Kapitel 13:
„Ich bin nicht, was ich bin."- William Shakespeare
„Hey Melli! Was machst du denn um die Uhrzeit noch hier?", fragend sah er mich an. „Warum muss ich mich eigentlich vor jedem hier rechtfertigen?", giftete ich dann auch gleich drauf los, bei meinem Tonfall zuckte er erschrocken zusammen und trat einen Schritt zurück. „Alles gut bei dir?", hakte er vorsichtig nach. „Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?", stellte ich eine Gegenfrage. „Lass uns nen Kaffee trinken gehen und dann erzählst du mir, was los ist.", meinte er und sah mich erwartungsvoll an. „Jetzt fang nicht schon wieder an den Hobbypsychologen zu spielen okay?! Lass mich einfach in Ruhe.", knurrte ich und hoffte, dass er einfach gehen würde, wenn ich ihn weiter so behandeln würde. Er ignorierte meine Beleidigungen und mein abweisendes Verhalten einfach und redete ruhig weiter. Lernte man so etwas im Studium? Vielleicht hatte er ja einen Extrakurs belegt, der sich „Wie gehe ich mit aufbrausenden, unfreundlichen Menschen um, die mich mental beleidigen" nannte.
„Hörst du mir überhaupt zu?", nun sah er mir direkt in die Augen und ich fragte mich, was ich hier eigentlich machte. Was machte er eigentlich mit mir?
„Ich verhalte mich dir gegenüber die ganze Zeit richtig mies und du bist trotzdem nett zu mir. Warum?", ich glaube mit dieser Frage hatte ich ihn etwas aus dem Konzept gebracht, denn es dauerte ein halbe Ewigkeit, bis er mir antwortete. „Ick....", setzte er an, brach seinen Satz dann allerdings wieder ab und startete einen neuen Versuch: „Weil ick glaube, dass du in Wahrheit ganz anders bist. Die Jungs haben viel über dich erzählt und ick würde gerne die Melli besser kennenlernen, von der ich schon so viel gehört habe, mit der ick gestern den Nachmittag im Park verbracht habe.", erklärte er. Stumm sah ich ihn an, was hätte ich dazu auch sagen sollen? Mir war klar, dass ich mich entschuldigen sollte und das wollte ich auch, aber ich bekam es einfach nicht über meine Lippen. „Gehst du jetzt mit mir nen Kaffee trinken?", kam er auf sein Angebot von vorhin zurück. Innerhalb von wenigen Minuten hatte er es mal wieder geschafft, mich total durcheinander zu bringen und dabei kannte ich diesen Typen doch erst seit drei Tagen! Wenn man da überhaupt schon von kennen sprechen kann.
„Hast du gerade indirekt eine Persönlichkeitsstörung bei mir diagnostiziert?", ich hatte mich entschieden, den Weg zu gehen, den er mir anbot. Eine Art Neuanfang zu machen eben. Erleichtert lächelte er mich an und entgegnete dann: „Ick glaube du bist lediglich emotional instabil, aber ick sollte das im Auge behalten." „Drohung oder Versprechen?" „Vorsichtsmaßnahme!", antwortete er. „Du bist doof!", beleidigt verschränkte ich beide Arme vor der Brust. „Und was bist du dann?", wollte er lachend wissen. „Nicht so doof wie du!", grinste ich und er tat es mir gleich. Ich hatte immer noch keine Ahnung, in was für einem, sagen wir mal Verhältnis, Flo und ich zueinander standen. In seiner Gegenwart neigte ich tatsächlich etwas dazu, wankelmütig zu werden und richtig geklärt hatten wir mein Verhalten ja auch nicht, wir ignorierten es einfach. Selbstverständlich kam mir das sehr entgegen, aber ich fragte mich, ob es nicht falsch war, einfach so zu tun, als wäre nichts gewesen. Das Gefühl, ihn mit meinem Verhalten vor den Kopf gestoßen zu haben, ließ mich nicht los. Aber hatte ich es nicht genau darauf angelegt? Hatte ich ihn nicht zwingen wollen, mich in Ruhe zu lassen?
„Soll ick dich noch nach Hause bringen?", seine braunen Augen musterten mich im Dunklen, mit einem Kopfschütteln lehnte ich ab. „Sicher? Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache, dich mitten in der Nacht durch Berlin laufen zu lassen." „Flo ich wohne hier gleich um die Ecke!", versuchte ich ihn zu überzeugen, mich nicht bis vor meine Haustür zu begleiten. Wie sah es denn bitte aus, wenn ich nicht die Haustür benutzte, sondern durch mein Fenster kletterte, weil ich Sandro nicht über den Weg laufen wollte. Um die Uhrzeit, war das noch weniger ratsam als sonst. Diese Situation würde Floid dann wohl einwandfrei mein verkorkstes Leben demonstrieren und das wollte ich um jeden Preis verhindern. „Dann ist es ja kein Problem, wenn ick dich schnell hin bringe.", konterte er und ich fluchte innerlich. „Flo es ist schon in Ordnung.", mein Tonfall zeigte, dass Widerspruch zwecklos war. Nur widerwillig stimmte er zu und verabschiedete sich mit einer kurzen Umarmung von mir. Ich sah ihm noch nach, bis er um die nächste Ecke verschwunden war und fuhr dann auch los, wenn auch nicht in Richtung meines Zuhauses.
Das Kaffeetrinken hatten wir dann doch sein lassen, da ich keinen Starbucks-Kaffee trank und er meiner Meinung nach wieder viel zu viel Koffein im Blut hatte. Wir waren noch ein bisschen durch Berlins Straßen gefahren, er mit einem seiner Longboards, mit was auch sonst, und ich mit meinem Skateboard. Wirklich viel geredet hatten wir dann auch nicht mehr, ab und an hatten wir ein paar Späße gemacht, aber sonst war es zwischen uns mal wieder still geblieben. Dieses Mal war es aber ein angenehmes Schweigen gewesen, ein Schweigen, bei dem man nicht ständig das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen, damit die Stille verschwand.
Der Schlüssel drehte sich im Schloss und die Tür öffnete sich. Erst etwas verwundert, dann aber mit einem Lächeln im Gesicht sah Heiko mich an und bedeutete mir einzutreten. „Willst du einen Kaffee?", wollte er wissen, ich nickte und er verschwand in die kleine Küche, die sich neben der Backstube hinter dem Verkaufsraum befand. Wie früher saß ich an dem kleinen Tisch und las mir den Bestellzettel durch, der mir gegenüber an der Wand hing. 20 Brötchen, 5 Brote, 10 Hörnchen usw. Man konnte jetzt den Eindruck bekommen, dass der Bäckerladen schlecht lief, aber das genaue Gegenteil war der Fall, die Leute lernten einfach nicht vorzubestellen. Morgen früh wurde sicher das 6fache der vorbestellten Brötchen benötigt.
„Was liegt dir auf dem Herzen?", Heiko stellte meine Lieblingstasse mit den blauen Punkten vor mir ab, setzte sich dann neben mich und sah mich abwartend an. „Ich weiß einfach nicht, wo mir der Kopf steht.", erklärte ich ihm und er nickte verstehend und trank einen Schluck von seinem Kaffee.
Danke an die, die bei den letzten Kapiteln ein paar liebe Worte dagelassen haben.Ich hoffe die überarbeitete Version des Covers gefällt euch. LG
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If you're going through hell, keep going (LeFloid FF)
Fanfiction(LeFloid x OC) Ein geschickt gesponnenes Netz aus Lügen, eine gehörige Portion Sarkasmus, sowie eine Prise Selbstironie und eine effektive Verdrängungstaktik mehr braucht Mel nicht, das selbsternannte menschliche Komplettfiasko, um sich still und l...