Klappe 1: London ~ Koffein und seine Folgen

26K 1.5K 327
                                    

Als Dad mir die Idee mit dem Film erzählt hatte, hatte er mich echt aus den Socken geworfen. Wortwörtlich. Ich hatte so stark gelacht, dass ich vom Sofa gefallen war. Dabei hatte ich es geschafft, dass meine Socke in der Sofaritze geklemmt hatte, sodass sie dort stecken geblieben war.
Doch Dad hatte es ernst gemeint und mittlerweile unterstützte ich ihn voll und ganz bei seinem Projekt. Ich wusste, dass das hieß, dass Dad für zehn Monate weg war. Er wusste es auch. One Direction auch. Unsere Putzfrau nicht.
Aber Dad fragte mich schließlich, ob ich ihn nicht als Assistentin begleiten wolle, sozusagen als Auslandsjahr. Begeistert hatte ich zugestimmt, denn wer wollte nicht, dass auf dem Abschlusszeugnis stand: „Megan Spurlock nahm erfolgreich an einem Auslandsjahr mit fünf schnuckeligen und süßen Idioten teil." Wenn ich eine Universität leiten würde, würde ich die Person sofort annehmen.
Also hatte ich bereitwillig zugestimmt.

Die folgenden zwei Monate gingen schneller rum, als dass man „schwabbelbabbelpopolopo" sagen konnte. Dad verbrachte gefühlte fünfundzwanzig Stunden damit, zu telefonieren, Papiere auszufüllen, den Film zu planen und mit Anzug-tragenden Männern zu sprechen, die aus irgendeinem Grund fast jeden Tag bei uns vorbeischauten. Ehrlich gesagt machten sie mir noch mehr Angst als mein Mathelehrer, der ebenfalls sehr oft einen Anzug trug. Ich hatte ihn einmal gefragt, ob wir nicht mal als Aufgabe nehmen könnten, im Sommer die Schweißtropfen auf seinem Anzug zu zählen. Und nachdem ich das gemacht hatte, waren meine Kopfrechenkünste erstaunlich in die Höhe geschossen.
Auch meine Mum war mit allem einverstanden. Ich war mehr als froh, dass Dad und sie sich nach der Trennung immer noch gut verstanden und keinen Rosenkrieg führten. Also stand der Reise nichts mehr im Weg und hiermit konnte die erste Klappe des Abenteuers fallen.

Das erste Konzert, und damit der Startschuss der Welttournee, fand in London statt. Und da wir in der USA lebten, mussten wir fliegen. Zwar war es lustig, die Treppe herunterzufliegen, aber in einem Blechgerüst namens Flugzeug mit Blechflügeln und auch Brech-Essen zu fliegen, war mein schlimmster Alptraum. Natürlich war es dumm, auf eine Welttournee zu gehen, wenn man Fliegen nicht vertrug, aber ich hatte meine Methoden, um das Problem zu umgehen. Koffein. Koffein machte mich so verrückt, dass mein Gehirn die Flugangst ausschaltete. Eigentlich wurde das ganze Gehirn ausgeschaltet, aber trotzdem kam ich mit dem Fliegen klar. Das war alles, was für mich zählte.
Als wir endlich in London landeten, ging es mir also dementsprechend gut. Mit einem breiten Grinsen stieg ich leicht schwankend und singend aus dem Flugzeug, mit einem peinlich berührten Regisseur-Dad hinter mir.

„Dad, wohin müssen wir? Bitte, sag es mir", kicherte ich laut und mein Dad fuhr sich seufzend über die Augen. Auf seiner Stirn hatte sich seine geliebte Stress-Falte gebildet. Ich liebte sie wirklich und hatte ihr auch schon einen Heiratsantrag gemacht, aber sie hatte meine Liebe nicht erwidert und mich mit einem gebrochenen Herzen zurückgelassen. Aber ich hatte keine Stirnfalte so sehr geliebt wie diese. Was machte das Koffein nur mit mir?

Dad sah sich um, mit einer Hand schützte er seine Augen vor der Sonne. Überrascht blickte ich gen Himmel und sah einen fast wolkenfreien, azurblauen Horizont. Das Wetter fand man in London nur selten vor. Vor allem Mitte Februar, wenn das Wetter eigentlich Karneval feierte, nur mit immer demselben Kostüm: Regen und Kälte.

„Chris sagte, hier müsse irgendwo ein schwarzer Ford stehen. Ich habe die Schlüssel, aber ohne Auto werden die uns nicht so viel bringen, fürchte ich", meinte Dad und fuhr sich verzweifelt durch die rötlichen Haaren. Mein Blick fiel (mal wieder) auf seinen Schnurrbart. Er war etwas nach unten verzogen und ich konnte Schnurrbärte einfach nicht traurig sehen.

„Ach Dad", ich ging zu ihm und nahm ihm seine Schlüssel ab, „wir werden das Auto schon finden. Schließlich finden Spongebob und Patrick auch immer das unsichtbare Bootmobil und weißt du, was an dem unsichtbaren Bootmobil besonders ist?"

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt