Klappe 33: Oberhausen ~ Golfka(ka)rt

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Entgegen meiner Erwartungen blieb die Party unkommentiert. Weder in den Medien noch bei dem Tour-Team wurde meine Geburtstagsparty großartig erwähnt. Und was noch viel wichtiger und eine größere, semantische Dimension einnahm: Mein Dad wollte nichts über die Feier wissen und ließ mir meinen Freiraum. Kurzzeitig überkam mich die Angst, dass das Haus doch verkabelt gewesen war und er alles mitangesehen hatte. Das würde sein Stillschweigen erklären. Vielleicht hatte er auch wie Big Brother die Fäden in der Hand gehabt und die verschiedenen Erlebnisse arrangiert. Das würde zumindest das Hühnerkostüm, die Hühner und die sonstigen Requisiten erklären. Womöglich war es sogar mein Vater gewesen, der Louis den Floh ins Ohr gesetzt hatte, alles als einen Morgen nach einem Hangover aufzunehmen. Fortan würde ich wohl immer Louis' Ohr überprüfen müssen, ob darin nicht wirklich eine Kamera oder ein Spion meines Dads installiert war, der ihm heimlich Regieanweisungen zukommen ließ. Wenn dem so war, dann war es mein Dad, der hinter Louis' surrealen und abstrusen Ideen steckte. Diese Tatsache würde ich wohl kaum verkraften.

Als die Jungs und ich gemeinsam nach Deutschland geflogen waren, begrüßte mich unser Team mit herzlichen Umarmungen. Paul wirbelte mich durch die Luft, während Lou mir eine große Schachtel mit Pralinen überreichte. Auf der Busfahrt zur Arena erbarmte sich sogar Bob, unser Busfahrer, zu einem trockenen "Happy Birthday" und überreichte mir ein Bündel Essiggurken. Dabei sah ich ihn zum ersten Mal in meiner Gegenwart lächeln. Anscheinend sollten die Gurken eine Retourkutsche (in Anbetracht der Tatsache, dass er Busfahrer war, sollte ich wohl eher von einem Retourbus sprechen) für mein freundliches Begrüßungsgeschenk sein. Doch da die Gurken zeigten, dass er an mich gedacht hatte, nahm ich sie mit einem aufrichtigen Lächeln an mich.

Danach lief alles wie gewohnt ab. Die Jungs probten direkt für das nächste Konzert in Oberhausen und mein Dad lief ihnen dabei entweder mit der Kamera hinterher oder verbarrikadierte sich in einem Büro. Dass er an jedem Ort direkt ein Büro zugewiesen bekam, verwirrte mich jedes Mal aufs neue. Vielleicht hatte er insgeheim eine Person als "Bürobeschaffer" engagiert. Das war sicherlich ein toller Beruf. Wenn es mit dem Studium nicht klappte, war das mit Sicherheit eine probate Alternative. Daneben standen bereits die Berufe als Kuhfriseur, Bierfotograf, Sugarbabe und Skorpionmelker auf der Liste potenzieller Jobs. Zu einem davon sollte ich es mit Sicherheit schaffen. Vor allem zum Sugarbabe wurde man leicht, da es dazu unzählige Webseiten wie mysugardaddy oder richmeetbeautiful gab. 

Nachdem ich die Interviews für die kommenden Tage vorbereitet und etwas Papierkram erledigt hatte, gönnte ich mir eine kleine Pause. Während die anderen aufgeregt und vor Stress aufstöhnend um mich herum liefen, ließ ich mich auf eins der Sofas inmitten des Vorbereitungsraums nieder und scrollte durch Social Media. Mein Dad hatte mich darum gebeten, gelegentlich den Twitter Account der Jungs zu pflegen. Zwar weigerte ich mich noch immer, in ihrem Namen mit den Fans zu kommunizieren, aber schwarzlesen war meiner Meinung nach nicht verboten. Ich betrachte es eher als Grauzone in meinem moralischen Kodex. Obwohl man beim Schwarzlesen wohl eher von einer Schwarzzone sprechen sollte, doch das klang rassistisch.

Als ich mir diverse Tweets und Nachrichten durchgelesen hatte, wurde ich auf ein paar Fotos aufmerksam, die alle den gleichen Inhalt zeigten und mit dem Namen Josh Devine getaggt waren. Ich hatte bisher nicht viel mit Josh unternommen, aber die kurzen Gespräche, die wir geführt hatten, waren vielversprechend und sympathisch gewesen. Einmal hatten wir uns in einer Konzertpause über das Träumen unterhalten und dabei hatten wir festgestellt, dass wir beide schon versucht hatten, die Fähigkeit des luziden Träumens zu erlangen. Mittels gezielter Techniken konnte man sich beim Träumen bewusst machen, dass man schlief und so alles um sich herum steuern und beeinflussen. So war man gewissermaßen der Regisseur des eigenen Traums. Aber der Weg dahin war lang und beschwerlich und ich hatte nach einer Woche mit wenig Schlaf aufgegeben. Doch es wäre so toll gewesen, ein eigenes Königreich im Traum zu regieren. Man konnte tun, was man wollte. Ob fliegen, auf essbaren Einhörnern Himmel-Quidditch spielen oder jeden um sich herum töten, bevor sie wieder auferstanden. Ich hätte mir sogar die Jungs herbeiträumen und als Narren an meinem königlichen Hof halten können. Obwohl es mir auch in der Realität manchmal so vorkam.
Als ich Josh meine letzte Idee unterbreitet hatte, hatte er sich nicht verstört aus dem Staub gemacht, sondern meiner Idee unter der Bedingung zugestimmt, das Sorgerecht für die Jungs gleichberechtigt aufzuteilen. Er würde sie an Neujahr, Ostern, Chanukka und dem 2. Weihnachtstag zur Bespaßung bekommen und ich dagegen am ersten Weihnachtstag, dem 4. Juli, Halloween und dem 21. Januar. Das war der Tag des Eichhörnchens, der Jogginghose sowie der Weltknuddeltag. Das empfand ich als eine sehr faire Zuteilung.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt