Klappe 34: Roadtour ~ Der Dicke, die Oma und ich

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„Dad?"

Nachdem ich zig Male an die Bürotür meines Vaters geklopft und niemand geantwortet hatte, öffnete ich leise die Tür. Sofort blendete mich das Licht der hellen Tischlampe, die merkwürdigerweise nicht auf den Schreibtisch sondern in Richtung der Tür zeigte. Noch mysteriöser war allerdings die Tatsache, dass mein Vater sich den ganzen Morgen noch nicht gezeigt hatte. Normalerweise war er ein wirkliches Arbeitstier und demnach Frühaufsteher. Ganz gemäß des Mottos „Der frühe Vogel fängt den Wurm". Aber bislang hatte er noch nie einen Wurm gefangen. Außer man betrachtete mich als kleinen Wurm. Zudem hatte er zuhause in Manhattan, als wir noch außerhalb der Stadt gewohnt hatten, in einen Apfel aus unserem Garten auf einen Wurm gebissen. Es war so viel Schleim herum gespritzt, dass ich mir sicher gewesen war, dass es nicht nur Saftgoldbären, sondern auch Saft-Würmer gab.

Umso überraschter war ich, als ich Dad am Schreibtisch entdeckte. Sein Kopf war auf die Tischplatte gebettet und seine Brille hing von einem Auge schräg ab. Ich widerstand dem Drang, ein Erpresserfoto zu machen oder ihn laut aufzuwecken. Stattdessen entschied ich mich für die harmloseste Variante des Weckens: Ich schlug ihm kräftig auf den Hinterkopf. Dads Kopf fuhr schlagartig hoch und hätte ich nicht rechtzeitig reagiert, hätte sein Hinterkopf mein Gesicht erwischt. Doch als er seinen Kopf gehoben hatte, bemerkte ich die große, dunkelrote Pfütze an der Stelle, an der er zuvor noch geruht hatte. So fest hatte ich doch nicht zugeschlagen oder doch? 

Sofort machte ich einige Schritte zurück und schlug mir schockiert die Hand auf den Mund. Auch wenn mein Vater noch lebte, konnte es sein, dass er wegen mir unter Gehirnblutungen litt und jeden Moment schlagartig verreckte. Aber ein kleiner, sehr diabolischer Teil meines Gehirns flüsterte mir zu, dass ich womöglich über Nacht zu einem Helden mit Superstärke mutiert war. Das wäre mega cool, was sogar mein rationaler Verstand zugab. Doch ich wollte nicht auf Kosten meines Vaters zum Superhelden werden.

„Dad, bist du okay? Stirbst du gerade? Oh mein Gott, ich bin schlagfertig geworden!"

Mein Vater runzelte die Stirn und sah mich verwirrt an. Als er meinem schockierten Blick folgte und die Blutpfütze entdeckte, lachte er kurz erleichtert auf. Sein Lachen ging jedoch sogleich in ein langes, ausgiebiges Gähnen über.

„Das ist doch kein Blut, Megan." Er beugte sich über die Blutlache und leckte kurz darüber.

Vorsichtig schlich ich an der Wand entlang in Richtung Tür, meinen verrückten Vater immer im Visier. „Du bist ein Vampir!"

„Was? Oh Gott nein. Das ist nur Traubensaft."

Ich musterte ihn, mein Gesicht war noch immer durch Skepsis gezeichnet. „Was für Traubensaft?"

„Spielt das eine Rolle?

Ich nickte.

„Keine Ahnung, Megan. Johannisbeere?"

„Ist das eine Frage oder eine Antwort?"

„Ja?"

„Schon wieder! Ich will eine klare Antwort."

„Ja, es war Johannisbeere. Wieso?"

Ich seufzte frustriert. „Weil ich noch nichts zum Frühstück und demnach gehofft hatte, dass es Kiba-Saft gibt. Kirsch-Bananen-Saft ist so perfekt. Du hast einmal die saure und süß-fruchtige Kirschnote und dazu noch das milde, samtige Aroma der Banane. Und die Banane liefert eine gute Menge an Vitamin B6 und Kalium für den Knochenbau."

Mein Vater betrachtete mich einige Momente resigniert. Seine Miene war wie versteinert und er hatte ein Pokerface aufgesetzt, das trotz seiner Nüchternheit angsteinflößend war. Er konnte zwar nicht pokern und ich hatte meinen Vater schon unzählige Male geschlagen (nicht nur körperlich, sondern bei Spielen), aber sein Pokerface war einfach unverbesserlich. Die Minions wären stolz auf ihn.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt