8 - drastische Maßnahmen

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Begleitet vom konstanten Röcheln vom Bett aus eilte er zu dem Schränkchen an der Wand, überflog die verschnörkelten Schriften auf den Violen und wählte mit Bedacht das kleine Glasfläschchen aus, dessen Inhalt nahezu durchsichtig war. Er zog den Stopfen aus dem schmalen Hals und beugte sich über seinen Patienten, neigte die Viole und träufelte sorgsam eine genaue Anzahl von 12 Tropfen in den Mund. Anschließend drückte er dem Elf die Hände so lange auf Mund und Nase, bis sich dieser windend krümmte und erst dann ließ er los, als die Tropfen zwangsvoll geschluckt waren. Kein Mal verzog sich Gaelenyr die Miene, denn wenn er diesem Wesen das Leben retten sollte, so würde er dies auf seine Weise vollbringen.

„12 Tropfen der Mandragora reichen hoffentlich aus, um dir die Wahrnehmung zu betäuben, da dich die Bewusstlosigkeit nun nicht mehr von den Schmerzeinwirkungen erlöst", grübelte er laut vor sich und verstaute die Tinktur, ehe er eine Hand auf die schweißnasse Stirn legte und die Temperatur fühlte. Das verabreichte Sedativum zeigte schnell die gewünschte Wirkung. Das Röcheln wurde leiser und die flatternden Augenlider kamen zur Ruhe, bis sie wie der Rest des Patienten reglos erschlafften und nur mehr die sich anhebende Brust verriet, dass ein bisschen Leben noch nicht aufgegeben hatte. Dieses galt es, zu retten. Fiebrig fühlte es sich an, das Wesen dessen Körper so komplex war zu behandeln, dass es eine enorme Herausforderung für den Medikus darstellen würde. Wo ihm sein Verstand mit der Erfahrung der langjährigen Praxis zur Verfügung stand, so widersprüchlich fiel das Vertrauen in die penibel genaue Handführung aus, denn das Alter hatte einen Anteil der Geschicklichkeit geraubt, die für eine Behandlung eines Elfen von nöten war.

Der Medikus krempelte die Ärmel seines Gewandes bis zu den Ellbogen hoch, alles trauern um seine eingebüßte Flinkheit nützte nichts, bevor er den Mantel vorsichtig aufschlug und mit sich immer weiter aufgerissenen Augen einen Überblick verschaffte. Blass und aufrichtig besorgt darüber, dass sein Wissen nicht für diesen Grad der Verletzungen ausreichen könnte, legte er die Blessuren und bunten Prügelflecke frei, die das junge Wesen entstellten. Das grob gestufte Haar, welches verkrustet und zerzaust wie ein derangierter Kehrbesen aussah, das raubte jegliche Form der Erkennbarkeit hinfort für den Mann. Er sah lediglich einen jungen Elf mit mehr Blut am, als im Körper. Nichts an ihm ließ Rückschlüsse über seine Identität zu, seiner Vergangenheit oder gar, aus welchem Grund man ihm das antat.

Bevor die Behandlung überhaupt beginnen konnte, da musste sich der Medikus abwenden und ein paar Mal tief Luft holen, um seinen rebellierenden Magen zu beruhigen. Pure Grausamkeit war eine maßlose Untertreibung für das, was er da mit eigenen Augen sehen musste und mit einem Mal verstand er den Eifer, mit dem der Jäger zu ihm geeilt war. Dieser Elf ist anders als ihn der Ruf seiner Gattung beschreibt, er würde mitnichten noch mit Tod ringen, wäre er befallen von Schwäche, erkannte Gaelenyr seinen ersten Eindruck als falsch an, fürchterlich falsch und weil er bereits wertvolle Zeit mit seinem Misstrauen und Vorurteilen hatte verstreichen lassen, da verschoben sich seine Prioritäten nun umso zügiger und er fühlte mit den Fingerkuppen unter größter Achtsamkeit über die nackte Haut. Jede Unebenheit nahm er wahr und beim geringsten Anzeichen von Schmerzempfindungen holte er die bauchige Viole hinzu, verabreichte eine weitere Dosis des Narkotikums und bewahrte den Elf dadurch davor, das ganze Ausmaß seines entstellten Leibes zu spüren. Sorgsam legte er die Hände an seine Seiten, übte Druck aus und drehte ihn auf den Bauch wobei er aufpasste, dass der Oberkörper keinen weiteren Schaden nahm. Behaftet mit den zu behandelnden Verletzungen und den ersten Lösungsansätzen machte er sich zu aller Erst daran, den Elf zu waschen und den Körper vom Blut zu befreien.

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Als Hoėsidorr zur Mittagsstunde zurück in das Haus schlich und die Tür nach einem prüfenden Schulterblick verriegelte, damit ihn keine neugierigen Mägde beobachteten, lag der schwere Geruch von Blut und Salbei in der Luft. Ihm wurde warm in den Wangen, ob vor Aufregung oder Grauen bei all den blutbefleckten Tüchern auf dem Boden wusste er nicht, doch er fühlte wie ihm das Herz gegen die Rippen hämmerte und ihn ein seltsames Empfinden heimsuchte. Vor ihm auf dem Bett erkannte er das Gesicht des Elfen, das gesäubert vom Blut noch viel jünger aussah als zuvor. Kindlich, doch bald an der Schwelle zum volljährigen Mitglied der Gesellschaft. Hoėsidorr hegte Mitgefühl für den Jungen, der wahrlich noch weit entfernt vom Mannesalter sein musste, und es versetze ihn in Unmut, dass es Kreaturen dort draußen in der Welt gab, die ein so junges Ding in den Tod prügelten. Er bückte sich und räumte die Utensilien auf einen Haufen, brachte ein bisschen Ordnung in die chaotische Räumlichkeit und biss sich auf die Lippe. Seitdem er zum ersten Mal einen Toten erblickte, der kein Tier war, da empfand er auf der Jagd anders und unterbewusst hatte ihn dieses Erlebnis schon beeinflusst, seine Treffsicherheit mit dem Bogen zu verbessern. Er wollte damit erreichen, seine Beute beim ersten Schuss zu erlegen um kein Leiden zu verursachen. Hoėsidorr hatte einen jungen Elf leiden sehen, und bei dieser Erfahrung wollte er es belassen.

The last Elven Prince  [Elve!AU]  vkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt