Klappe 20: Dublin ~ Von der Teddy-Vergewaltigerin zur Steak-Taufpatin

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Fast jeder Mensch kannte die sogenannten Build-a-Bear-Anlagen in Shopping Malls, in denen liebenswürdige Mütter oder wie in meinem Fall genervte Väter ihre Kinder abschoben und sie mit Flausch betäubten. Es war für jedes Kind ein unglaubliches Erlebnis, sich das eigene Stofftier zu basteln. Und meiner Meinung nach konnte man die kindliche Freude mit der Freude einer Mutter bei der Geburt ihres Babys vergleichen. Nur dass man beim Teddy eine Füllung reinstopfte, während eine Mutter das Kind herauspresste, obwohl sie vorher auch gewissermaßen gefüllt werden musste.

Jedenfalls hatten die Besuche dort meine Kindheit geprägt und mich zu einem unsäglichen Fan von Flausch gemacht. So wurde ich quasi zu einem Flauschaholiker, der fast jede Woche einen neuen Bären hatte. Oh Gott, in meiner Kindheit war ich eine Teddy-Schlampe gewesen.

Auch wenn mich Louis' Liste in keine Build-a-Bear-Anlage führte, so lebten die Kindheitserinnerungen wieder auf, als ich das Perückengeschäft mit einem Anfall von Nostalgie betrat. Mit großen Augen schritt ich die Ständer und Vitrinen mit Perücken ab. Je näher ich kam, desto riesiger und eindrucksvoller wirkten die zig Anrichten. Wie ein kleines Kind, das vor einem Süßigkeitenladen stand, drückte ich meine Hände gegen die Glasscheiben. Oder wie eine Pubertierende vor einem One Direction Store.

Als ich bei einer braunen Langhaarfrisur angekommen war, hielt ich einen kurzen Moment länger inne und rieb mir nachdenklich mein Kinn. Der Stoff kam mir aus einem mir fremden Grund bekannt vor... Als sich die Erinnerung zurück in mein Bewusstsein gekämpft hatte, prustete ich unweigerlich laut los und hielt mir sogleich mit beiden Händen wieder den Mund zu, als sich einige Köpfe zu mir umdrehten. Menschenköpfe, keine Puppenkopfe.

Als Kind war ich ein Stofftier-Messi gewesen und hatte auch alte, etwas deformierte Teddybären mit diversen Rissen und Löchern gehabt. Und bei einem Teddy war an einer sehr intimen Stelle ein Loch gewesen. Ein Freund hatte dort einmal mein Handy reingesteckt und versteckt. Als ich es herausziehen wollte und dafür meine Hand in den Teddy gesteckt hatte, war meine Hand umhüllt gewesen von der flauschigsten Wärme, die mir je begegnet war. Seitdem hatte ich dort geheime Gegenstände versteckt und den Teddy an kalten Wintertagen als Handschuh benutzt. Aber ich war halt ein praktisch denkendes Kind gewesen und hatte mich nicht darum geschert, wie das ausgesehen haben musste. Vor allem, weil Stofftiere immer ein Dauergrinsen auf den Stofflippen hatten.

Erneut schossen mir meine vorherigen Gedankensätze in den Sinn: ich war eine Teddy-Schlampe gewesen. Wenigstens war es kein Steif-Teddy gewesen.

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?"

Eine ruhige Stimme ließ mich herumwirbeln und ich sah mich einer sehr hochgewachsenen Frau gegenüber, die mich mit in Falten gelegter Stirn musterte. Mit einer Hand hatte sie das rechte Ohr umfasst und als ich mich möglichst beiläufig etwas größer machte und mich zu ihr nach vorne beugte, erkannte ich ein schwarzes Headset. Offensichtlich war sie mit der Security der Mall verbunden. Hatte ich auf sie etwa einen gefährlichen oder komischen Eindruck gemacht?

Ich rieb mir etwas nervös den Nacken. „Nein, nein, nicht nötig", entgegnete ich ihr schließlich und bemühte mich, möglichst viel Gelassenheit in meine Stimme zu legen. „Ich habe schon gefunden, wonach ich gesucht habe und muss nur noch zahlen."

Unwillkürlich griff ich nach einer braunen Perücke, die ich zur Unterstützung meiner gespielten Freude mit einem tiefen, zufriedenen Seufzen an meine Brust drückte und schlenderte zur Kasse im hinteren Teil des Ladens.

Zu meinem Missfallen gab es in dem Geschäft nur eine Mitarbeiterin, sodass die hochgewachsene Frau mich mit zu der Kasse begleitete und mir etwas zögerlich die Perücke aus der Hand nahm.

Noch immer nervös spielte ich hinter dem Tresen mit meinen Fingern. Als der vertraute Piepton des Einscannens ertönte und kurz danach der Preis auf der kleinen Anzeige erschien, atmete ich geschockt ein und zeigte mit einer wilden Handgeste auf die Preisanzeige.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt