Klappe 27: Manhattan ~ Eine bärenstarke Überraschung

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Ich hatte nie an eine überirdische, seelische Verbindung geglaubt. Immer hatte ich es mit einem abstreitenden Seufzer oder einem (etwas verzweifelten) Fressanfall verleugnet, dass es eine gewisse Energie oder Aura zwischen zwei Personen gab, die man wie einen materiellen Gegenstand fast greifen konnte. Aber in dem Augenblick fühlte ich mich wieder komplett, vervollständigt und ausgefüllt. Dass es so jemanden wirklich gab, den ich von ganzem Herzen liebte, hätte ich nie von mir erwartet. Aber er gab mir leibhaftig das Gefühl, etwas Besonderes und die Einzige für ihn zu sein. In seiner Nähe fühlte ich mich begehrenswert, frei und zur gleichen Zeit auch dazu gezwungen, bei ihm zu sein, was ein einziges emotionales Paradoxon war. Aber alles in mir fühlte sich zu ihm hingezogen und als ich ihn vor mir erblickte, verzehrte sich alles in mir nach seiner Nähe. Wie ein Neugeborenes streckte ich meine Hände nach seinem perfekten Körper aus, der nach all den Jahren noch immer dieselben Traummaße hatte. Ich begehrte und liebte ihn von ganzem Herzen. Meinen Mr. Bär. Das beste Kuscheltier überhaupt.

„Ich habe dich ja so vermisst, mein Kleiner", murmelte ich mit meinem Mund an seiner Stirn und ich musste kurz von dem Fell an meiner Nase niesen. Staub. Der Lümmel hatte sich die drei Monate, in denen ich weggewesen war, wirklich nicht geduscht. Typisch Mann. Er war zwar bärenstark, aber er erinnerte mich in dem Moment mit seinem tierisch schlampigen Verhalten an ein wildes Tier.

„Du hattest beim Abschied gesagt, ich soll deine Sachen nicht anfassen. Also habe ich dein Zimmer nicht betreten, Megan", lachte meine Mutter hinter mir, die sich gegen den Türrahmen gelehnt hatte und mich mit verschränkten Armen ansah.

Kurz warf ich ihr einen schrägen Blick zu, ehe meine Miene wieder weicher wurde und ich ihr Lächeln erwiderte. Ich hatte sie so vermisst, auch wenn mir das während der Reise nie so bewusst gewesen war. Endlich merkte ich mir mein Alter wieder an. Und dass ich noch etwas fühlte und nicht betäubt war, grenzte in dem Moment wirklich an ein kleines Wunder, da ich gerade erst gelandet und nach Hause gekommen war, sodass mein Blut von dem ganzen Koffein in meinem Körper noch zu pochen schien. Es fühlte sich an wie kohlensäurehaltiges Wasser, das in meinen Adern sprudelte. Deswegen waren auf der Autofahrt zu unserem Appartement in Manhattan auch all die Erlebnisse der letzten Wochen aus meinem Mund gesprudelt wie eine Fontäne. Aus dem Grund fühlte ich mich auch wie die weibliche Inkarnation von Theodor Fontane. Nur schöner, witziger und lebendiger.

„Danke, Mum. Ich habe mich auf den Staub fast so sehr gefreut wie auf dich." 

Mein Blick fiel kurz auf meinen Fernseher, dessen Bildschirm ebenfalls von einer dicken Staubschicht bedeckte war. Jedoch hatte dort jemand mit den Fingern die Worte „Welcome back, Meg" reingeschrieben. Also war sie doch in meinem Zimmer gewesen. Lügnerin.

Meine Mutter, die meinen überraschten Gesichtsausdruck wohl bemerkt hatte, hob unschuldig ihre Hände und zuckte mit den Schultern. „Ich konnte nicht widerstehen."

„Du hast Glück, dass sich das reimt. Reime sind toll und immer eine anständige Entschuldigung." Mit einem zufriedenen Seufzer ließ ich mich rücklings auf mein Doppelbett fallen und schloss die Augen. Eine Welle an Nostalgie überflutete mich und wäre ich eine Katze, hätte ich in dem Moment auf alle Fälle angefangen zu schnurren. Sweet Home.

„Ruh dich etwas aus, Megan. Du hattest einen langen Flug und morgen ist ein großer Tag."

Sofort schlug ich meine Augen wieder auf und wäre das Kissen unter meinem Kopf nicht so bequem und flauschig gewesen, hätte ich mich hochkant aufgerichtet.

„Mum, du weißt besser als alle anderen, wie sehr ich Geburtstage hasse. Wenn du irgendetwas Besonderes planst, was nichts mit Essen zu tun hat, dann schlag dir das bitte aus dem Kopf." Ich sah ihr flehend in die Augen und auch wenn sie langsam nickte, konnte ich erkennen, dass in ihren Augen der Schalk aufblitzte und sie leicht auf ihre Unterlippe biss. Sie verheimlichte mir etwas, das merkte ich sofort. „Okay", fügte ich bestimmend hinzu, „streich das „bitte", das ist ein Befehl."

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt