Klappe 26: Amsterdam ~ World Wide Depp

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Binge Watching. Eine Aktivität, die für mich stets zweideutig war. Nicht in dem zweideutigen Sinne, dass ich mir stundenlang perverse Filme, Pornos oder Frauentennis ansah. Sondern zweideutig, weil ich erstens Serien durchsuchtete und gleichzeitig dabei Binge-Eating machte.
Deswegen war ich davon überzeugt, dass es eine super Idee war, Serien-Marathons in einem Supermarkt stattfinden zu lassen. Die Besucher würden den halben Supermarkt leer kaufen und man hätte schnell den Profit eines ganzen Monats eingenommen. Außerdem wäre die Location sehr attraktiv, vor allem wenn man neben Supermärkten auch Einrichtungshäuser als Orte hinzuziehen würde. Ich hatte es schon als Kind unheimlich toll gefunden, mich auf die Berge an flauschigen Teppichen zu legen. Manchmal auch zwischen die Teppichrollen. Dann hatte ich mich wie in einer Autowaschanlage für Menschen gefühlt. Eine weitere lukrative Geschäftsidee. Ich war ein toller homo oeconomicus.

Und weil ich so ein toller Homo oeconomicus war, hatte ich die drei Tüten Chips und vier Tüten Tortillas samt Dip auch im Sonderangebot eingekauft. Das Maximum aus dem Minimum rausholen konnte ich. Eigenlob stank, das wusste ich, aber ich wollte danach eh duschen gehen, weswegen ich mich auch innerlich selbst loben durfte.

Nachdem ich zwei Folgen von Zayns und Nialls Lieblingssendungen gesehen hatte, war ich an der Reihe und ich entschied mich für Full House, die Kultserie der 90er, die ich einfach liebte. Gerade als Michelle die Creme aus allen Oreo-Keksen leckte, die Kekshälften wieder aneinander klebte und zurück in die Packung legte (damit zeigte sie, was wir uns alle heimlich wünschten), schaltete Zayn zurück zu den Fernsehsendern.

„WARUM?", machte ich ihn prompt an und bereute es, mich an den Rand der Couch neben Niall und nicht neben Zayn gesetzt zu haben, sodass ich ihm die Fernbedienung nicht entreißen konnte. Aber ich wollte unbedingt neben den Tortillas sitzen, die ich einfach liebte. Kurz schielte ich zu der letzten der vier Tüten Tortillas, die noch nicht leer war. Tortillas hatten Ecken und waren vergleichsweise hart. Wenn ich sie mit genügend Schwung und im richtigen Winkel warf, konnte ich Zayn vielleicht verletzen. Dann waren sie so etwas wie dreieckige, essbare Sägeblätter. Leckere, salzige, mexikanische Sägeblätter, die aber mit viel Pech ins Auge gehen konnten. Wortwörtlich. Und das wollte ich Zayn bei Gott nicht antun, denn dass er mich dann nie wieder sehen konnte, war eine zu harte Strafe. Fast schon eine Todesstrafe.

Zayn, der mit einem normalen (und keinem salzigen Auge) davon gekommen war, zappte selbstgefällig durch die Programme. „Tja, wegen dir habe ich letztens auch das Ende von „Zombiber" verpasst. Gleiches wird mit Gleichem vergolten."

„Nicht immer. Wenn du jemanden umbringst, kann er dir das ja unmöglich heimzahlen, weil er nun mal tot ist", warf Niall ein, ehe er Zayn die Fernbedienung aus der Hand riss. Doch statt sie mir zu geben, beanspruchte er selber die Direktion über das Programm.

Genervt lehnte ich mich mit verschränkten Armen und schmollend zurück. „Hast du überhaupt einen Führerschein, der deine Führung der Programme legitimiert?"

Doch dabei fiel mir selber auf, dass diese Frage überflüssig war. Immerhin hatte Hitler auch keinen Führerschein und er war trotzdem der „Führer" gewesen.

„Programm-Diktator", murmelte ich leise, während Niall fast im gleichen Moment meine Frage bejahte.

„Und du, Megan?", fragte Zayn in bittersüßem Tonfall und lehnte sich nach vorne, um mir direkt in die Augen sehen zu können. Ich funkelte ihn böse an, denn mir war bewusst, dass er die Antwort kannte. Wie ich erfahren hatte, war Bob der Busfahrer eigentlich ein freundlicher, offener Mensch, der die Gesellschaft von Leuten und auch die der Jungs sehr schätzte. Deswegen hatte er den Jungs von unserer Unterhaltung auch erzählt. Aber jedes Mal, wenn ich mich im Bus befand, schloss er die Fahrerkabine ab. Bis heute verstand ich seine Abneigung mir gegenüber nicht, da ich damals überaus freundlich zu ihm gewesen war und ihm eine mehr als frische Gurke angeboten hatte. Und auch wenn Blumen oder Schokolade vielleicht ein besseres Geschenk gewesen wären, hätte er die Geste doch wenigstens schätzen können. Die Gurke hätte ja auch eine (etwas feuchte) Metapher sein können. Ich wusste zwar nicht für was, aber würde Bob über ein gesundes Maß an Fantasie und Einfühlungsvermögen verfügen, hätte er die Gurke dankend angenommen.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt