Klappe 5: London ~ Teletubbies und Big Meg

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„Hihi, es schaukelt hin und her. Schneller, riesiges Eichhörnchen. Ich will schneller reiten!“, kicherte ich und drehte mich etwas zur anderen Seite.

„Megan, ich bin weder ein Eichhörnchen noch gibt es so große Exemplare. Jetzt steh einfach auf, ja? In einer halben Stunde brauche ich dich beim Filmen der Jungs.“ Kurze Zeit später wurde ich leicht auf meine Wange geschlagen und ich zuckte zusammen. Mit sehr viel Willensanstrengung schaffte ich es, meine Augen etwas zu öffnen. Etwas Schlafsand hatte meine Augenlider verkrustet.

„Ja, ich mach schon“, meinte ich schlaftrunken und setzt mich grummelnd auf. „Wie spät?“ Langsam schaffte ich es, die vom Schlafen noch etwas schlaffen Glieder zu ne und mich aufzusetzen. Mit glasigen Augen sah ich meinen Dad vor mir stehen. In seiner Hand hielt er ein großes Kissen, das bedrohlich hin- und herschwang, wie ein weicher und flauschiger Morgenstern.

„Zu spät für dich.“

„Ich mach schon. Dad, leg die Waffe weg. Bitte!“ Ängstlich hielt ich die Hände vor meine Augen, während meinem Dad ein lauter Seufzer entfuhr. Darin schwangen unverkennbar Hoffnungslosigkeit und die Erkenntnis mit, dass aus mir keine Film-First-Lady werden würde.

„Schon mal was von Kissen gehört?“

„Ja, aber das ist kein Kissen. Es ist höchstens ein als Kissen getarnter Morgenstern.“ 

Dad schlug sich augenrollend auf die Stirn und bei dem Geräusch zuckte ich zusammen. Er tat meiner geliebten Stirnfalte gerade Gewalt an. Wenn ich nicht noch im Halbschlaf gewesen wäre, hätte ich die Stirnfalte verteidigt, aber ich war zu müde. Und Müdigkeit machte mich zu einem Schwächen und wehrlosen Wesen, das Stirn-Gewalt tolerieren musste.

„Noch achtundzwanzig Minuten. Beeil dich!“, mahnte mich mein Dad. Er schmiss mir das Fake-Kissen an den Kopf und ließ mich mit meinem theatralischen Ich-verblute-Anfall allein. Nachdem ich meinem dramatischen Charakterzug Genüge getan hatte, grummelte ich einmal laut und schlurfte in das Bad des Hotelzimmers, wo ich mich fertig machte.

„Und die Jungs sind schon seit Stunden auf den Beinen und geistern hier herum?“, fragte ich ungläubig, als wir durch den Backstage-Bereich der o2-Arena liefen. Dabei kamen mir sehr viele Leute entgegen, die teilweise hektisch und gestresst, teilweise ruhig und gesittet wirkten.
Daran konnte man in den meisten Fällen erkennen, wie viele Konzerte man bereits erlebt hatte. Bei dem ersten Konzert glich man als neuer Mitarbeiter einem anfälligen Zelt, das bei einem kleinen Sturm bereits wegefegt wurde. Nach einer Weile entwickelte man eine gewisse Ruhe und Selbstsicherheit, die man metaphorisch mit einem stabilen Gebäude aus Stein gleichsetzen konnte. Wow, mein neues arbeitendes Ich zeigte erste intellektuelle Züge. Wahrscheinlich werde ich am Ende als neuer Aristoteles der Tour-Kunst gefeiert. Doch momentan fühlte ich mich relativ ruhig und entspannt, da es normalerweise keine Folgen für das Konzert hätte, wenn ich mich falsch verhielt. Wenn jedoch einer der Lichtspezialisten einen Fehler machte und das Licht auf einen der Jungs aus Versehen so stark leuchtete, dass er für immer erblindete, wäre das nicht gerade vorteilhaft. Noch schlimmer musste die Aufregung bei einem der Leute sein, die die Bühne steuerten. Die Manager würden es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gutheißen, wenn Louis durch eine herunterstürzende Lampe der Karotten-Schäl-Finger abgetrennt werden würde, da sie dann zusätzliches Geld für einen Karotten-Schäler ausgeben müssten. Oder für ein Kaninchen, das die Karotten schälte. Immerhin verlangten Kaninchen in der Regel nicht so viel Gehalt wie ein Mensch. Hatte ich zumindest gehört. Vielleicht waren Kaninchen aber auch geldgeile Kapitalisten.
Jedenfalls war ich nur für eine der vielen Kameras zuständig, die bei falscher Bedienung eigentlich nichts schlimmes anrichten konnten. Eigentlich.

Wir hielten schließlich vor einer schlichten grauen Tür, die mir mein Dad galant offenhielt. Ich machte einen kleinen Knicks und schritt an ihm vorbei. Unter dem Türrahmen blieb ich kurz stehen und beäugte das kleine, rechteckige Schild, auf dem „Morgan Spurlock – Director“ stand.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt