⋆33⋆

35 3 0
                                    

⋄⋅⋆⋅⋄⋅⋆⋅⋄

Yoongi nickte langsam. In diesem Moment war ich wie in einer Welt in völliger Stille und Abwesenheit von Leben. Ich nahm nicht die schreienden Vögel im Wald war, nicht die einsame Windböe, die meine Haare verwehte, auch nicht das knistern in den Baumkronen. Doch ich sah, wie Yoongi einen Schritt nach vorne machte. Ich sah in sein Gesicht: die Augen so ruhig wie die glatte Oberfläche des weiten Ozeans, den ich nie gesehen hatte, und doch voller Besorgnis, der Mund leicht geöffnet, als würde er auf etwas warten, seine leicht geschwungenen Lippen so perfekt, dass ich alles andere vergaß. Ja, nicht einmal die schönsten Metaphern konnten seine Erscheinung beschreiben. Es lag etwas monotones, ausdrucksloses in seinem Gesicht und doch hatte ich das Gefühl, dass seine Emotionen in seinem Herzen wie wild tobten. Oder war das nur bei mir selbst der Fall? Ich konnte es nicht mehr unterscheiden. Alles verschwamm in meinen Gedanken zu einem einzigen Wirbelsturm zusammen und das einzige, dass plötzlich ganz klar erschien, war Yoongi.

Als er einen Schritt auf mich zu machte, verstärkten sich diese Gedanken und brachten den Willen in mir hoch, es unbedingt herauszufinden. Was und wie fühlte er? Denn er war schließlich trotz all der Magie in seinem Wesen noch ein Mensch. Und jeder Mensch hatte Gefühle, die er mehr oder weniger zeigte. Was also hatte er zu verbergen?

Eine Stimme in mir drin flüsterte mir zu, dass ich zu weit ging, dass ich mich unter Kontrolle halten sollte, meinen Körper und meine Gedanken bändigen musste, um wieder klar sehen zu können. Doch das ist alles andere als leicht. Also ließ ich mich von meinen Gefühlen leiten. Mit zwei Schritten hatte ich die Distanz zwischen uns überwunden. Meine Hände an seine weichen Wangen legend kam ich ihm langsam näher, gab ihm Zeit, zurückzutreten oder mich aufzuhalten. Doch Yoongi wartete ab, beinahe regungslos. In diesem Moment konnte ich nicht sagen, ob das leichte vorbeugen nur eine Illusion war, oder ob er es wirklich tat. In diesem Moment war mein gesamter Fokus auf seine Lippen geschwenkt und im nächsten Moment hatte ich schon die Augen geschlossen und spürte, wie mein Mund auf den seinen traf.

Ich küsste ihn. Ich küsste Yoongi. Yoongi, den ich einst als Einhorn kennengelernt hatte. Ich küsste den Jungen, der halb ohnmächtig im Feld gesessen hatte. Ich küsste den Jungen, den ich gepflegt hatte, weil er so schwach war, dass er sich nicht selbst pflegen konnte. Ich küsste den einzigen und wahren Thronerben dieses Landes. Ich küsste den gesuchten Prinzen.
Als ich letzteres realisierte, nahm auch die Umgebung und die Situation wieder an Gestalt an und ich löste mich zitternd. Ich sah Yoongi blinzeln und hörte ihn dann sanft meinen Namen sagen. Sogar der Klang seiner Stimme schien einem Engel zu gehören.

Doch sofort prasselte Panik auf mich nieder: wie hatte ich ihn einfach küssen können? Was würde er jetzt sagen? Was, wenn er mir nun abgeneigt war, mir nicht mehr vertrauen wollte? Was, wenn er mir nicht mehr helfen würde, meine Familie zu retten?

Bei jedem Gedanken stolperte ich einen Schritt rückwärts, bis mein Rücken gegen die Hauswand stieß. Ich hatte auf meine Gefühle gehört, um die von Yoongi herauszufinden, doch wie hätte das funktionieren sollen? Durch einen Kuss? War das nicht verrückt?
Endlich schaffte ich es, meinen Blick von Yoongi abzuwenden und auf die Umgebung zu richten. Als der Ältere wieder meinen Namen sagte, diesmal mit leichtem Druck in der Stimme, nahm ich reiß aus, stürmte um die Ecke, wo Yoongi mich nicht mehr sehen konnte, und lief so schnell ich konnte zur Scheune, um mich dort zwischen den Strohballen zu verstecken.


⋄⋅⋆⋅⋄⋅⋆⋅⋄

Haunted Prince || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt