⋆69⋆

8 0 0
                                    

⋄⋅⋆⋅⋄⋅⋆⋅⋄

Den kleinen Flur zu betreten, fühlte sich beengend an. Nicht nur, weil der Gang wie ein Tunnel in die Dunkelheit führte, sondern auch, weil man die Verlassenheit spüren konnte, die sich über dieses Haus gelegt hatte.
Das Schnaufen des Kutschers hinter uns durchschnitt die bedrückende Stille und machte sie noch bedrückender.
„Folgt mir. Hier wollt ihr sicher nicht gerne stehenbleiben.", forderte Jaehyun uns auf.
Stumm kamen wir seinem Angebot nach und schlichen an den kalten Wänden entlang, an einigen verschlossenen Türen vorbei. Diese sahen alle gleich aus: ein Grauton, der vielleicht im Sonnenlicht ein gleißendes Weiß gewesen war, überzog das massive Material. Ohne Verzierung und Details wirkten die Türen bloß wie eine weitere Wand.
Ein staubiger Türgriff - ebenso schlicht - war die einzige Differenzierung zu den farblosen Wänden um sie herum.

Jaehyun blieb stehen und meine Augen fixierten den Schlüssel in seiner Hand, als er öffnete. Das Klacken hallte durch das ganze Gebäude. Ich stand hinter ihm und konnte über seine Schulter hinweg sehen, wie sich eine Flut von Abendlicht in diesem Zimmer ausbreitete. Es gab also doch Fenster. Auf der westlich gelegenen Seite.

„Es ist ein großer Raum. Hier werdet ihr euch die meiste Zeit aufhalten.", erklärte der Tierarzt. Er deutete auf zwei Pritschen, die sich trotz der frischen Bettwäsche schon unter einer Staubschicht versteckten. Eine Unruhe ergab sich im Raum, wenn man auf die Betten blickte. Sie schienen nicht hierher zu gehören. Der Raum stieß ihr Abbild ab, wie einen pinken Regenschirm auf einer schwarz-weißen Zeichnung. Ich nahm an, sie wurden extra für unsere Anwesenheit hier platziert. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber das lieblose Bild ermattete meine Stimmung.

„Hier werdet ihr schlafen. Die Fenster werden nur mit meiner Erlaubnis geöffnet. Den Kamin benutzt ihr nur, wenn die Vorhänge lückenlos geschlossen sind" Er schaute uns eindringlich an.
„Das ist alles für eure Sicherheit. Ihr kennt dieses Gebäude nicht gut, doch ich bin mit jedem Winkel vertraut. Verlasst euch also bitte auf mein Urteil."

Wir erkundeten das Zimmer stumm und neugierig. Der Kutscher stellte unser dürftiges Gepäck neben die schäbigen Betten und wandte sich sofort zum Gehen. Jaehyun blickte noch einmal prüfend im Raum umher, bevor er sagte: „Ich lasse euch jetzt etwas Zeit, euch einzurichten. In einer Stunde werde ich euch zum Abendessen holen. Anschließend werden alle Vorhänge in jedem Raum geschlossen, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich von potentiellen Passanten zu bekommen.

Das Regal war leer, die Wände schmucklos. Der Schrank war abgesehen von einigen erschlafften Kleiderbügeln ebenfalls entladen. Weder Prunk, noch Komfort fand sich in diesem Zimmer wieder. Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Eine wehende Baumkrone vermischte sich mit der blendenden Sonne. Der Schatten tanzte auf dem Parkett; kleine Punkte, die blinkten und mal Licht und mal kein Licht waren.
Ich gab mit einem Ruck, um mich von dem hypnotisierendem Anblick loszureißen und das faszinierende Schauspiel mit meiner Anwesenheit zu durchbrechen. Der Fenstergriff war kühl, als ich ihn festhielt und daran zog. Das Fenster ließ sich nicht öffnen.

„Jaehyun scheint uns im Griff haben zu wollen. Er ist zu besorgt um unsere Sicherheit. Vielleicht hat das etwas mit einem Versprechen gegenüber Jacob zu tun.", murmelte ich gegen die geschlossenen Gläser. Es gab eine weitere, kleine Tür, die in ein enges Badezimmer führte. Ich pustete auf den Spiegel, sodass der Staub rasch hinabrieselte.

„Warum tut er bloß so geheimnisvoll? Er scheint mir so unnahbar zu sein, dass es mir schwer fällt, ihm zu gehorchen. Es sollte andersherum sein. Er sollte uns - sollte dir - gehorchen!". Ich redete mich in Rage, doch senkte sogleich meine Stimme, da ich nicht wusste, welche Möglichkeiten es in diesem Gebäude gab, jemanden zu belauschen.

„Jaehyun ist jetzt nicht wichtig, Jimin."
Verwirrt schaute ich zu dem Älteren.
„Wir haben einen Plan. Darauf sollten wir uns jetzt dringend fokussieren.", verdeutlichte er.
Ich setzte mich neben ihn, den Blick nicht abwendend, denn ich hatte dieses Buch in seinen Händen schon einmal gesehen.

„Ich werde dir jetzt etwas vorlesen. Ich habe es vor einigen Tagen entdeckt und es erscheint mir wesentlich für unser weiteres Verfahren."
Mit einem schweren Knoten im Bauch, der mich auf die Pritsche niederdrückte, lauschte ich gebannt Yoongis Stimme, als er begann:

Am Waldrande, zwischen Feld und Stadt
Trifft ein Kind einen Schatten an.
Doch hell ist dieser, auch wenn man sagt,
Auf solch mächtiges Geschöpf ist Jagd.
Ein Schimmer, ein Auge das blinzelt, sanft.
Jenen, die vertrauen haben, wird dieses Geschöpf die Wege leiten. Ein Wiederaufkommen besserer Zeiten!
Wage, deinem eigenen Herzen treu zu bleiben!
Denn reine Herzen sind auch diese, welche die Hoffnung dem Schmerz entreißen!

Wenn das zeitliche Unheil verendet,
von anmutigen Schatten beschützt -
Setzt man ihm, dem Jungen, der sah und dessen Wurzeln treu und warm,
Die Krone auf, hinauf! Hinauf!

So glaubt bloß daran, wie Heil er ist.
Der Suchende ihn niemals sieht,
Doch wer mit wahrem Herzen ist.
Die kalten Jahre verbannt im Dickicht,
Doch zwischen Mensch und Natur scheint ein blasses Licht.
Helft ihm hinaus! Hebt ihn hinauf!

Helft euch, seit wahr im Herzen mit euch selbst, ein Volk das weiß, woran es sich hält, habt keine Angst, seid je ein Held,
Die Wahrheit euch zu Gute fällt.
Vertraut dem, der in eurer Mitte,
nicht über euch steht.
Nur Augen, auf selber Höhe sehen,
Können von eurer Güte reden.
Hinauf! Hinauf!





⋄⋅⋆⋅⋄⋅⋆⋅⋄

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: a day ago ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Haunted Prince || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt