This Is Us + Megan

Klappe 35: Bielefeld ~ Ein sich zuspitzender Dialog

Obwohl Harry und Louis bis dahin auf meine Einwilligung verzichtet hatten, warteten sie brav vor der Haustür, bevor sie klingelten. Als ich weiterhin in meiner Schockstarre verharrte, warfen mir beide fast synchron einen entnervten Blick über ihre Schulter zu. Während Louis mal wieder komplett in seiner Rolle aufging und seine Miene pure Ungeduld zeigte, lag in Harrys Blick offenkundige Schadenfreude. 

„Megan, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Wenn du nicht gleich kommst, stirbt die alte Henrietta neben mir womöglich an einem altersbedingten Herzinfarkt und ich an dem Hungertod." Louis legte bedächtig eine Hand auf seinen dicken Bauch und erinnerte in dem Moment sehr stark an eine schwangere Frau mit zu viel Testosteron im Blut.

Obwohl der Tod der beiden ein verlockender Tagtraum war, setzte ich mich mit hängenden Schultern in Bewegung. Meine Laune war mittlerweile so weit ins Bodenlose gesunken, dass ich bereits meine Augen nach dem Niveau der beiden Jungs offen hielt. Aber das war wahrscheinlich noch tiefer unter dem Boden versteckt. Sofern es überhaupt existierte. Das elektronische Klingeln war zugleich ein Weckruf. Meine Lustlosigkeit wich sofort einer gleichermaßen angsterfüllten als auch vorfreudigen Aufregung. Meine Oma war für ihr Alter von 72 Jahren sehr vital und charismatisch. Dass sie Harry und Louis mit selbstgebackenen Schokokeksen und alten Jugendgeschichten erfreuen würde, war relativ unwahrscheinlich. Tief in mir hoffte ich darauf, dass sie ihr altes Hobby, Thaiboxen, wieder aufgenommen hatte.
Es dauerte einige Zeit, bis die Tür geöffnet wurde. Ich warf noch schnell einen letzten Blick nach rechts und links. Aber ich richtete meinen Blick schnell wieder nach vorne, weil das vorfreudige Grinsen des Dicken und der Oma neben mir unerträglich war.
Meine Oma machte die Tür erst einen Spalt weit auf und linste zu uns herüber. Als sie mich entdeckte, taxierte sie meine beiden Begleiter zunächst mit einem undefinierbaren Blick. Danach setzte sie ein zartes Lächeln auf und öffnete die Tür komplett.

„Megan? Wow, mit dir hätte ich nicht gerechnet. Komm her." Ohne Verzögerung zog sie mich in ihre dünnen Arme. Kurz war ich über die Stärke ihres Griffs überrascht. Bevor sie mich wieder aus ihrer Umarmung löste, flüsterte sie mir etwas ins Ohr, das ich aufgrund des leisen Lachens von Louis nur mit Anstrengung klar hören konnte. „Wenn dich die beiden verkleideten Typen gefangen halten, zwinkere gleich zweimal."

Völlig perplex stolperte ich zurück in die Lücke von Harry und Louis, die mich beide wie ein Spalier der Dummheit einrahmten. Aufgrund des konfusen Inhalts ihres Satzes musste ich instinktiv blinzeln. Sogleich zog mich meine Oma ins Haus und schlug die Tür hinter mir zu. Ein lauter, dumpfer Schlag ertönte. Harry, der anscheinend sofort hinter mir hatte eintreten wollen, schrie kurz auf. Sekunden später drang Louis' schallendes Gelächter zu uns herüber. 

„Was sollte das? Ich glaube du hast ihm soeben die Nase gebrochen, Oma." Obwohl ich anklagend klingen wollte, wurde mein Ton durch meine unterschwellige Schadenfreude neutralisiert.

„Megan, du hast doppelt geblinzelt."

„Ja, weil ich überrascht war. Und manchmal blinzeln Menschen zweimal kurz hintereinander. Wir haben nicht sowas wie ein genetisch eingebautes Blinzel-Intervall."

Meine Oma legte ihren Kopf etwas schief. „Welcher normale Mensch blinzelt denn zweimal schnell hintereinander?"

„Ich."

„Honey, du musst lernen, zuzuhören und Signale richtig zu verstehen beziehungsweise umzusetzen. Sonst kann es noch zu Missverständnissen kommen."

„Wer kommt denn auch bitte bei dem Anblick einer Oma und eines Übergewichtigen auf die Idee, dass die beiden mich kidnappen? Es müsste eher anders herum sein. Es ist wahrscheinlicher, dass ich die beiden entführe."

Meine Großmutter sah mich verständnislos an. 

„Naja, Leute, die mit Hunden rausgehen, werden von Leuten gleich für sympathisch gehalten. Vielleicht ist das bei Senioren und Adipositas-Menschen auch so. Und entschuldige das Wortspiel, aber Adi-posit-as klingt doch direkt danach, dass ich einen positiven Eindruck auf andere mache."