Klappe 40: Lissabon ~ Traummann gesucht

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Im Leben einer Frau gab es gewisse Momente, die das eigene Leben schlagartig änderten. Neben der Einschulung, der ersten Periode oder dem Schulabschluss zählten dazu auch der erste feste Freund, der Hochzeitstag und die Geburt des ersten Kindes. Für mich gehörten auch weitere Stationen wie das erste Handy oder das erste Mal bei einem All-You-Can-Eat-Buffet dazu; immerhin markierte die Geburt eines Food-Babys auch einen wichtigen Moment, der genauso stressig sein konnte wie eine echte Geburt. In gewisser Weise presste man bei beiden Gelegenheiten etwas aus sich heraus und für mich als wenig kinderfreundliche Person stanken beide Endprodukte gleichermaßen.
Aber neben positiven Lebensabschnitten gab es auch immer negative Momente, die einen stark belasteten und deren Erfahrung einiges an Mut, Willenskraft und Selbstbewusstsein erforderten. Und einer solchen Situation stellte ich mich, als nach dem Konzert in Portugal zwei Wochen lang keine Konzerte stattfinden würden, bis es in meine Heimat, die Vereinigten Staaten, ging.

Während die Jungs in der Halle für das Konzert am Abend probten, saß ich mit Eleanor im Backstage-Bereich. Wir hatten das große, rostbraune Ledersofa in Beschlag genommen und beobachteten die vorbeihuschenden Mitarbeiter, die uns aufgrund unserer bestellten Familienpizzen mehrmals neidische Blicke zuwarfen. Aber wenn sie nun erwarteten, dass wir ihnen im Gegenzug ein Stück Pizza zuwarfen, dann irrten sie sich gewaltig.

„Mir ist laaaangweilig", murrte ich leise, während ich auf meinem Handy einen Artikel mit dem Titel „Was tun gegen Langeweile" las. Und überraschenderweise half mir der Tipp, dass ich etwas lesen solle, nichts, immerhin langweilte mich bereits der Beitrag.

„Hm", machte Eleanor, während sie in Lichtgeschwindigkeit etwas auf ihrem Handy tippte und gleichzeitig an dem Strohhalm in ihrer Cola nippte. Nach einigen Sekunden wandte sie ihren Kopf in meine Richtung, als ich bereits geplant hatte, die von der Pizza heruntergefallenen Oliven auf sie zu werfen. „Weißt du, was ich mich schon länger frage?"

„Warum du mit Louis zusammen bist?", fragte ich und machte einen unschuldigen Augenaufschlag, den Eleanor mit einem amüsierten Lacher quittierte. 

„Nein, auch wenn er mir mit seinen komischen fünf Minuten schon öfter den Gedanken eingepflanzt hat." Aufgrund ihrer Worte manifestierten sich direkt Bilder vor meinem inneren Auge, wie Louis erst eine Hand voll Erde in ihr Ohr schüttete und danach ein paar Samen hinterher schob. „Warum bist du eigentlich single und gehst nie auf Dates?" 

Mein Kopf schnellte zu ihr, was Eleanor grinsend zur Kenntnis nahm. Die Langeweile war gerade definitiv verschwunden, wenngleich mir die Weile nach ihrer Frage sehr lange vorkam. 

„Ich meine, du bist in so vielen Ländern und unter so vielen Menschen. Da muss doch jemand dabei sein. Wer ist dein Typ?" Eleanor legte ihr Handy endlich an die Seite, bevor sie sich auf dem Sofa gerade aufrichtete und mich mit einem viel zu intensiven Blick beobachtete, unter dem ich mich immer unwohler fühlte. Nervosität machte sich in mir breit, während ich ihrem Blick bewusst auswich. 

„Gute Frage. Ich würde sagen... männlich", erwiderte ich stumpf und grinste in mich hinein, ehe ich gespielt interessiert auf den Bildschirm meines Smartphones starrte.

El neben mir schnalzte frustriert mit der Zunge. „Ach nee."

„Wer sagt denn überhaupt, dass ich single bin?", warf ich nach einigen Sekunden der Stille ein, die Eleanor mit neugierigen Blicken auf mich verbracht hatte, während ich meinen nervösen Gedanken nachhing.

„Direkt keiner. Aber indirekt konnte ich es mir nach deinem letzten kleinen Musikständchen denken. Oder kannst du dich nicht mehr an deinen Chips-Song von neulich erinnern?"

Nun legte auch ich empört mein Handy an die Seite und bedachte die Brünette mit einem Wie-kannst-du-das-nur-sagen-Blick. „Natürlich erinnere ich mich. Der Song ist einfach nur ein Meisterwerk in Sachen epochaler und tiefgründiger Lyrik", entgegnete ich stur und mit hochgehobenem Kinn, bevor ich mich kurz räusperte, um meinen vom Essen trockenen Hals auf einen stimmlichen Höhepunkt vorzubereiten. 

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt