Der Fuchs und das Lamm

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Kapitel 2 :

Der Fuchs bellt nicht, wenn er das Lamm stehlen will."- William Shakespeare


Ich hatte die sogenannten „Sonnenanbeter" unter uns Menschen noch nie verstanden. Mal ehrlich, was genau ist denn bitte so toll an der Sonne? Sie bringt einen zum Schwitzen, verursacht Sonnenbrand, mit dem man sich noch Tage später quält. Sie kann zu Hautkrebs führen oder blendete einen beim boarden so ekelhaft, dass man nicht mehr sehen konnte, wo man den eigentlich hinfuhr.

Letzteres traf im Moment auf mich zu. Meine Cap hing mir tief im Gesicht und ich hatte den Blick halb nach unten gerichtet und trotzdem schien sie mir direkt in die Fresse! Noch tiefer wollte und konnte ich die Cap allerdings auch nicht in mein Gesicht ziehen, da ich sonst riskierte, in irgendjemanden reinzufahren und darauf konnte ich getrost verzichten!

Ich erinnerte mich noch viel zu gut an den Tag, an dem ich in diese kampfwütige Ninja Omi reingefahren war. Unbeabsichtigt wohl gemerkt! Aber die Ninja Omi, die wahrscheinlich zu viele Krimis auf ZDF geguckt hatte, war der Meinung, dass ich eine Taschendiebin sei, die sie ausrauben wollte. Jetzt mal ernsthaft, welcher Taschendieb nimmt sich die Zeit seinem „Opfer" aufzuhelfen und sich zu entschuldigen? Die Krönung des ganzen war allerdings gewesen, dass sie angefangen hatte, mich mit ihrer Tasche zu vermöbeln, was eine gestörte Omi!

Seit diesem Tag vermied ich es auch, nur jemanden zu berühren, wenn ich auf dem Board unterwegs war. Ich glaube, die Begegnung mit der Omi hat mir einen bleibenden Schaden verpasst! Mein Magen grummelte leise vor sich hin und riss mich somit aus meinem inneren Monolog, er erinnerte mich daran, dass für mich mal wieder das Frühstück ausgefallen war.

Zu spät würde ich sowieso kommen, also konnte ich auch noch irgendwo etwas frühstücken, beschloss ich kurzerhand.

Langsam rollte ich durch die Straßen von Berlin-Mitte, zu Starbrucks brauchte ich nicht zu fahren, dort war es um diese Uhrzeit brechend voll. Die meisten Cafés hatten wahrscheinlich auch noch zu, also musste ich mich wohl oder übel bei jemandem zum Frühstück einladen und da ich eigentlich nur zwei Personen kannte, die um 7:30 Uhr schon auf den Beinen waren und nichts zu tun hatten, war meine Wahl schnell getroffen.

„Ja?", tönte es leise fragend vom anderen Ende der Leitung. „In 15 Minuten komme ich zum Frühstücken vorbei, ich bring auch Hörnchen mit, kannst du mir 'nen Tee kochen?", plapperte ich sofort drauf los. „Hm bis gleich,", kam die Antwort etwas verschlafen. Hatte da jemand eine durchzechte Nacht gehabt? Mit einem Schmunzeln auf den Lippen legte ich auf.

„Mensch Katleen, jetzt beeil dich! Die Kunden warten!", klang die genervte und zugleich gehetzte Stimme des Bäckers nach vorne in den Verkaufsraum. Mit „die Kunden" waren eigentlich nur eine Frau, die ich auf Mitte 40 schätzte und gerade bedient wurde, ein junger, großer Mann mit Longboard in der Hand und Cap, welcher hinter mir stand und noch halb zu schlafen schien, obwohl er die ganze Zeit leise vor sich hinsummte und ich gemeint.

Die etwas verwirrte, offensichtlich neue Verkäuferin sah mich mit einem unsicheren Lächeln an, als ich nach vorne an die Theke trat. „Hallo, ich hätte gern fünf Hörnchen.", sagte ich und lächelte sie freundlich an. Hektisch blickte sie vor sich in die Theke, erschrocken zuckte sie zusammen, als die Tür der Backstube aufging und der Bäcker neben sie trat, um zu einer Standpauke anzusetzen.

„Rechts vor Ihnen.", half ich ihr auf die Sprünge, sie erwachte aus ihrer Starre und griff nach einer Papiertüte und der Zange. Skeptisch beäugte der Bäcker die Arbeit seiner Angestellten und wendete seinen Blick dann schließlich mir zu. „Guten Morgen Mel, tut mir Leid, dass du so lange warten musstest, aber Katleen ist neu.", entschuldigte er sich. „Ach Heiko! Sei nicht so streng mit ihr, darf ich dich daran erinnern, wie ich mich am Anfang angestellt habe?", ein Schmunzeln stahl sich auf sein Gesicht, offenbar dachte er an die Zeit zurück, als ich hier gearbeitet hatte und ich war um einiges schlimmer gewesen als Katleen. „Musst du nicht eigentlich in der Schule sitzen?", seine Stimme nahm einen väterlich besorgten Tonfall an. „Das würde ich auch, wenn ich das Gefühl hätte, etwas Lehrreiches zu verpassen.", meinte ich und er seufzte, er wusste genau, wie es an unserer Schule lief, schließlich hatte auch er sie einmal besucht und in all den Jahren schien sich nichts verändert zu haben.

„Das mach dann 4,20€ bitte.", Katleen hielt mir die Tüte mit den Hörnchen entgegen. Ich gab ihr einen fünf Euroschein und sagte: „Stimmt so, ich wünsche euch noch einen wunderschönen Tag und Katleen, nimm den alten Kauz nicht so ernst, ich war viel schlimmer als du, aber mit der Zeit fuchst man sich rein!", Katleen grinste breit bei meinen Worten und Heiko gab ein strenges: „Amalia!", von sich, aber musste trotzdem Lächeln. Mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck verließ ich den Bäckerladen und machte mich auf den Weg zu den Jungs.

Von unterwegs rief ich noch Emma an, dass ich, wenn überhaupt, erst zur dritten Stunde erscheinen würde, weil ich noch bei den Spackies frühstückte.

Ich brauchte nicht einmal auf die Klingel zu drücken, da ertönte schon das Summen und die Tür sprang auf, die beiden hatten sicher am Fenster auf mich gelauert, was für Spinner oder besser gesagt Spackies.

Fröhlich grinsend stand Steve in der Tür, als ich die letzten Treppenstufen nach oben hüpfte. „Guten Morgen Melli!", flötete er und umarmte mich zur Begrüßung. „Morgen Steven!", antwortete ich und folgte ihm in die Wohnung.

Als ich die Küche betrat, konnte ich mein Gelächter einfach nicht zurückhalten, Rick saß mehr tot als lebendig auf seinem Platz und umklammerte ein Glas Wasser. „Musst du so laut sein?", grummelte er. „Ja muss ich mein Lieber, was kann ich denn dafür, wenn die Mietze bei dir auf dem Tisch tanzt?", erwiderte ich daraufhin grinsend und ließ mich auf den Stuhl neben ihm fallen. „Schau, ich hab wie versprochen Hörnchen mitgebracht, hast du mir auch Tee gekocht?", man konnte ihm förmlich ansehen, wie es ihm hoch kam, als sein Blick auf die frisch gebackenen Hörnchen fiel, die ich gerade in den Brotkorb gelegt hatte. Hektisch sprang er auf, hielt sich die Hand vor den Mund und rannte aus der Küche. Fragend sah ich zu Steve, der eine dampfende, heiße Tasse Tee vor mir abstellte und sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen konnte.

„Rick hat gestern etwas zu tief ins Glas geguckt.", klärte er mich auf, nachdem er sich zu mir an den Tisch gesetzt hatte. „Das ist ja kaum zu übersehen, hab ich mal wieder irgendeinen Geburtstag verpeilt oder was war los?", hakte ich nach. „Nein, ausnahmsweise mal nicht.", für diesen Kommentar fing er sich einen leichten Tritt gegen sein Schienbein ein. „Hey!", empörte er sich und zog einen gespielt, beleidigten Schmollmund. Ungerührt von seiner schauspielerischen Meisterleistung aß ich weiter.

„Jetzt spuck es aus Steven!", quengelte ich nach ein paar Minuten des Schweigens. „Das wirst du noch früh genug erfahren.", meinte er und grinste mich fies an. „Du bist doof!", maulte ich. „Nicht so sehr wie du!", konterte er. Beleidigt streckte ich ihm die Zunge raus, woraufhin wir beide laut losprusten mussten, was zur Folge hatte, dass Rick damit drohte, uns rauszuwerfen, wenn wir nicht sofort die Klappe hielten.

Möglichst ohne uns anzusehen, weil dann die Gefahr bestand, dass wir erneut loslachen mussten, aßen ich und Steve weiter, aber irgendwie landeten Steve und ich dann doch vor der Tür.



If you're going through hell, keep going (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt