Klappe 24: Antwerpen ~ The Walking Fans

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Mit einem Schlag, der so heftig und überraschend war, dass er nur von Vitali Klitschko kommen konnte, überkam mich die blanke Panik. Ein Zittern wie ein Erdbeben durchfuhr mich und ließ mich mental zusammenbrechen wie ein Kartenhaus im Wind. Meine Augen waren so geweitet wie nie zuvor, die Schwärze meiner Pupillen hatte das Weiß meiner Augen fast komplett vereinnahmt und erstickt wie der Mond es mit der Sonne bei einer Sonnenfinsternis tat. Die Angst kroch in jeden Millimeter meines Körpers, nistete sich dort ein wie ein Stalker in die Privatsphäre von Stars.
Jede Zelle in meinem Körper schrie, dass ich davon laufen solle. Hektisch wanderte mein Blick immer wieder zu dem grün leuchtenden Notausgangsschild. Das Strichmännchen auf dem Schild schien mich in dem Moment höhnisch zu verspotten. Denn zwischen dem Schild und mir standen sie. Es schien mir, als ob sie jeden Ausgang hüteten wie eine Vogelmama ihre Küken. Auch wenn mir mein rationales Ich förmlich entgegen schrie, ich solle ihnen nicht ins Gesicht sehen, wendete sich mein Blick wieder dort hin. Sämtliche Rationalität schien - im Gegensatz zu mir - den Ausgang erreicht und sich verabschiedet zu haben. Als sich mein Blick mit einem von ihnen kreuzte, durchfuhr ein Schock meinen gesamten Körper und mein Herz setzte einige Schläge aus. So nah war ich einem Vampir ohne Herzschlag noch nie in meinem ganzen Leben gewesen und als ich mich bereits als Teil der Twilight-Crew sah, durchzog mich ein zweites Mal das nackte Grauen, sodass ich meine Jacke instinktiv enger um meinen Oberkörper schlang.

Ihre Gesichter... Jegliche menschliche Züge schienen verschwunden zu sein. Ihre Augen, weit aufgerissene Höhlen so dunkel und kalt wie eine schwarze Winternacht, glichen der leibhaften Verkörperung von Wahnsinn. Alles in ihren Blicken verriet mir deutlich, dass sich ihre menschlichen, rationalen Triebe zurückentwickelt hatten oder verschlossen waren, als ob jemand ihre komplette Festplatte menschlichen Sozialverhaltens gelöscht hatte. Sie schienen nur noch über die primitiven Urtriebe des Menschen zu verfügen: Gier, Wahnsinn und Mordlust.

Sie fingen bereits an, interhumane Verhaltensweisen aufzuzeigen, konträr zu allen anthropologischen Verhaltensparadigmen, die ich jemals beobachtet hatte. Sie schienen einer komplett anderen Spezies anzugehören, die sich bereits selber zu bekämpfen drohte. Einige von ihnen fingen an, sich gegeneinander zu stemmen und zu versuchen, einander wegzudrängen. Ob es sich dabei um bloße Machtbehauptung handelte oder ob sie sich irgendwie auf andere Weise zu verärgern schienen, konnte ich nicht ausmachen. Das Einzige, was ich über diese Wesen mit Gewissheit sagen konnte, war, dass sie sich nach vorne schieben wollten, um zu dem alleinigen Zentrum ihrer Aufmerksamkeit und ihres Lebens zu gelangen: One Direction.

Ein Tippen an meiner Schulter riss mich aus meinen Tagträumen. Für einen kurzen Moment war ich noch zu benommen. Langsam schaffte ich es die Benommenheit wegzublinzeln. Ich rieb mir kurz über meine Augen. Scheiß auf Mascara. Ich setzte einfach einen neuen Trend, den messy Mascara Style. (Das klang wie die zukünftige Frau von Harry). Und wenn ich mich in der Halle umsah, in der die Jungs etwa zweitausend menschlichen Zombies Autogramme gaben, war ich nicht die Einzige, die verschmiertes Augen-Make-Up trug.
Da waren einmal die vor Glück weinenden Fans.
Dann gab es noch die Fans, die sich permanent die Augen rieben, da sie es nicht glauben konnten, die Jungs zu sehen.
Und es gab die erwachsenen Nicht-Fans, die versuchten, sich in dem kleinen Interior-Brunnen zu ertränken. Ich bezweifelte, dass sie in dem Moment lediglich den Drang verspürten, ranziges Brunnenwasser zu trinken, obwohl man so etwas nie genau wusste. Es gab kranke Fetische, auch wenn „krank" ein viel zu gesundes Wort dafür war.

Den Grund für mein Erwachen vergessend, nahm ich erneut die kleine, aber verschämt teure Kamera in die Hand und tat so, als ob ich die gesamte Fanmasse filmte. Dabei suchte ich Dad, der sich unter der Empore, auf der ich stand, befand und einige Fans interviewte. Nach einiger Zeit begegnete er meinem Blick und ich hielt breit lächelnd meine Kamera in die Luft, während ich mit meiner freien Hand einen Daumen nach oben zeigte. Er erwiderte mein Lächeln und wandte sich wieder von mir weg. Mission erfüllt.

This Is Us + MeganWo Geschichten leben. Entdecke jetzt