Kapitel 38 - Schocktherapie

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Ich starre noch mal auf den Schutzengel, der von Pablos Hand baumelt.

Mit einem mulmigen Gefühl gehe ich zurück zu dem Jungen und taste ihn ab. Es wäre mir lieber, wenn er an Monitoren angeschlossen wäre.

Womit wurde er betäubt? Wer garantiert mir, dass er nicht mitten in der OP aufwacht?

Ein leichter Stromschlag lässt mich erschrocken zusammen zucken. Sofort greife ich an das Halsband und schaue auf. Als ich durch das Fenster sehe, erstarre ich sofort.

Noah steht dort und drückt seine Stirn gegen das Glas. "Clara!!!" brüllt er aus Leibeskräften.

Ich bin für einen Moment wie gelähmt. Was macht Noah hier? Warum ist er hier? Was will Pablo von ihm? Nein... Was will er von mir? Ist Noah wieder nur ein Druckmittel?

Mein Magen verkrampft sich und mein Herz sticht. Pablo hat mich trotz all der Scheiße in den letzten Tagen nicht wie sein Eigentum. Er hat mir Freiraum gelassen, mich getröstet, sich um mich gekümmert und sich trotz allem von einer guten Seite gezeigt.

Obwohl er noch meinte, diese eine Woche sei ohne Einschränkungen, so gab es doch gewisse Grenzen, die er nie übertreten hat. Der Sex war einvernehmlich. Gezwungen hat er mich nicht und ich glaube auch nicht, dass er diese Grenze übertreten würde.

Mein Blick wandert zu Pablo, der einfach nur dasteht. Außer Reichweite vom tobenden Noah, der von zwei Männern festgehalten werden muss.

"Clara, nein! Nein! Du mieser Penner...!"

Erneut spüre ich einen leichten Stromschlag. Es tut nicht weh, aber es erschreckt mich. Ich schaue wieder zu Noah, der mittlerweile den Kopf gesenkt hat und weint. Dann wandert mein Blick zu Pablo, der meine Armbanduhr hochhält.

Okay, dreißig Minuten. Es geht hier immerhin um den Kleinen. Ich muss Noah für den Augenblick vergessen... Auch wenn du ihn durch das Fenster weinen höre.

Ich warte nicht mehr länger und operiere den Jungen. Der Wurmfortsatz ist tatsächlich verdickt und entzündet. Und den Rohdiamanten hole ich ebenfalls heraus. Dann wird alles wieder ordentlich zu gemacht und vernäht.

Gerade als ich noch dabei bin, den Verband anzulegen, kommt Pablo in das Zimmer. Er applaudiert übertrieben laut. Im Hintergrund kann ich Noah schluchzen hören.

Die Stimme von Pablo ist wie ausgewechselt und trieft vor Kälte. "Wirklich toll gemacht, Clara. Es ist unglaublich praktisch, mit dir."

Ich ziehe kommentarlos die Schutzkleidung aus und nehme Mundschutz, sowie Haube ab.

Pablo greift nach meinem Handgelenk und zieht mich grob raus in den Flur.

"Lass sie los, du Schwein!", faucht Noah wütend.

Pablo stellt sich hinter mich und greift nach meinem Hals, knapp über dem Halsband. Er würgt mich nicht, aber allein die Geste reicht aus, um Noah wieder vor Wut schnaufen zu lassen.

"Du Bastard! Finger weg von meiner Schwester!"

"Sonst was?", fragt Pablo kalt. "Clara ist hier, um deine Schulden zu begleichen. Sie arbeitet für mich. Ist es nicht so, meine Hübsche?"

Ich schlucke schwer. "Eine Woche, Noah... Ich ging davon aus, dass du in der Therapie gut aufgehoben bist."

Noah reißt seine Augen auf. "Clara... Du hast dich verkauft...?"

Pablo brummt leise hinter mir. "Ich habe übrigens in der Villa das Fenster ersetzen, und Alarmanlagen installieren lassen. Und deine Spielschulden bezahlt, Noah. Das ist eine weitere Woche wert."

Schuld und schuldigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt