Klappe 17: Flughafen ~ Eine zweideutige Nacht in Bobbys Car

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Unser Flug nach Dublin würde erst am nächsten Morgen gehen. Bis zu dem Zeitpunkt fuhren mein Vater, der schlecht gelaunte Busfahrer und ich in dem einen, die Jungs und der gut gelaunte Busfahrer im anderen Bus zu verschiedenen Orten in Cardiff. Da die Jungs mehrere Termine hatten und wir deshalb immer mal wieder Pause machten, hatte ich derweil im Bus Langeweile. Doch das war noch nicht das Schlimmste. Mein Vater musste die Jungs filmen und war deswegen auch nicht im Bus. Ich war allein mit dem Busfahrer und mir zu hundert Prozent sicher, dass er mich nicht ausstehen konnte. Deswegen hatte ich besonders in der Nacht Angst vor ihm.
Vielleicht war Bob (so hieß der Busfahrer) ein Mörder, der mich nachts umbrachte. Er konnte mich einfach mit einem Kissen ersticken, obwohl dann streng genommen das Kissen der Mörder war. Schließlich drückte der Busfahrer nicht seinen Kopf auf mein Gesicht, damit ich keine Luft mehr bekam, sondern das Kissen.
Außerdem konnte er mich wie ein Big Meg- Brötchen halbieren und im Bad durch die Öffnung der Toilette stecken. So würde es den Anschein erwecken, als ob mich die Klimaanlage im Bad aufgesogen, mit den Ventilatorendrehteilen zu Gehacktes verarbeitet und dann in die Kloschüssel gewirbelt und runtergespült hätte.
Eigentlich war dies das typische Leben eines Big Macs/ Megs. Erst wurde das Wild gefangen und zerhackt. Dann wurde es vom Mund der Person aufgesogen und dann am nächsten Morgen im Bad hinunter gespült. Mein Dad behauptete sogar immer, er hätte mit dem Dokumentarfilm über One Direction ein großes Geschäft an Land gezogen. Wenn der Busfahrer mich zerhackte, dann war ich auch ein großes Geschäft.

Und um dem vorzubeugen, beschloss ich mich mit dem Busfahrer anzufreunden. Von meiner Bettkabine des Busses aus beobachtete ich Bob, der auf dem Fahrersitz saß und in irgendeine Zeitung vertieft war. Etwas erleichtert atmete ich aus und rückte auf meinem Bett noch etwas weiter nach hinten in die Nische. Gott sei Dank war Bob noch nicht darin vertieft, meinen Tod zu planen. Und Gott sei Dank war er auch in nichts anderem vertieft, zum Beispiel mit den Zähnen in meiner Schokolade. Ich spielte mit dem Gedanken, ob ich Bob als freundliche Geste meine Schokolade anbot. Doch das Problem war, dass ich Leuten, die ich nicht mochte, keine Schokolade geben konnte. Denn meine soziale Seite ließ es nicht zu, eine wehrlose, süße, kleine Tafel Schokolade an einen großen, vielleicht bösen und dazu noch sauren Mann auszuliefern. Das war einfach nicht richtig. Süßes gehörte zu süßen Personen. Saures zu sauren Personen. Ich konnte Bob eine saure Gurke geben. Obwohl er sie theoretisch schon besaß. Oh Gott.
Mein Gesicht verzog sich bei dem Kopfkino und ich stand schnell auf, um nicht weiter darüber nachzudenken. Aber da man bei Männern immer Pluspunkte bekam, wenn man ihnen Essen brachte, begann ich möglichst ruhig und gelassen zum Kühlschrank zu gehen. Dabei wanderte mein Blick zu Bob. Zwar saß er mit dem Rücken zu mir vorne auf dem Fahrersitz, aber ich bemerkte seinen Blick im Rückspiegel, der unverkennbar auf mir lag. Unweigerlich fing ich an zu grinsen und lobte mich innerlich. Bob hatte realisiert, dass ich zum Kühlschrank wollte. Er war also hungrig.
Als ich die Kühlschranktür aufmachte und nach irgendetwas Gutem für Bob suchte, fand ich wirklich ein Glas Essiggurken von meinem Dad. Bob würde sie sicherlich auch mögen.
Ich suchte in den Schubladen nach einer Gabel und fischte mir eine Gurke heraus, die ich anschließend in ein Taschentuch wickelte. Mit ihr in der Hand und einem freundlichen Lächeln auf den Lippen ging ich nach vorne zum Busfahrer und setzte mich langsam neben ihn auf den Beifahrersitz.

Bob hatte seine Lektüre inzwischen sinken lassen und sah abwechselnd zwischen mir und der Gurke in meiner Hand hin und her.

„Hier für Sie", meinte ich freundlich zu ihm und streckte ihm die Gurke entgegen.

Bob wich mit dem Oberkörper nach hinten und musterte mich mit perplexem Gesichtsausdruck.
„Was zum Teufel soll ich damit?", fragte er gereizt.

„Essen. Sie können sie natürlich auch noch abtropfen lassen, damit die Gurke nicht ganz so vollgesogen mit Essig ist. Jedenfalls dachte ich, dass Sie nach der ganzen Fahrt hungrig sind und da ich ja eine nette Person bin, wollte ich Ihnen etwas zu essen bringen", erwiderte ich immer noch in freundlichem Tonfall, obwohl ich seine offene Abneigung mir gegenüber trotz meines Geschenkes nicht mochte.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt