Kapitel 34 - Noah ist weg

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Pablo geht mit mir zu seinem Jet und ich spüre mit jedem Schritt mehr, wie sich bleierne Müdigkeit in mir ausbreitet.

Am Lazarett kommt Lucas raus und fängt uns ab. Seine Unterarme sind voller Blut. Die Ärmel hat er nur leicht hoch gekrempelt und auch sie sind mit Blut benetzt.

"Hey, Ärztin. Wo sind die Tütchen?"

"Ich habe sie zu dem Müll geworfen."

"Ich schwör dir, wenn du das Zeug unbrauchbar gemacht hast-"

"Was, Lucas?", unterbricht Pablo den Mann wütend und geht einen Schritt auf ihn zu. "Drohst du hier gerade meiner Frau?"

Seine Frau... Aktuell will ich Pablo gar nicht korrigieren, denn ich weiß, dass es mich schützt, wenn die Männer hier davon ausgehen, dass ich zu Pablo gehöre. Dieser Besitzanspruch stört mich daher nicht mal.

"Nein, Mann", erwidert Lucas sofort und hebt beide Hände. "Aber du weißt, wie wertvoll das Zeug drüben in Amerika oder in Europa ist."

Pablo zuckt bloß mit den Schultern. "Was ist mit den anderen Kurieren? Schon jemanden gefunden? Sind bereits zwei Tote auf deinem Konto, Lucas."

"Hey, komm schon", erwidert der Typ locker und grinst leicht. "Die tauchen wieder auf."

Pablo schiebt mich weiter und der falsche Arzt geht wieder zurück in das Lazarett. "Kokain ist hier in Brasilien billiger als eine Schachtel Zigaretten", erklärt er sachlich. "Miguel findet immer wieder Leute, die sich daran versuchen das Zeug zu schmuggeln. In Amerika kriegt man das Zehnfache. Aber er arbeitet mit den Italienern zusammen. Das wird ihm noch das Genick brechen."

Ich schweige dazu. Im Jet merke ich wieder, wie müde ich bin und wie sehr mich die Nacht im Lazarett angestrengt hat. Ich lasse mich direkt auf das Bett fallen und ziehe mir nicht mal die Schuhe aus.

"Hey, noch nicht einschlafen. Du hast doch sicher Durst. Wann hast du zuletzt was getrunken?"

"Weiß nicht", erwidere ich schläfrig. "Ist schon was her."

Pablo verlässt das Schlafzimmer und ich ziehe mir mit den Füßen die Schuhe aus. Ich schaffe es noch, mich auf den Rücken zu legen, bevor ich schon einschlafe.

"Clara, wach auf", murmelt Pablo neben mir und rüttelt sanft an meiner Schulter. "Du musst was trinken."

Ich blinzle müde. Pablo hebt meinen Oberkörper hoch und ich reibe mir müde die Augen. Pablo setzt sich hinter meinen Rücken und stützt mich mit seinem Körper. Er hält mir ein Glas an die Lippen.

"Was ist das?", frage ich skeptisch und habe sofort das Bild von Pablo im Kopf, wie er den Männern die K.O. Tropfen gibt.

"Ganz normaler Maracujasaft. Glaubst du etwa immer noch, ich mische dir Drogen unter?" Er nimmt das Glas weg und trinkt selbst einen Schluck. Dann hält er mir das Glas wieder an den Mund. Ich hebe beide Hände und trinke selbst. Der Saft ist fruchtig und süß.

"Geht doch. Noch ein Glas?"

"Ja. Wie lange habe ich geschlafen?"

"Etwa eine halbe Stunde. Ich habe Fertignudeln aufgekocht. Wenn du das gegessen hast, darfst du weiter schlafen."

Ein kurzes Lächeln huscht über mein Gesicht. Pablo ist so fürsorglich und sanft zu mir, dass mein Herz sofort etwas schneller klopft. Diese Seite an ihm mag ich. Sehr sogar. Aber ich darf mich davon nicht weichkochen lassen. "Ist ja nicht meine Schuld, das ich bei dir so unregelmäßig esse."

Ich schleppe mich aus dem Bett in den vorderen Bereich. Die Schüssel mit den Nudeln steht dampfend auf dem Tisch. Pablo stellt mein Glas dazu und die Packung Saft daneben. Er hätte ja wohl kaum etwas getrunken, wenn er da was rein gemacht hätte. Aber was ist mit den Nudeln?

Schuld und schuldigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt