Klappe 22: Paris ~ Game of Scones

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Es war wirklich unglaublich, wie schnell ein Monat auf Tour umging. Früher auf der High School hatte ich immer das Gefühl gehabt, in einem temporalen schwarzen Loch zu sitzen, das alles verschlang. Die Zeit, meine gute Laune und meine Seele.
Auch wenn ich schon seit meiner Kindheit eigentlich keine wirkliche Seele mehr besaß. Die hatte ich bereits des öfteren an den Teufel für Süßigkeiten verkauft. In der Pubertät hatte ich dann versucht, im Gegenzug für meine (bereits verpfändete) Seele die von Orlando Bloom zu bekommen. Aber leider waren meine Versuche immer vergeblich, was ich mir nur so erklären konnte, dass der Satan entweder nicht existierte, mich aufgrund meiner nervigen Versuche ignorierte oder Orlando Blooms Seele bereits für sich selbst beanspruchte. Wer wusste schon, ob der Teufel in Wahrheit nicht weiblich oder schwul war.

Jedenfalls vergingen die folgenden Wochen nach dem Streich unglaublich schnell, was vielleicht auch daran lag, dass Dad mich mehr in die Regiearbeiten einbezog und ich auch die restliche Crew näher kennenlernte. Vor allem mit Paul entwickelte ich eine Art Big Brother-Beziehung. Natürlich stalkte er mich nicht mit tausend Kameras (was ich zumindest hoffte), aber wir verstanden uns ziemlich gut. 

Die Jungs gaben noch einige Konzerte in Großbritannien und Schottland, bis es Ende April endlich nach Frankreich ging; dem Land des Baguettes, der besten Süßspeisen der Welt und der unrasierten, naturschönen Frauen. Ob es sich bei letzterem nur um ein Vorurteil handelte, würde ich bald sehen. Ich hoffte nur, dass man nicht auch von mir erwartete, in der Evolution eine Stufe zurück zu gehen und an gewissen Stellen flauschiger zu sein.
Auch wenn es veraltet war, unter den Armen Haare zu tragen, so konnte ich dem Körpertrend durchaus positive Aspekte abgewinnen. Erstens sparte man täglich Zeit unter der Dusche und zweitens hatte man auf diese Weise immer ein tragbares Kissen zur Hand. Wollte man im Bus oder der U-Bahn ein kurzes Nickerchen halten, konnte man einfach seinen Arm hochheben und irgendwo dranlehnen, um dort seinen Kopf zu betten. Also ein tragbares, natürliches und ewig haltendes Kissen. Andererseits konnten die Haare schnell jucken, kratzen oder einem das Gefühl geben, ein haariges Tier säße unter den eigenen Armen. Nicht, dass irgendwann die Tierschützer hinter mir her waren.

Doch als wir in Paris ankamen, verflogen sämtliche Gedanken rund um Stereotypen und Körperbehaarung, denn sofort begann wieder die Arbeit für das Konzert am Abend. Während die Jungs gerade in der Palais Omnisports de Paris-Bercy-Halle probten, saß ich, mit dem Laptop meines Vaters auf dem Schoß, in der ersten Reihe der Sitzplätze. Mein Vater hatte mir diverse Kleinaufträge gegeben, wie die Tagesprotokolle der letzten Tage zu schreiben und Interviewfragen für verschiedene Personen vorzubereiten. Dazu gehörten neben den Jungs selber auch andere Crewmitglieder sowie nähere Verwandte. 

Besonders bei Louis' Mutter wollte mir einfach keine angemessene, originelle Frage einfallen. Das Einzige, was mir in dem Moment in den Sinn kam, war die Frage: „Haben Sie, als Sie mit Louis schwanger waren, zu viel Eis gegessen oder warum kommt es einem so vor, als ob Louis' rational denkende Gehirnhälfte ständig außer Kraft und auf Eis gelegt sei?" 
War so etwas wohl möglich? Wenn ja, dann sah ich einer Schwangerschaft mit noch mehr Angst entgegen. Neun Monate ohne Eis?

Sonst bin ich doch auch nicht so unkreativ, dachte ich verzweifelt. Ich schob den Laptop von meinen Knien und legte meinen Kopf seufzend in den Nacken, während ich mir durch meine Haare fuhr. Als ich meinen Kopf in Hoffnung auf einen Kreativitätsschub in Richtung der Bühne zu den Jungs und der Band drehte, heftete sich mein erschrockener Blick auf ein Mädchen, das die hintere Treppe zur Bühne erklomm. Als sie die ebene Fläche der Bühne erreicht hatte, hielt sie kurz inne, ehe sie sich mit einem breiten Grinsen und einem fast schon verliebt wirkenden Blick auf den Weg zu den Jungs machte. Dabei ging sie extrem langsam auf Zehenspitzen, um sich wahrscheinlich an die Jungs heran zu schleichen, die nichtsahnend weiterhin performten und von der Fremden nichts mitzubekommen schienen. Obwohl es offensichtlich war, dass Schleichen vollkommen überflüssig war. Die Musik war derartig laut und die Jungs so in ihrer Performance vertieft, dass sie es nicht einmal mitbekommen hätten, wenn ein fliegendes, leuchtendes Einhorn über sie fliegen und Regenbögen kacken würde.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt