Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Buchstäblich. Nach dem Konzert in Deutschland verschlug es die Jungs und die Crew in die nördlichen, skandinavischen Länder, während mein Dad und ich zurückblieben. Zwar hatte mein Vater die Intention verfolgt, jedes Land und jedes Konzert zu begleiten, doch ich hielt ihn vehement davon ab. In Oberhausen hatte mir Dads Zerstreutheit mehr als deutlich vor Augen geführt, dass er mehr und mehr ausgelaugt wurde. Immerhin war er rund um die Uhr im Einsatz. Noch dazu sorgte unser temporäres Nomadenleben dafür, dass er sich immer wieder neuen Herausforderungen und Orten stellen musste und nie zur Ruhe kam.
Wenn ich bei meiner Oma schon bemerkt hatte, dass das Reisen an meinem Nervenkostüm zerrte und es von immer weniger Fäden zusammengehalten wurde, wollte ich nicht wissen, wie das meines Vaters aussah. Wahrscheinlich sah sein visualisiertes Kostüm so edel und hochwertig aus wie das eines billigen Zombiedarstellers auf einem Jahrmarkt. Oder wie mein erstes handgenähtes Kostüm vom Belle-Kleid. Dieses war genauso wenig vorhanden wie die Nerven meines Vaters in den letzten Tagen. Denn dass ich irgendwann einmal nähte, war so wahrscheinlich wie die Tatsache, ich sei nur eine nicht reale Fanfiction-Protagonistin, die mit einem hübschen, Mainstream-Prominenten wie Barbara Palvin besetzt war. Dass ich nicht lache.
Daher versetzte ich Dad in eine Art Zwangsurlaub. Wir würden erst wieder in Italien zu der Tour dazu stoßen, sodass wir über zwei Wochen Zeit hatten, das Material zu sichten und gegebenenfalls Dads Arbeitsplan und Script zu modifizieren. Durch mich hatte mein Vater mehr Hintergrund-Videos und private Aufnahmen ansammeln können, als er sich insgeheim erhofft hatte. Der Anflug Stolz, der sich daraufhin dauerhaft in mir ausgebreitet hatte, machte meine Daseinskrise definitiv wieder wett und beflügelte mich kurzzeitig so sehr wie Red Bull. Wie zehn Liter Red Bull. Versetzt mit Koffein-Pillen.
Für unseren Aufenthalt hatte ich Dad und mir eine kleine, aber schöne Ferienwohnung am Rand von Veronas Innenstadt gemietet, wo das erste der beiden Italien-Konzerte stattfinden würde. Zwei Tage lang hatte ich Dad dazu bringen können, mit mir Sightseeing zu betreiben und die Altstadt zu erkunden, bevor er sich wieder in die Arbeit kniete. Eines Morgens hatte ich den Ausdruck im buchstäblichen Sinne verwirklicht und war über den Berg an Ordnern und Koffern mit Equipment gestolpert, sodass ich mit den Knien dazwischen gelandet war.
Es war für mich das erste Mal, dass ich mich wirklich in einer altehrwürdigen Stadt befand, die einen aus der modernen Gegenwart in eine historisch antike Zeit entführte, die mit jedem Gebäude einen Zeitzeugen aufweisen konnte. Ich war einfach das kalte, minimalistische Design und Klima von modernen Städten gewohnt. Selbst Paris hatte es mit den antik anmutenden Straßen und Denkmälern nicht geschafft, mich so abzuholen und meinem Bewusstsein die Zeitreise lebhaft und wahrhaftig vor Augen zu stellen wie Verona. Ich hatte mich in die Stadt verliebt. War ich nun objektophil? Wenn New York also die Stadt die niemals schlief war, konnte man Verona in meinem Verständnis als die Stadt, mit der ich schlief bezeichnen. Okay, der Spruch klang sogar in meinem Kopf dumm.
Als Dad und ich durch die schmalen Straßen liefen, die überall von altertümlichen Patrizierhäusern gesäumt wurden, zog es mich direkt in die Piazza delle Erbe. Wie der Name schon suggerierte, war es ein beeindruckender Ort, dessen historisches Zentrum Schauplatz von Mittelalterfilmen hätte sein können (die Modegeschäfte und Restaurants ausgenommen). Mein Blick hatte sicher minutenlang auf den zahlreichen Bürgerhäusern und palastähnlichen Bauten gelegen. Das Wahrzeichen Veronas, der Brunnen mit der Madonna Verona-Figur im Herzen des Platzes, war direkt auf meinem Instagram-Account gelandet. Zayns Kommentar: „Schöne <3 Nur etwas zu steinalt für mich" in Bezug auf die Statue hatte ich mit den nüchternen Kommentar „Und zu bildschön für dich" abgetan.
Nach dem Tag hatte Dad sich einen gemütlichen Arbeitsplatz auf unserem kleinen Balkon hergerichtet und genoss den Ausblick über die Mauern und Türme der Stadt lieber von oben. Aber ich war froh, dass sich sein Arbeitspensum normalisiert hatte und er wenigstens abends bereit war, auszugehen und etwas zu entspannen. Obwohl erst Mitte Mai war, hatte sich das Wetter zu ein paar Sneak Peeks vom Sommer erbarmt. So bekam auch mein Vater etwas Sonne ab, die auch seine Laune und sein Gemüt zu erhellen schien. Nach sechs Tagen hatte er mich sogar von sich aus zu einem Stadtspaziergang und einer kleinen Museentour geschleppt, ohne dass ich ihn hatte erpressen müssen. Er hatte mir sogar wie in alten Zeit einen doppelten Eisbecher gekauft. Es war ein Tag wie im Bilderbuch gewesen. Es fehlte nur noch das Haus-Einhorn und meine Wunschliste aus der Kindheit hatte sich erfüllt.
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This Is Us + Megan
FanfictionThis Is Us - Allein der Name löst bei Millionen Fans der britisch-irischen Band One Direction Gänsehaut, Hysterie und den Drang aus, laut zu schreien und der Ohnmacht nahe zu sein. Morgan Spurlock, Regisseur des Films, begleitet die Jungs auf ihrer...