Klappe 31: Manhattan ~ Harry und die Gefangene von Askawahn

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Der Anblick der geschlossenen Tür wirkte auf mein Gesicht wie Löschpapier: Sämtliche Emotionen waren wie ausgelöscht. Harry konnte sich dagegen nicht entscheiden, was er fühlen sollte. Aus der anfänglichen Nüchternheit war zunächst Belustigung geworden, die kurz darauf verzweifelten Zügen gewichen war.

„Megan, sag doch was."

Langsam löste sich meine Gesichtsparalyse und ich fing an, Harry dümmlich anzugrinsen. „Oh, du bist gut", lobte ich ihn und klatschte langsam in die Hände. Das Geräusch erzeugte aufgrund der Deckenhöhe ein Echo, sodass mein einsames Klatschen nach einem Orchester klang.

Harry runzelte die Stirn. „Ich will dir zwar nicht widersprechen, aber ohne Kontext weiß ich deine Aussage nicht konkret einzuordnen." Seine Mundwinkel hoben sich zwar nur Millimeter, doch das reichte aus, um mir die Mehrdeutigkeit meiner Aussage vor Augen zu führen.

„Ich muss echt sagen, dass eure Inszenierung legendär ist. Zwar weiß ich nicht, ob ihr alle unter einer Decke steckt, da man für fünf Leute eine verdammt große Decke braucht. Aber es ist alles super eingefädelt: Erst zieht Louis durch sein Auftauchen aus dem Keller meine Aufmerksamkeit auf das Untergeschoss. Dann wollt ihr ein super ödes Spiel spielen und provoziert damit, dass ich ein anderes vorschlage. Im nächsten Schritt treibst du mich mit unserem Wettlauf nicht nur an den Rand meiner Kondition, sondern auch ans Ende des Flurs. Und jetzt schließt du uns vermeintlich im gesicherten Weinkeller ohne Fenster oder sonstige Öffnungen ein. Clever gespielt, das muss ich zugeben. Auch wenn ich mir fast sicher bin, dass das hier alles auf deine Rechnung geht. Deine Rache für die Locken-Aktion im Hotelzimmer stand noch aus. Dann verstehe ich nur nicht, warum du hier bei mir hockst, anstatt mich von draußen auszulachen."

Harry hatte mich während meines Vortrags öfter zu unterbrechen versucht. Doch jedes Mal hatte ich ihm mit einem ausgestreckten Zeigefinger zu verstehen gegeben, dass er meinen Monolog nicht stören solle. Nun hatte sich eine gewaltige Menge an Wut in ihm angestaut. Er verbarg kurz seinen Kopf in den Händen. Als er wieder zu mir sah, musste er kurz durchatmen, um seine Stimme einigermaßen im Griff zu haben.

„Du erzählst absoluten Nonsens. Die Tür ist einfach zugefallen, weil sie aus schwerer Eiche ist und von den Scharnieren anscheinend automatisch zurückgeworfen wird. Wir sind hier verdammt nochmal eingesperrt, Megan. Krieg das in deinen hübschen Schädel!"

Ich winkte lachend ab. Die Scharniere in Harrys Kopf schienen auch leicht verrostet zu sein. Das war kein Wunder. So oft wie ihm Zayn auf den Hinterkopf geschlagen hatte, musste ja zwangsläufig Gehirnflüssigkeit austreten und seine Gehirnzellen rosten lassen. „Erstens kann kein Schädel hübsch aussehen, sondern nur die Haut und das Gewebe darum. Zweitens kann das doch gar nicht sein. Das hieße ja, dass wir hier gefangen sind."

Harrys Züge entgleisten kurz und er schlug seine zur Faust geballten Hände immer und immer wieder gegen die Stirn. Vielleicht versuchte er, den Rost sukzessiv wegzuschlagen. „Das habe ich doch gerade gesagt, Megan!"

Erneut konnte ich nicht anders, als loszulachen. Um mich seinem tobenden Blick zu entziehen, drehte ich mich um und schritt langsam durch den Raum. „Du kleiner Scherzkerz." Aus einer kleinen Vitrine neben dem Tisch entwand ich ein Weinglas. Danach suchte ich nach einer Flasche Wein, die am wenigsten exklusiv und teuer aussah. Der Abend kostete eh schon Unmengen an Geld, da wollte ich es mit einer luxuriösen Flasche Wein nicht auf die Spitze treiben.

„Das machst du jetzt nicht wirklich." Harry durchquerte den Raum und umrundete den Tresen in der Mitte, sodass wir uns gegenüber standen. Seine emotionslose Stimme machte mir mehr Angst als seine wutverzerrte. Allmählich bröckelte meine Überzeugung, dass die Situation nur ein Scherz seinerseits war.

„Du meinst es ernst, oder?" Langsam stellte ich die Flasche wieder auf den Tisch zurück, da ich merkte, wie sich Panik ihren Weg durch meinen Körper bahnte. Und ich wusste, dass ich bezüglich Panik wie eine geschüttelte Dose Cola war. Solange die Dose noch geschlossen und der Grund für meine Panik nicht bestätigt war, blieb ich recht ruhig. Doch sobald die Gewissheit eintrat, sprudelte ich über.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt