Klappe 42: Lissabon ~ Wetten, dass ...

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Als Kind hatte ich es geliebt, mit Decken und Wäscheklammern kleine Höhlen zu bauen und mich darin zu verkriechen. Könnte ich auch nur annähernd zeichnen und würden meine Fähigkeiten sich nicht auf das Zeichnen eines verkrüppelten Strichmännchens beschränken, hätte ich tatsächlich die Laufbahn eines Architekten in Erwägung gezogen. Immerhin waren meine Häuser bei „Sims" nie eingestürzt (weil das auch nicht möglich war) und Häuser, die an Deckenburgen oder das Knusperhäuschen aus dem Märchen erinnerten, würden auf dem Immobilienmarkt sicher wie Luxusvillen an den Mann gebracht werden (oder an die Frau, wenn man (oder frau) sich politisch korrekt ausdrückte).
Und wahrscheinlich sprach ich für alle Kinder, wenn ich behauptete, dass jeder sich schon in verrückte Bauten hineingeträumt hatte. Sei es der Wunschtraum, einmal in einem Schloss aus Zuckerwatte eingemauert zu sein, aus dem man sich herausfressen musste oder die Vorstellung, in einem lebensgroßen Burrito eingerollt zu sein, der einen in einer wohligen und nach Fett duftenden Wärme wiegte. 

Aber ich sprach sicher auch im Namen der Mehrheit, wenn ich behauptete, dass niemand sich wünschte, in einer riesigen Diskokugel gefangen zu sein, die überall grell strahlendes Licht absonderte und einen in eine nie davonziehende Wolke aus Menschenschweiß, Alkoholfahnen und seltsamerweise Frittierfett einlullte. Warum letzteres in meine Nase zog, als wir den Lissabonner Club betraten, war mir noch Tage danach ein Rätsel. Entweder bewahrte jemand eine Flasche Frittierfett direkt neben seiner Shampooflasche in der Dusche auf und hatte beides verwechselt, oder jemand hatte solch eine Langeweile gehabt, dass er versucht hatte, sich selbst zu frittieren. Ich hoffte einfach, dass es keine Frau war, die den Lebenstraum verfolgte, das Gericht „Hot Chicken" auf eine neue Bedeutungsebene zu heben. 

Obgleich wir noch Bewegungsfreiheit hatten, als wir den ersten Raum der Location betraten, fühlte ich mich sogleich wie eine Sardine in einer Dose. Anscheinend war der Fettgeruch bereits in meinen Kopf eingezogen, wenn ich alles um mich herum mit Essen verglich und damit wieder beim Thema Kannibalismus war. Oh Gott, vielleicht war es wirklich Eleanor, die ein Fettbad genommen hatte, um mich auf den Geschmack von Essen zu bringen und so meinen Hunger auf gewisse Dinge wie Shane zu aktivieren. Aber da hatte sie sich definitiv geschnitten (wieso dachte ich schon wieder an geschnittenes Brot und Sandwiches?), denn ich hatte vorsichtshalber im Van gegoogelt, wie weit die nächste McDonalds-Filiale entfernt war und bereits im Hotelzimmer eine Karte mit Rabatt-Coupons in meine Clutch gestopft... oder geclutcht. Niemand konnte mir also vorwerfen, dass ich mich nicht auf das ungewollte Date vorbereitet hatte.

Ein leichter Stoß in meine Rippen beförderte meine Gedanken zurück in die Realität und meinen Blick in Richtung Zayn. Dieser fing meinen überraschten Blick auf, bevor er in Richtung der Theke nickte und seine Hand an seinen Mund setzte. Seinem Wink folgend begleiteten Niall und ich ihn zum Bartresen, während sich die anderen zum VIP-Bereich aufmachten, wo sie eine Lounge reserviert hatten.

„Wieso bestellen wir nicht am Tisch?", fragte ich verwundert und ließ mich auf einem der letzten freien Hocker nieder.

„Weil", meinte Zayn und machte eine kurze Pause, um einem der Barkeeper ein Handzeichen zu geben, „Niall, ich und hoffentlich du einen Plan verfolgen, den wir durchsprechen müssen."

„Einen Plan?", hakte ich mit hochgezogener Augenbraue nach, während meine Augen die Getränkeliste abscannten, die den Preis nicht in Zahlen, sondern in McDonalds-Gerichten lasen. Wow, die Getränke waren wirklich teuer. Für ein Glas Pinot noir bekam ich zwei große McMenüs.

Plan ist wohl das falsche Wort. Wir haben für heute sozusagen eine ... Undercover-Mission laufen. Wir beide haben Wetten darauf abgeschlossen, ob und wenn ja, mit wie vielen Mädchen Harry heute rummacht", klärte Niall mich auf und während sein Gesicht ein breites Grinsen zeigte, das durch die rötliche Beleuchtung beinahe sardonisch anmutete, konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich amüsiert oder schockiert sein sollte.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt