während weiter vorne zwei junge Frauen stehen, die in einem großen Topf über einem offenen Feuer kochen. Eine von den Frauen hat sich ein Baby um den Bauch gewickelt.

Die Kinder laufen sofort wieder raus. Während Pablo nach hinten durch geht, um die Männer zu begrüßen, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Am Feuer muss es viel zu heiß sein für das Baby. Dazu noch der ganze Qualm und Rauch.

"Clara, komm her."

Ich reiße mich von dem Anblick los und folge Pablo zögernd in den hinteren Bereich. Klapprige Stühle stehen dort und mir wird sofort einer frei gemacht und neben Pablo gestellt.

Der Mann, der nun stehen muss, spricht mit Pablo und lacht ein paar Mal. Dann macht er ein paar anzügliche Bewegungen und dabei fällt der Name Veronica. Nun lachen alle Männer. Der eine Mann verlässt die Holzhütte und ich sehe Pablo verwirrt an. Aber er wirkt nicht so, als wollte er mich einweihen. Er spricht wieder mit den anderen Männern. Viel zu schnell, als dass ich auch nur annähernd etwas verstehen kann.

Ich schaue mich in der Holzhütte um. In einer Ecke sehe ich ein paar dreckige Matratzen und einige Decken. Vermutlich schlafen bis zu zehn Personen in dieser Hütte. Und von diesen Hütten habe ich während der Landung bestimmt fünfzehn oder zwanzig gesehen.

Der Mann, der vorhin ging, kommt wieder. Eine Frau bei sich, die nicht hierher passt. Lange, blonde Haare, blaue Augen und helle Haut. Allerdings ist sie in einem miserablen Zustand. Blaue Flecken am Körper und total verdreckt. Die Frau war früher sicher mal schön. Jetzt ist ihr Blick wild und gehetzt.

Als sie Pablo sieht, fällt sie vor ihm auf die Füße und greift nach seinen Beinen. "Pablo... Pablo, bitte hol mich hier raus."

"Vergiss es, Veronica."

Also doch Veronica... Hieß nicht so die Frau, die Pablo versprochen war, dann aber seinen jüngeren Bruder Rubén geheiratet hat? Soweit ich weiß, hatte Rubén sich scheiden lassen und lebt nun mit einer anderen Frau zusammen.

Die blonde Frau bettelt weiter und will nach Pablos Händen greifen. "Pablo, bitte. Ich flehe dich an, lass mich nicht in diesem Loch!"

Pablo zieht seine Hände zurück und wirft ihr einen so kalten und hasserfüllten Blick zu, dass mir ganz anders wird. "Das hast du dir selbst zuzuschreiben."

Reichlich verwirrt sehe ich zwischen den beiden hin und her. Diese Frau wird hier ganz eindeutig misshandelt! Wie kann man das bloß ignorieren?
Und dann noch behaupten, sie hätte es verdient? Egal, was Veronica auch gemacht hat, so ein Leben kann niemand verdient haben!

Es kommt Bewegung in die Gruppe von Männern und ich stehe ebenfalls auf.

Veronica wirft mir einen Blick zu, der mein Blut in den Adern gefrieren lässt. Sie hasst mich! Ihr Blick geht wieder zu Pablo und sie legt eine Hand an sein Bein. "Pablo, das kannst du nicht machen! Lass mich nicht hier!"

Schuld und schuldigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt