Sonnenschein nach Regen

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Kapitel 39:

„Liebe tröstet, wie Sonnenschein nach Regen."- William Shakespeare

Die Stirn weiterhin verärgert in Falten gelegt, lümmelte ich inzwischen vor der humanwissenschaftlichen Fakultät des Mitte Campus der Humboldt Uni herum. In einem schattigen Plätzchen selbstverständlich und wartete auf meinen Freund.

Nachdem ich einige Zeit erfolgreich damit totgeschlagen hatte, einer meiner liebsten Beschäftigungen nachzugehen, nämlich sinnlos durch Berlin zu dümpeln wie ein herrenloser Straßenköter und Em mir währenddessen beim Telefonieren das letzte Bisschen verbliebenen Hörnerv damit penetriert hatte, ich solle jetzt bloß nichts 'Dummes' tun, was auch immer sie darunter verstand, hatte es mich schließlich hierher verschlagen. Und als ich Em hoch und heilig versprochen hatte, weder das Haus des Direktors anzuzünden oder selbigen postwendend in der Spree zu ertränken ( mal ehrlich, hielt sie mich für geistig so abgefuckt, dass ich das wortwörtlich versprechen musste?), hatte sie mich, zwar unter schlimmem Gezeter und schäbigen Versuchen mit mir eine Krisenintervention durchzuführen (weshalb auch immer sie diese als notwendig erachtete), mir selbst überlassen. Allerdings nur unter ihrer persönlichen Absicherung, dass Flo den restlichen Tag darauf aufpasste, dass ich nichts Strafbares tat. Lächerliches Gehabe. Ich war doch keine Cholerikerin. Höchstens etwas aufbrausend.

Gelangweilt blätterte ich durch Süskinds 'Parfüm', ja immer noch, und ich gab mir auch wirklich die allergrößte Mühe, mich nicht weiter aufzuregen, dennoch konnte ich nicht aufhören, meine Unterlippe mit meinen Zähnen zu malträtieren, während ich das Geschehene immer wieder und wieder im Kopf durchging. Das war trotzdem nicht im Geringsten cholerisch!

Aber mal im Ernst, was bildete sich dieser arrogante Schnösel von Möchtegern Weltverbesserer und selbsternannten Messias des deutschen Bildungssystems ein, mich derartig anzugehen? Ohne auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben. Er wusste nichts, der Typ wusste weniger als überhaupt nichts!

Meine Zähne knirschten schon wieder wütend und das 'Parfüm' musste jetzt wohl oder übel mit ein paar Schrammen mehr weiterleben. Tja. Pech gehabt.

Abgesehen davon ging es meinen Direktor ja auch einen verdammten Dreck an, ob er nun Freund der Familie oder meinetwegen auch Kaiser von China war, wie ich mit dem Tod meines Vaters umging, wie ich mit meiner Mutter umsprang, geschweige denn wie ich mich in der Schule verhielt. Okay, letzteres vielleicht doch, zumindest irgendwie, ein winziges Bisschen wenn's hochkam. Immerhin strich die Schule durch meine Anwesenheit einen Haufen Fördermittel ein, wegen des staatlich geförderten Begabungsstipendiums, was zwar von der Schulleitung nicht anerkannt worden war, aber wen juckte das schon im Bundestag, für was sinnlos Geld verprasst wurde. Mit meinem beständigen 1,2 – Durchschnitt kaschierte ich anscheinend sämtliche Missstände in etwa so gut, wie das weiße Make-Up die Gesichtszüge einer Geisha verschleierte. Das dürfte auch der Grund sein, warum ich bezüglich der heroischen Anzahl von Fehltagen, massenhaften Verstößen gegen die Schulordnung und diversen anderen Vergehen nie Konsequenzen fürchten musste. Kurzum: ich durfte so vielen Achtklässlern wie ich wollte mit meinen Schulbüchern blutige Nasen verpassen und wurde später dafür nie belangt, schließlich spülte ich ordentlich Geld in die schuleigene Schatzkammer. Man könnte es also im gewissen Sinne auch als Schweigegeld betrachten. Daran hielt sich nebenbei bemerkt auch Frau Gräfe sehr vorbildlich (scheinbar hatte ich ihr wohl den BMW mitfinanziert).

Die Hand, die einen fütterte, biss man eben nicht. Wenigstens nicht so stark, dass der Finger ab war.

Ich schnaubte sarkastisch.

Prinzipiell konnte man mich demnach gar nicht raus werfen, man konnte mir absolut gar nichts, blöd nur, dass mir das erst nach meinem Abgang eingefallen war. Noch blöder, dass eine klitzekleine Windung in meinem Gehirn nicht davon ablassen konnte, sich damit zu beschäftigen, was gewesen wäre, wenn ich auf die mir angebotene Hilfe eingegangen wäre. Was für eine Hilfe sollte das überhaupt darstellen? Hätte ich das Ganze vielleicht doch besser durchdenken sollen, bevor ich Hals über Kopf in der Erregung des Moments ablehnte? Unsinn! Ich war doch kein Ablassbrief auf zwei Beinen, für jeden, der dachte, er schulde meinem Vater etwas!

If you're going through hell, keep going (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt