Klappe 13: Glasgow ~ Kevin is watching you

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Da ich im Laufe meines Lebens schon viele kultivierte und anspruchsvolle Bücher gelesen und Serien wie Spongebob oder Reality-Shows gesehen hatte, hatte ich immer gedacht, Verfolgungsjagden würden Spaß machen, weil derjenige, der jemanden verfolgte, meistens von einem Felsen überrollt oder durch Dynamit in die Luft gesprengt wurde (und danach noch lebte). Aber Harry wirkte fitter denn je. Und wenn ich nicht mein Bonbon aus der Tasche und Harry vor die Füße geworfen hätte, sodass er ausrutschte und gegen die Palme knallte (so etwas nannte man auch einen "natürlichen" Tod), wäre ich schon längst ein verstümmeltes Mädchen.
Auf der Suche nach der Tür zum Treppenhaus, rannte ich weiter den Hotelflur entlang und ignorierte mit einem sehnsüchtigen Seufzer den Wagen mit verdeckten Essenstellern, den eine Bedienstete durch den Gang schob. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass der Flur sein Ende erreicht hatte, genauso wie meine Hoffnung auf das Leben als ein freies und vor allem in ganzen Teilen vorhandenes Mädchen.
Ich stieß kurz einen entsetzten Schrei aus, ehe ich mit beiden Händen die Wände abtastete, um irgendeinen Schalter auszulösen, der die Wand samt mir umdrehte oder wenigstens ein Kraftfeld zwischen Harry und mir errichtete.
Als ich bemerkte, dass alles zwecklos war, drehte ich mich langsam und ängstlich um. Harry kam mit erhobenem Haupt und einem spöttischen Grinsen auf mich zu. Nur die Tatsache, dass Harrys Gesicht durch den Rest von dem Ei und den Blättern der Zimmerpflanze verunstaltet war, ließ mich einigermaßen ruhig bleiben. Er sah wirklich aus wie ein Ei-Baum. Ein Eier-Baum besaß eine Baumkrone (Haare), Eier als Früchte sowie einen langen Stiel. Und alle Komponenten trafen auf Harry zu. Oh Gott.
Verzweifelt klopfte ich mir mit meinen Fingern auf den Bauch und hoffte, irgendeine Lösung für die Situation zu finden. Schneller als erwartet umspielte ein zufriedenes Lächeln meine Lippen und ich bedeutete Harry mit beiden Händen, stehen zu bleiben.

Er hob belustigt eine Augenbraue und legte seinen Kopf schief. „Glaubst du echt, ich hab Erbarmen mit dir? Nicht nach dem, was du Ferdinand Styles angetan hast", warf er mir vor und schüttelte gespielt verletzt den Kopf.

„Genau aus diesem Grund will ich dich warnen. Nur Ferdinand zuliebe. Er hätte nicht gewollt, dass sein Vater, seine Mutter, sein Weichei oder was weiß ich was explodiert." Ich aktivierte all meine nicht vorhandenen Schauspielkünste und sah mit angespanntem Blick nach. „Da ist eine Sprengfalle. Sobald du darauf trittst, bist du mausetot." Ich untermalte meinen Satz mit einem mehrfachen Nicken und entfernte mich noch ein Stück von der angeblichen Falle.

Harry lachte kurz auf und bewegte sich ein paar Zentimeter weiter nach vorne, was ich mit einem ängstlichen Aufschrei quittierte. „Harry!", schrie ich entsetzt und atmete so gehetzt wie eine gebärende Frau.

Harry bedachte mich mit einem irritierten und leicht besorgten Blick. „Ist was?"

Ich stöhnte genervt auf. „Harry! Hast du Kekse auf den Ohren? Da ist eine Sprengfalle. Nur zur Info: Eine Sprengfalle ist eine Falle, die andere in die Luft sprengt." Ich bekräftigte meine Wörter mit einem lauten „Bumm"-Geräusch und zeigte daraufhin auf Harry. „Du wirst so wie ein Kuchen im Backofen aufgehen. Nur noch schlimmer und dass ich dich nicht essen würde. Zumindest wahrscheinlich nicht."

Harry schlug sich grinsend auf die Stirn. „Aber du bist doch auch nicht explodiert."

Ich nickte zustimmend. „Ich bin auch grazil drüber gesprungen, weil ich genau weiß, wo ich hintreten darf und wo nicht." Unweigerlich senkte sich mein Blick von Harrys Gesicht auf eine niedrigere und vom Völkerball beschädigte Region. Als ich aufsah und Harry mir zuzwinkerte, sah ich ertappt und leicht errötet weg. Harry entfuhr ein Seufzer, ehe er direkt vor mich sprang und leider nur in meinen Gedanken wie ein Popcorn explodierte. Moment. Ich hatte Harry gerade doch nicht ernsthaft mit Popcorn verglichen.

Instinktiv schirmte ich mein Gesicht mit meinen Händen ab. „Hab Erbarmen!" Wenn ich ihn nicht sah, sah er mich vielleicht auch nicht. Doch als Harrys Hand durch meine Haare fuhr und er wohlig aufseufzte, entfernte ich langsam und mit verstörtem Gesichtsausdruck meine Hände.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt