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Ich schob die schweren Vorhänge ein wenig zur Seite. Im Halbdunkel sah das Zimmer so grau aus, dass man denken könne man befände sich in einer alten schwarz-weiß Fotografie. Doch wenn Yoongis Haut noch immer blass erschien, so reflektierten seine Augen, als er sie langsam blinzelnd öffnete, das fahle Licht. Es ließ ihn wieder lebendig aussehen. Ich beugte mich lächelnd über ihn und tastete nach seiner warmen Hand. Er erwiderte den leichten Druck.
„Es gibt Neuigkeiten aus der Stadt."
Er setzte sich auf. Als die Decke schlaff hinab fiel, wurde ich auf seinen dünnen Oberkörper aufmerksam. Erinnerungen an die Zeit im frühen Sommer schossen mir in den Kopf, als der Prinz sich mir als Fremder mit dreckiger Kleidung zu erkennen gegeben und sich schutzlos an mich gewendet hatte, als seine Kräfte verloren schienen. Wie er, gerade erst wieder in Form eines Menschen, hungrig und müde, sich von mir hatte pflegen lassen und sein Vertrauen sich mit jeder schwachen Berührung und jedem hilflosen Blick verfestigt hatte.
Doch ich wendete meine Augen zu dem alten staubigen Teppich zu meinen Füßen und schluckte schwer, um zum Reden anzusetzen: „Es wurde ein unzensierter Zeitungsartikel herausgebracht. Die Proteste werden immer größer. Es gibt Kritik an der Regierung und Bürger werden darauf aufmerksam gemacht."
„Das ist gut.", hauchte Yoongi. Ich reichte ihm die Teetasse. Während er trank fuhr ich fort: „Die Regierung will ein großes Fest für die Bürger veranstalten. Sicherlich als Versöhnung, auch wenn sie das natürlich nicht offen sagen. Wir sollten dort hin, Yoongi, dass ist unsere Chance."
Sein Körper erschauerte, als er sich weiter aufrichtete und die Tasse umständlich zurückstellte. Ich wollte ihm helfen, doch er reagierte nicht darauf.
„Sag doch was, Yoongi."
Er hüllte sich wieder in die Decke ein.„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Vielleicht ist es sogar eine Falle, Jimin." Sofort war mir klar, dass das nicht der echte Grund sein konnte.
„Man kann bestimmt gut in der Menschenmenge untertauchen. Was ist deine Befürchtung? Was ist mit deinem Ziel, Yoongi? Willst du weiterhin nur zuschauen, wie dieses Reich kaputt geht? Ist es nicht trotz allem deine Verantwortung?"Mein Herz pochte schneller. Noch nie hatte ich Yoongi so harte Worte entgegnet. Sie klangen wütend, dabei war ich verzweifelt. Wie könnte ich auch wütend auf Yoongi sein? Er war immer noch sehr schwach und er hatte andere Sachen zu bedenken als ich. Dachte ich nur daran, meine eigenen Ziele zu erfüllen? Meine Mutter und meine Schwester zu retten? Konnte ich das überhaupt ohne irgendeine Hilfe? Ich hatte genauso wenig, vielleicht sogar weniger einen Plan, als Yoongi. Ich hatte kein Recht, seine Überlegungen in Frage zu stellen. Beschämt ließ ich den Kopf sinken.
Es war still zwischen uns. Ich atmete die schwere Luft im Zimmer ein. Ich spürte Tränen in mir aufkommen, doch ich drängte sie zurück. Yoongi beobachtete mich schweigend. Ich wusste, dass ich die falschen Worte gewählt hatte, wusste, dass ich sie nicht so gemeint hatte. Und er wusste das auch. Für ihn war ich wahrscheinlich ein offenes Buch. Er sah meine Reue und meine Angst, während er für mich die rätselhafteste Person war, die ich je gekannt hatte.
Sein Blick strahlte nun Wärme aus, als er auf dem Sofa zur Seite rutschte und mit einem Kopfnicken neben sich deutete „Komm her, ich sehe, dass dir kalt ist. Es tut mir wirklich leid, dass ich dich da mit reingezogen habe, Jiminie."
Ich kroch zögernd zu ihm unter die Decke und legte meinen Kopf auf seinen nackten Oberkörper. Ich verschwendete keinen Gedanken damit, Angst vor einer Ansteckung zu haben. Yoongis Krankheit und seine Schwäche hatten einen Ursprung, der so natürlich war, dass jeder Arzt es übersehen könnte, wenn er sich nur seinen Körper anschaute, anstatt auf seine Vergangenheit und seine Zukunft zu blicken. So zögerte ich nicht, ihm nahe zu sein, denn wenn jemand, der so zurückgezogen gelebt hatte wie Yoongi, jemanden in die Nähe ließ, konnte man nur glauben, dass es die beste Medizin sein würde. Es nahm mir einen Teil der Schwere ab, die sich um mein Herz schloss, doch ich wusste, es würde keine Probleme lösen, wenn ich ewig an den anderen gelehnt dalag und träumte. Wir mussten etwas tun. Wir mussten den Bürgern einen gerechten Herrscher geben, weil wir die einzigen waren, die das konnten. Weil Yoongi der einzige war, der eine Chance gegenüber dem scheinheiligen Königspaar hatte.⋄⋅⋆⋅⋄⋅⋆⋅⋄
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Haunted Prince || Yoonmin
FanfictionJimin ist ein armer Bauernjunge, der alles für das Wohl seiner Familie tun würde. Als sich plötzlich ein besonderes Tier unter seine Pferdeherde mischt, merkt er immer deutlicher, dass etwas gewaltiges im Land falsch läuft. Und er ist dazu auserwähl...