Pablo lässt sich einige Statistiken zeigen. Er wirkt im Großen und Ganzen recht zufrieden. Es scheint gut für ihn zu laufen. Vermutlich verdient Pablo in einer Stunde das, was ich im Monat verdiene. Während ich noch Steuern zahlen muss.
Die vier Männer in diesem Raum tragen wenigstens normale Kleidung. Es fällt mir schwer, bei Bewegungen außerhalb der Scheiben nicht raus zu sehen. Ich habe eigentlich kein Problem mit nackten Männern. Aber hier sind eindeutig zu viele davon.
Fast eine Stunde bleibt Pablo hier und schaut sich immer wieder neue Zahlen an. Hin und wieder macht er sich Notizen auf seinem Smartphone. Dann reicht er alles wieder zurück.
Er legt kurz einen Arm um meine Taille und schiebt mich leicht in Richtung Tür zurück. Du folge ihm hinaus und wir gehen den Flur noch ein Stück weiter. Eine Schleuse führt in das nächste Gebäude. Doch während der frei zugängliche Teil durch einen Zwischenraum führt, gehen wir wieder durch einen Fingerabdruck durch eine Tür daneben.
Im Nebenraum bleibe ich wie erstarrt stehen. Das hier ist ein Schutzraum. Und an einer weißen Wand hängen dutzende Röntgenbilder vom Oberkörper, bis hinunter zu den Oberschenkeln. Den Aufnahmen nach ganz brauchbare Qualität. Ich nehme eine der Aufnahmen und sehe mir den rechten Lungenflügel genauer an. Lungenkrebs, vermutlich bereits im dritten Stadium. "Warum bin ich hier?"
"Eigentlich nur eine Routinekontrolle von mir", entgegnet er ausweichen. "Es kommt immer wieder vor, dass einige Leute versuchen, die Diamanten hier raus zu schmuggeln. Hier seltener, als direkt in den Minen."
"Wie oft werden Sie bestrahlt?"
"Täglich."
Ich schnappe nach Luft und zeige Pablo das Bild. "Der Mann hat Krebs. Du kannst sie nicht jeden Tag dieser Strahlung aussetzen! Das bringt sie irgendwann um!"
"Die meisten arbeiten fünf Jahre hier, danach werden sie ausgetauscht.
Das war nicht immer so.""Fünf Jahre... Tag für Tag... Das ist zu viel!", entgegne ich schockiert. "Wenn du Diamanten aufspüren willst, dann reicht auch weiche Strahlung. Aber das macht es nicht weniger schlimm. Pablo, das ist grausam!"
"Du bist nicht als meine Ethikberaterin hier", weißt er mich kalt zurecht. Pablo zieht mich weiter durch die nächste Tür. Sofort riecht es nach Desinfektionsmittel.
Wenn mich nicht alles täuscht, dann müssten wir nun im zweiten Gebäude sein. Hier ist der Flur immer wieder von Fenstern durchsetzt. Verschiedene
Untersuchungsräume, teilweise sehr modern ausgestattet. An einer Gynäkologie bleibe ich stehen und ziehe an dem Arm, wo Pablo mich festhält, damit er stehenbleibt.Pablo folgt meinem Blick. "Der Raum wird bald umgebaut. Seit zwei Jahren renoviere ich hier. Und das hier war das Erste, was ich abgeschafft habe."
Ich sehe zu dem Stuhl mit den beiden typischen Haltevorrichtungen für die Beine. Nur das hier zusätzliche Lederriemen angebracht wurden. Ebenfalls wie an dem Armlehnen. "Was hast du abgeschafft...?", frage ich gedehnt.
"Beschneidung."
Meine Beine werden kurz weich, aber ich fange mich sofort wieder. Beschneidung? Wohl eher Verstümmelung! In diesem Land ist es schrecklich, als Mädchen geboren zu werden.
"Vor einigen Jahren dachte ich, damit mache ich etwas halbwegs Gutes. Die Beschneidung fand in den Hütten statt, teilweise mit Glasscherben. Hier hatten die Mädchen wenigstens eine saubere Umgebung."
Ich schlucke trocken. "Und die Männer, die so etwas tun?"
"Es sind nicht die Männer. Frauen machen das. Und sie anzeigen bringt nichts. Gerade mal ein Jahr müssen sie einsitzen, teilweise reicht eine Geldstrafe von nicht mal 80 Dollar. Und wenn ein Mädchen dabei gestorben ist, dann sind es maximal fünf Jahre."
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Schuld und schuldig
ActionClara ist Allgemeinchirurgin am Boston Medical Center und liebt ihren Job. Ihr Leben wäre fast perfekt, wäre da nicht ihr spielsüchtiger Bruder, der ein Händchen für Probleme hat. Um ihm zu helfen, würde Clara alles tun. - Wirklich alles? Was, wenn...