Manche Feuer sind nicht zu ersticken

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Kapitel 14:

„Verdecktes Feuer brennt mit größter Kraft"- William Shakespeare

Wenn jemand fragt: „Wie geht es dir?", lügt man der Höflichkeit wegen, aber tief im Inneren wünschen wir uns dann, unser Gegenüber würde noch einmal nachhaken, die Meisten tun das nicht. Triffst du irgendwann mal einen Menschen, der dir deine Lüge nicht abkauft, der wirklich wissen will, wie es dir geht, solltest du ihn niemals gehen lassen.

Engel sind in unserer Gesellschaft selten geworden und die wenigen, die es noch gibt, übersehen wir.

Der kleine Zeiger hatte die 12 schon lange hinter sich gelassen und war nun kurz vor der vier angelangt. Mein Kaffee hatte sich gelehrt, es war eine halbe Ewigkeit her, dass ich das bittere Gebräu angerührt hatte. In der letzten Zeit hatte ich mich mit Früchte- und Wintertee begnügt, damit ich meinen völlig zerstörten Biorhythmus wenigstens wieder ein bisschen auf die Reihe bekam. Ich glaube, das größte Berufsrisiko eines YouTubers lag darin, abhängig von Taurin und Koffein zu werden. „Was fühlt du, wenn du ihn siehst?", Heiko saß nun schon geschlagene fünf Stunden mit mir an diesem Tisch und half mir, Stück für Stück wieder Ordnung in meine Gefühlswelt zu bringen, die von Floid total auf den Kopf gestellt worden war. „Ich fühle mich in seiner Gegenwart wohl, aber irgendwie bringt er mich total durcheinander.", verzweifelt fuhr ich mir durch mein Haar. „Das ist kaum zu übersehen.", merkte er an und lächelte. „Jetzt fängst du auch schon so an!", beschwerte ich mich und ließ meinen Kopf auf die Tischplatte sinken, er hatte mich doch tatsächlich so angegrinst wie Em, meine Oma und Frodo, das war ja nicht auszuhalten. „Ach Mel es ist doch halb so schlimm.", versuchte er mich etwas aufzuheitern. „Halb so schlimm, dieser Typ hat mein ganzes Leben innerhalb von drei Tagen komplett auf den Kopf gestellt und in seiner Nähe oder wenn auch nur sein Name fällt, bekomme ich Stimmungsschwankungen als wäre ich schwanger!", erst sah er mich komisch an, dann bemerkte ich, wie er krampfhaft versuchte ein Lachen zurückzuhalten. „Du bist so unglaublich unsensibel!", kommentierte ich sein Verhalten beleidigt. Heiko räusperte sich kurz und setzte sich anschließend aufrecht hin. „Du bist verleibt.", sagte er dann trocken und ich schenkte ihm einen vernichtenden Blick. „Jetzt schau mich nicht so an! Jeder Trottel sieht, dass der Typ etwas mit dir angestellt hat, dass vor ihm noch keiner geschafft hat. Lass es einfach auf dich zukommen und hör endlich auf, dich gegen deine Gefühle zu stellen.", sein Blick lag eindringlich auf mir. „Aber man kann sich doch nicht Knall auf Fall in jemanden verlieben, ich kenne Flo doch gar nicht.", protestierte ich. „Dann lerne ihn kennen!", entgegnete mein früherer Arbeitgeber mir. „Aber...", setzte ich zu einem erneuten Widerspruch an, wurde aber grob von Heiko unterbrochen: „Es gibt kein aber! Emelie hat Recht mit dem, was sie dir gesagt hat! Du brauchst jemanden, der dich festhalten kann und ich kann mich deiner Freundin da nur anschließen, ich glaube auch, dass er der Richtige ist. Dieser Florian tut dir gut, gerade weil er dich so durcheinander bringt und so viel auf einmal in dir aufwühlt. Du kannst nicht mehr so tun , als würde dich nichts berühren.", zum Schluss war seine Stimme leiser geworden, fast so, als wäre er sich nicht sicher gewesen, ob er es wirklich laut aussprechen sollte.

„Bekomme ich eine Umarmung?", meine Stimme klang dünn und zerbrechlich, nur selten nahm ich meine Maske aus Sarkasmus und dem falschen Lächeln ab, ich wollte verhindern, dass die Menschen sich sorgten und mich bemitleideten, wenn sie sahen, dass ich eben nicht immer der kleine Sonnenschein mit den türkis/grauen Augen und den rabenschwarzen Haaren und den leuchtend blauen Strähnen, die mich aussehen ließen, als wäre ich aus dem erstbesten Manga gesprungen, von VollVerpeilt war.

„Das schwarze oder das graue Oberteil?", erklang die Frage meiner Freundin aus dem Lautsprecher meines Handys. Ich antwortete, musste dabei aber so genuschelt haben, dass sie nichts verstanden hatte, denn sie fragte kurz darauf: „Was?" und zog das a in die Länge. Die Haarklemme, welche ich bis eben im Mund gehabt hatte, steckte ich nun in meine Haare, um den Knoten an meinem Hinterkopf zu fixieren und wiederholte meine Antwort: „Ich habe gesagt, warum ziehst du nicht das blaue Kleid an, was wir letztens gekauft haben." Einen Moment starrte sie nachdenklich vor sich hin und verschwand aus ihrem Badezimmer, kurz darauf hörte ich es rascheln und einen derben Fluch meiner besten Freundin. „Dir ist bewusst, dass du dafür in die Hölle kommst.", scherzte ich. „Sieh es positiv Melli, dann werden wir immer beisammen bleiben.", frech grinste sie mir entgegen und ich schüttelte nur den Kopf und ließ von unserem Geplänkel ab. „Machst du noch dein blaues Haarband rein?", wollte meine Freundin wissen, sie war inzwischen in ihr Sommerkleid geschlüpft, was ich ihr vorgeschlagen hatte. „Sollte ich?", wollte ich wissen und betrachtete mich nachdenklich im Spiegel. „Unbedingt.", kam die Antwort und ich nickte ihr nur abwesend zu.

Mir ging das Gespräch mit Heiko nicht wirklich aus dem Kopf, ich hatte noch mit ihm zusammen gefrühstückt und war dann sofort nach Hause gegangen und hatte Em via Skype angerufen. Allerdings hatte ich mein Gespräch mit Heiko nicht mal in einer Silbe erwähnt. Bei ihm hatte ich das Gefühl, dass er mich besser verstand als alle Anderen, sogar besser als meine Oma.

Mit einer Hand kramte ich in der Schublade des kleinen Schränkchens nach meinem Haarband, meinen Blick hatte ich immer noch starr auf mein Spiegelbild gerichtet. So starke Augenringe hatte ich noch nie gehabt, aber ich hatte mir auch nicht sonderlich viel Mühe gegeben, sie zu überschminken, dafür würden mir die Jungs heute bestimmt noch ein paar dumme Sprüche drücken. „Melli ich leg dann auf. Bis gleich Süße!", verabschiedete sich Em, ich gab nur ein zustimmendes Brummen von mir. Heute war der DVD-Abend, entmutigt seufzte ich und starrte das Haarband, welches sich mittlerweile in meiner Hand befand , befremdlich an, bis mir wieder einfiel, was ich damit vorgehabt hatte.

Ich war mir nun im Klaren darüber, dass ich mich in Florian verliebt hatte. Inwiefern diese Erkenntnis die gesamte Situation verbessern sollte, wie es Heiko vorausgesagt hatte, wusste ich allerdings nicht. Meiner Meinung nach machte das alles nur noch komplizierter. Was ist, wenn er mich nur als gute Freundin sah, so wie ich es vor Em behauptet hatte?


If you're going through hell, keep going (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt