Kapitel 33:
"Es gibt keine besseren Zeichen von einem wackeren Gemüt als eine harte Hand." - William ShakespeareMein famoser Ethikunterricht bestand seit der Einführung in die Kursstufe aus schlechten Kant Witzen, umherfliegenden Papierkugeln, rassistischen Kommentaren gegenüber Mitschülern von einer Erzkatholikin, die ganz nebenbei jede Stunde versuchte, uns entweder zum Christentum zu bekehren oder den zwei Anwesenden mit einer türkischen Abstammung, die nicht zu leugnen war, einen Exorzisten anzudrehen.
Da es im Leben, wie bereits unzählige Male zuvor erwähnt, immer anders kam, als man ursprünglich dachte und dieses „anders" in über neunzig Prozent aller Fälle den schlimmstmöglichen Umstand bekleidete, war zu den oben aufgelisteten Umständen auch noch der größte Umstandskasten der Schule hinzugekommen. Seit einem halben Jahr durfte ich meine Zeit mit dem Transformator in direkter Nachbarschaft absitzen. Dessen Pollenallergie hatte allem Anschein nach wieder an Fahrt aufgenommen und er teilte mit der kompletten Umgebung im Umkreis von guten drei Metern in regelmäßigen Intervallen seine DNA wie Jesus damals sein Brot. Das einzige Gute an dem immer noch viel zu warmen Wetter war, dass wir nach wie vor die muffigen Vorhänge geschlossen hielten, die Schule es nach über mehreren Wochen nicht geschafft hatte, die, im Matheunterricht durchgebrannte, Neonröhre zu ersetzten und ich somit, zum Glück, weder dazu gezwungen war, den Keimsprüher neben mir noch die Papst – Baba Jaga vorn an der Tafel zu sehen. Leider Gottes war ich allerdings gleichzeitig, durch besagten Lichtmangel, daran gehindert, mich weiter, mit zunehmend sterbendem Interesse, meiner aktuellen Deutschlektüre zu widmen. Im Gegensatz zu Jean Baptiste Grenouille war meine Motivation für Patrick Süskinds Parfüm sehr wohl tot zu kriegen. Im Ernst, der Typ war doch so was wie die Vorstufe der multiresistenten Keime im 18. Jahrhundert gewesen. Patrick Süskind war vielleicht einfach nur ein missverstandener dystopischer Prophet! Da eröffneten sich doch gleich völlig neue Interpretationswege und mich überkam eine Welle an Lesemotivation, um meine neugewonnenen Erkenntnisse mit Fakten zu untermauern. Ein höherer Kontrast zwischen Buchseite und Schrift wäre da von erheblichem Vorteil. Für einen Moment gab ich mich dem Gedankenspiel hin, ob es sich vielleicht auch noch positiv auf meine Epochalnote auswirken würde, wenn ich mich auf den Tisch knie und für die Wiederauferstehung der toten Neonröhre beten würde. So wie ich meine Ethiklehrerin aka die Papst – Baba Jaga kannte, hätte das aber eher eine Anklage für Ketzerei und eine Live-Demonstration eines waschechten Exorzismus zur Folge.
Franz Fromator neben mir mimte mal wieder vernehmlich den Jesus und hinterließ dabei sehr verstörenderweise mit seinem Schnodder einen Fleck auf meiner Parfümausgabe, der um ein Vielfaches dunkler als die Schrift war und (Himmelherrgott ich kotzte gleich!) 3-D-animiert.
Den Drang mich ohne lange zu überlegen postwendend mit mindestens zehn Litern Desinfektionsmittel zu übergießen und mich dann auf der Stelle selbst anzuzünden unterdrückend, reichte ich ihm, ein soziales Wesen innerhalb der harmonierenden, schulischen Gemeinschaft, ein Taschentuch.
Ja gut, ich geb's ja zu. Ich klatschte es ihm mit so viel Schwung ins Gesicht, dass er beinahe vom Stuhl fiel. Denn Jesus sagte: „Liebe deinen Nächsten!" und Shakespeare: „ Ist Lieb' ein zartes Ding? Sie ist zu rauh, zu wild, zu tobend und sticht wie Dorn."
Dazu ein herzergreifendes Vaterunser zu schmettern, okay ich wäre im Endeffekt eh nur bis „der du bist im Himmel" gekommen und postwendend durchgefallen, kam ich nicht mehr. Das einzige, was an unserer Schule zuverlässig funktionierte, waren die Schulglocke und die damit verbundene Dreistigkeit jeden Schülers sämtlichen Protest des Lehrers, gegen das Verlassen des Unterrichtes, nach Erklingen selbiger gekonnt zu ignorieren. Es war ein ausgesprochen schönes Gefühl, sich blind auf gewisse Dinge verlassen zu können.
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If you're going through hell, keep going (LeFloid FF)
Fanfic(LeFloid x OC) Ein geschickt gesponnenes Netz aus Lügen, eine gehörige Portion Sarkasmus, sowie eine Prise Selbstironie und eine effektive Verdrängungstaktik mehr braucht Mel nicht, das selbsternannte menschliche Komplettfiasko, um sich still und l...