Klappe 38: Mailand ~ Wenn hahasoziale Menschen schlagfertige Kissen schwingen

1.5K 115 41
                                    

Katzen haben neun Leben, sagte man. Stimmte das, hatten mir meine Eltern mein ganzes Leben lang verschwiegen, dass einer von ihnen sich mit einer Katze gepaart hatte. Denn ich hatte mich an einem Tag so oft blamiert und zu Tode geschämt, dass ich nur noch eine Katze sein konnte. Ein Mensch würde solch eine Tortur wohl kaum überleben. Außer er besaß eine Dummheitstoleranz wie Louis.

Aufgrund seines buschigen Schnurrbarts hatte ich meinen Vater im Verdacht. Immerhin klang der Begriff „Schnurr-Bart" verdächtig nach einer Katze. Doch ich griff zu weit voraus.

Es war der Tag nach dem Konzert in Verona. Dad und ich hatten uns für die Nacht in das Hotel der Jungs in Mailand einquartiert und jeweils ein Zimmer gemietet. Deswegen konnte ich nicht auf Dads liebevollen Weckservice (ein Schrei ins Ohr, ein Kissen ins Gesicht oder er aß vor meinen noch geschlossenen Augen einen Frühstücksbagel, sodass ich unbewusst eine Gänsehaut bekam und aufwachte) in Anspruch nehmen.

Stattdessen erlebte ich einen dieser epischen Aufweck-Momente, die man sonst nur aus kitschigen Hollywood-Filmen kannte. Ich hatte - wie 99 Prozent der Filmfiguren - mit offenem Fenster ohne Rollladen geschlafen. Die Sonne schlich sich in das Zimmer und schloss mich mit ihren warmen Strahlen in eine herzliche Umarmung. Ein kühler Luftzug streichelte dabei mein Gesicht wie eine fürsorgliche Mutter ihr Neugeborenes. Langsam öffnete ich meine Augen, ein seliges Lächeln umspielte dabei meine Lippen. Ich wusste instinktiv, dass es ein guter Tag werden würde, der mir mit all seinen Freuden und Wonnen das irdische Lebensglück vor Augen führte.

Daher setzte ich mich langsam auf und rief aus vollstem Herzen:

„SCHEIßE ICH HABE VERSCHLAFEN! FUCK MY LIFE!"

Ich griff panisch nach meinem Handy auf dem Nachtschränkchen. Der Wecker hatte tatsächlich geklingelt und war richtig eingestellt. Aber ich musste mir für die Zukunft merken, den Weckalarm nicht auf minimale Lautstärke zu stellen. Nun hatte ich noch ganze 19 Minuten, um zu duschen, mich fertigzumachen und für einen Quickie am Frühstückstisch.

Sofort rannte ich ins Bad und wusch mich so schnell, dass ich stolz wieder aus der Dusche stieg. Wahrscheinlich hatte ich noch nie so wenig Wasser beim Duschen verbraucht. Vielleicht würde die Tatsache, dass ich neuerdings unter die Ökos gegangen war, den Ärger meines Vaters kompensieren, der mich für die Tagesbesprechung zu sich bestellt hatte. Doch mich beschlich die leise Vermutung, dass die Menge an Bacon, die ich morgendlich verschlang, meine umweltfreundliche Seite nicht gerade unterstützte.

Ein Blick auf meine Kindheit würde meiner neuen Laufbahn als Umweltschützer auch nicht gerade den Weg ebnen. Als ich mir als Kind meine erste Tiefkühlpizza selbst in den Backofen geschoben hatte, hatte das Backpapier darunter Feuer gefangen und ich hatte das brennende Papier instinktiv auf unsere Zimmerpflanzen geworfen. Immerhin war in dem Topf Wasser gewesen.

Zudem ich hatte ich einmal beim Spielen von Crocket nicht den Ball, sondern einen vorbeifliegenden Schmetterling getroffen. Das war wortwörtlich ein Schmetterball gewesen.

Und vor noch nicht allzu langer Zeit hatte ich eine Anti-Tauben-Petition unterschrieben. Die Flora, Fauna und ich waren folglich nicht die besten Freunde und wir taugten definitiv nicht dazu, als Trio die Powerpuff-Girls zu mimen und die Welt gegen Umweltverschmutzung zu schützen.

Mit einem Handtuch umwickelt ging ich zurück ins Schlafzimmer, als ein lautes Klopfen an der Zimmertür erklang. Mein Blick glitt für eine Sekunde nach unten und fixierte das kleine, leicht nasse weiße Handtuch, das nur die nötigsten Stellen bedeckte. Und wenn man wie ich auf dem gleichen Flur wie fünf weltberühmte Jungs schlief, konnte man nicht ohne Bedenken die Tür öffnen. Es konnte alles dahinter sein.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt