Jeder verrät sich selbst

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Kapitel 10:

„Unsere Zweifel sind Verräter und häufig die Ursache für den Verlust von Dingen, die wir gewinnen konnten, scheuten wir nicht den Versuch"- William Shakespeare

„Und dann?!", aufgeregt sah sie mich an, während sie sich einen Löffel Vanilleeis in den Mund schob. „Ich bin gegangen.", murmelte ich und stopfte mir ebenfalls einen Löffel Eis in den Mund. „Wie jetzt?!", Unverständnis spiegelte sich in ihrem Blick wieder und ich zuckte nur mit den Schultern und schaute auf die Packung Vanilleeis auf meinem Schoß. „Einmal in deinem Leben findest du einen Typen toll und zufälligerweise findet der Typ dich auch toll, aber du versaust es einfach mal!", schimpfte meine beste Freundin. „Florian wollte bestimmt einfach nur höflich sein.", sagte ich nun. „Ist das dein ernst? Ich bin mir sicher, dass er mehr als nur höflich sein wollte! Sonst hätte er nicht mit dir den Nachmittag verbracht, nachdem du ihn so angepflaumt hast!", angepflaumt gehörte definitiv zu ihren Lieblingswörtern. „Selbst wenn da mehr als Höflichkeit ist, wie du behauptest. Er hat ne Freundin seit fast 10 Jahren!", frustriert sah ich zu der Blondine, die etwas Vanilleeis von ihrem Löffel lutschte. „Da hab ich elefantastische Neuigkeiten für dich.", nun grinste sie mich breit an. „Kann es sein, dass du mit deinem kleinen Bruder zu viel Fernsehen guckst?", spielte ich auf den Ausdruck „elefantastisch" an. Sie ignorierte meinen Einwurf und verkündete ihre „frohe" Botschaft: „Ina und Flo haben sich getrennt." „Aha und woher weißt du das?", hakte ich nach und versuchte meine Neugier zu verbergen. „Du bist neugierig!", rief sie und lachte. Mist! Sie kannte mich einfach zu gut. „Jetzt sag!" „Ich hab mit Vanessa geredet, weil ich wissen wollte, warum Flo so lang weg war und da hat sie mir erzählt, dass er sich von Ina getrennt hat.", berichtete sie. „Weißt du auch wieso?", ich hatte es aufgegeben meine Neugier zu zähmen, sie hatte mich ja sowieso durchschaut. „Nein, das wusste Vanessa auch nicht.", meinte sie fast schon entschuldigend. „Aber das Beste ist doch, dass er mit ihr Schluss gemacht hat und nicht umgekehrt!" „Manchmal bist du unmoralischer als ich, Em.", ein weiterer Löffel Eiscreme fand den Weg in meinen Mund. „Wieso?", fragte Em verständnislos. „Du freust dich, dass eine 8-jährige Beziehung in die Brüche gegangen ist.", erklärte ich. „Wenn ich meine beste Freundin dann endlich an den Richtigen vermitteln kann, schon.", antwortete sie. „Erstens, bin ich kein Hund aus einem Tierheim, den man vermitteln muss, zweitens, woher willst du wissen, dass Flo der Richtige ist und drittens, führe ich ein glückliches Singleleben.", argumentierte ich. „Er ist seit langem der erste Junge, der dich derart beschäftigt, da kann er nur der Richtige sein und Melli, als Single kann man nicht auf Dauer glücklich sein.", sie nickte bekräftigend und steckte sich Vanilleeis in ihren Mund. Schweigend sah ich ihr beim Essen zu. „Jetzt fang nicht an, abzustreiten, dass du ihn toll findest!". Fand ich ihn denn toll? „Wie gesagt, ich genieße mein Singleleben.", genervt verdrehte meine beste Freundin ihre Augen und ich hatte das Gefühl, dass ich sie irgendwann einmal an den Rand der Verzweiflung brachte. „Du willst mir jetzt nicht ernsthaft erzählen, dass du dich nicht danach sehnst, süße Nachrichten von einem Kerl zu bekommen, wenn du ins Bett gehst und früh am Morgen wieder aufstehst, der mit dir auf dem Sofa kuschelt, wenn es draußen regnet, der dich in den Arm nimmt, wenn dir alles zu viel wird und der dir allein durch seine Anwesenheit ein strahlendes Lächeln auf dein Gesicht zaubert und dein Herz rasen lässt.", prüfend sah sie mich an. „Ich hasse es, wenn du Recht hasst.", war das Einzige, was ich dazu sagte. „Tja sowas soll auch vorkommen.", erwiderte sie. „Und wie sagte unser Freund Shakespeare so schön... Unsere Zweifel sind Verräter und häufig die Ursache für den Verlust von Dingen, die wir gewinnen konnten, scheuten wir nicht den Versuch. Melli hör einmal auf dein Herz und nicht auf deinen Verstand!", verwundert über ihr Gesagtes sah ich sie an. Ich wusste nicht wirklich, ob es mich mehr verwirren sollte, dass meine beste Freundin plötzlich anfing Shakespeare zu zitieren oder ihre Aussage, dass sie in Flo den Richtigen für mich sah. Anstatt zu antworten, sah ich sie einfach nur stumm an, aber was hätte ich auch sagen sollen? Sie wusste doch, dass sie Recht hatte und ich wusste es auch. Das Singleleben machte mich nicht wirklich glücklich, aber was sollte ich machen? Bis jetzt war einfach noch nicht der „Richtige" dabei gewesen und dieser ganze Beziehungskram hatte mir immer mehr Stress beschert, als er mir genommen hatte.

„Hallo Mel! Schön dich zusehen!", begrüßte mich Em's Mutter, die wahrscheinlich gerade aus dem Büro kam, in dem sie arbeitete. „Hallo Sabine!", ich stand auf und umarmte sie kurz.

Meiner Meinung nach hatte Em die besten Eltern der Welt. Wenn es um ein großes Herz ging, gab es zwischen ihren Eltern, ihrem kleinen Bruder Finn und Em selbst keinen Unterschied. „Emelie ich muss nochmal los, Finn's Lehrerin hat mich zu einem Gespräch eingeladen. Sehen wir uns zum Abendessen?", wandte sie sich nun an Em. „Ja zum Abendessen bin ich da.", antwortete diese. „Bleibst du auch zum Abendessen?", fragte Sabine nun mich. „Wenn euch das keine Umstände bereitet.", sagte ich. „Ach Kind, wo denkst du hin? Ich bin gegen um sieben wieder da und bring Pizza mit!", ein paar Minuten später hörten wir, wie die Tür zuschlug.

„Wo ist Finn eigentlich?", fragend sah ich zu Em. „Der müsste eigentlich gleich kommen, der hatte noch Training.", erzählte sie und just in diesem Moment stürmte ein kleiner, blonder Junge in Fußballklamotten zu uns ins Wohnzimmer. „Hi Finn, wie war Training?", begrüßte ich ihn und hielt ihm meine flachen Hand entgegen, die er abklatschte. „Cool! Ich hab zwei Tore geschossen!", stolz sah er mich an. „Da muss ich unbedingt mal zu einem Spiel von dir kommen.", meinte ich und er nickte begeistert. „Ist nicht nächsten Samstag eins?", fragte Mel ihren 8-jährigen Bruder, der ihr daraufhin zustimmte. „Dann sagen wir den Jungs Bescheid, dass wir vordrehen müssen, vielleicht kommen die ja auch noch mit.", meinte ich und Em nickte.

„Was wollen wir jetzt machen?", meldete ich mich zu Wort. „Spielt ihr was mit mir?", bettelte Finn. „Wie wär's mit MarioKart im Mediakraft Büro?", schlug seine Schwester vor. „Jo, da wollte ich eh nochmal hin.", stimmte ich zu. Schnell flitzte Finn in sein Zimmer, um sich umzuziehen. „Vielleicht ist Steven da und wir können ihn bequatschen, mit zu zocken und ihn auslachen, wenn er wieder verliert.", überlegte ich laut, was Em zum Lachen brachte. „Und du sagst zu mir, ich wäre unmoralisch!" „Das war nicht unmoralisch, sondern einfach nur fies!", grinste ich und wir mussten beide losprusten. „Ich hoffe nur, dass ich Florian heute nicht nochmal über den Weg laufe.", murmelte ich dann. „Ach Melli, früher oder später hättest du ihn doch sowieso gesehen!", warf Emelie ein. Ich wusste,meine beste Freundin hatte Recht und das schon wieder in so kurzer Zeit. Aber es änderte nichts an der Tatsache, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, nachdem ich heute Nachmittag völlig überstürzt abgehauen war. Ein verzweifelter Seufzer meinerseits ließ sich nicht mehr zurückhalten.


If you're going through hell, keep going (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt