Galgenhumor durch und durch

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Kapitel 37:

„Es ist Albernheit, zu leben, wenn das Leben eine Qual wird." - William Shakespeare

Nachdem die Tür des Sekretariats mit einem kaum wahrnehmbaren Klicken hinter mir ins Schloss gefallen war, war der einzige Gedanke, der sich mit einer verblüffenden Hartnäckigkeit in meinen Denkapparat krallte und somit den Posten der letzten, verbliebenen Legion einnahm, die meinen Körper vorm endgültigen Totalausfall bewahrte, dass sich Maximilien de Robespierre wohl auch gewünscht hätte, noch vor der Guillotine den 'sterbenden Schwan' zu machen.

Die Sekretariats-Queen der Sekretariats-Queens unserer Schule, bei der ich mir, durch entzückende Komplimente, seit der achten Klasse erfolgreich Kaffee schnurrte, winkte mich, sogar ohne von ihren Unterlagen aufzusehen, gleich zum Direktorat durch. Meine Anwesenheit wurde bereits nicht mehr in Frage gestellt, nach fast sechs Schuljahren in diesem verdammten Loch, war es wohl seltsamer, wenn ich mich nicht wenigstens einmal die Woche zur königlichen Audienz blicken ließ. Ich ging hier vermutlich öfter ein und aus als manches lehrendes Klappergestell.

Hat sie nicht gesagt! Doch genau das. Es hatte sich immerhin in meinem gesamten Leben noch nie ein besserer Zeitpunkt für meinen bekloppten Galgenhumor geboten als in diesen Moment. „Galgen verstehste?", hätte ich der selbsternannten royalen Bagage hinter mir jetzt gerne zu gerufen, vielleicht wäre ich dafür dann postwendend in die Geschlossene eingewiesen worden und hätte so meinen Hals gerettet. Hals... , ist ja gut, ich hör' ja schon auf. Schlechte Witze wären zwar nicht unbedingt ausschlaggebend für einen Freifahrtschein in die Klapsmühle, aber wenigstens die Entzugsklinik sollte zeitnah verständigt werden. Mein knallroter Kopf in Kombination mit einem irren Lächeln (bei dem bestimmt eine gruselige Ähnlichkeit zum Joker beängstigend durchkam), was wahrscheinlich einer spontanen Verkrampfung der Gesichtsmuskulatur aufgrund akuten Galgenhumors geschuldet war, musste wohl alles sein, außer vertrauenerweckend. Erfahrungsgemäß ließen die netten Leute mit der Zwangsjacke und der Betäubungsspritze aber sicherlich solange auf sich warten wie ein Krankenwagen inklusive Notarzt, wenn man damit beschäftigt war, an einem Herzinfarkt im Kino draufzugehen.

Tja ja, die Person, die alles stillschweigend über sich ergehen lässt, hat eben größere Überlebenschancen als ein für seine Überzeugungen kämpfender Idealist und genau das hatte sich der liebe Maximilien am 28. Juli 1794, also genau heute in 18 Tagen, einem Monat und vor exakt 220 Jahren ebenfalls gedacht. Wahnsinn, offenbar arbeitete mein Gehirn im dramatischen Angesicht des Todes, kurz vor einer waschechten Panikattacke am effektivsten.

Herzlichen Dank für beinahe 18 Jahre bloßes Dasein als langsam verfaulende Nuss, mit einer vergleichsweisen Prozessorgeschwindigkeit einer Schildkröte, aber die lahme aus Ab durch die Hecke, dreimal überfahren, mit fehlendem Panzer, tot seit mehr als vier Wochen. Da wagte es sich dieses nichtsnutzige Teil, mit dem wirklich geilen Scheiß um die Ecke zu kratzen. Spitze, im Ernst, das war in der Tat Comedy Gold.

Während mein Hirn sich also, bereits unwiderruflich in der Klaue des Todes gefangen, dafür entschied eine uralte BVB-Taktik zu fahren, nämlich kurz vor Ende Gelände noch mal richtig reinzuhauen, und in einer beeindruckenden Geschwindigkeit sämtliche Informationen der französischen Revolution, die jemals irgendwann den Weg in mein Langzeitgedächtnis gefunden hatten, wahllos ausspuckte wie ein Drucker, der gerade Amok lief, stieg mit jedem Schritt den ich tat, mein Brechreiz proportional dazu an.

Und so wusste ich, just in dem Augenblick, in dem ich die Treppen zur Guillotine erklomm, beziehungsweise die Türklinke zum Kronsaal hinunterdrückte, dass Robespierre mein vor langer Zeit verstorbener Bruder im Geiste war. Klang zuerst eventuell etwas arg reißerisch (auch für meine bescheidenen Verhältnisse, was den Gebrauch von rhetorischen Stilmitteln zur bestmöglichen Darstellung belangloser Inhalte meines Lebens betraf, um mir mehr oder minder gelungen vorzugaukeln, mein Leben wäre im Mindestmaß so interessant wie das von Carrie Bradshaw, obwohl ich beim genaueren Analysieren dieses Vergleiches zugeben musste, dass dieser doch ziemlich hinkte, da ich eindeutig zu misanthropisch veranlagt war, um mich gedankenlos durch halb Berlin zu vögeln.) Ob mich Flo wohl von der Bettkante stoßen würde, wenn ich später eindeutig zweideutige Avancen machen würde?

If you're going through hell, keep going (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt