Part 2

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"Morgen holst du deine Schwester vom Hort ab!", mault mich meine Mutter an. Stöhnend verdrehe ich die Augen. Kann sie mich nicht einmal in Ruhe lassen.
Meine Schwester Luisa geht in die 4. Klasse und in den Ferien veranstaltet ihr Hort ein Programm, an dem sie teilnimmt. Vom Aussehen her ist sie die Minivariante von mir. Aber sie hat einen ganz anderen Charakter. Hibelig und wild.
Meine Mum erträgt es nicht, dass ich nur Zuhause hocke. Außer um mal auf die Toilette zugehen oder mir was Essbares zu suchen, lag ich Freitagabend, sowie das restliche Wochenende auf der Couch oder im Bett. Ich wusste nichts mit mir anzufangen und es war die Chance endlich mit meiner Serie voranzukommen. In der Schulzeit ist das ja kaum möglich, weil ich immer was lernen oder zu machen hatte.
Das reicht meiner Mum und sie verdonnert mich dazu, meine Sis abzuholen.

Nachdem ich gefrühstückt und geduscht habe, legte ich mich wieder auf die Couch und schaue ein paar Folgen meiner Serie, bis ich auch schon los muss. Meine Eltern sind auf Arbeit.

Am Hort angekommen, sehe ich Luisa schaukeln. Ich gehe auf den Hof und da bemerkt sie mich dann auch.
"Vicky!", schreit sie voller Freude und rennt in meine Arme, die ich für sie ausbreite. Ich hebe dieses kleine aber fette Monster hoch ( sie ist nicht fett, eher schmal und zierlich, dennoch kein Fliegengewicht. Schließlich ist sie kein Kleinkind mehr, sondern schon 10 Jahre alt ) und drehe mich mit ihr durch die Luft.

Immernoch lachend, setzte ich sie auf den Boden ab. Sie ist die Einzige, die mich Vicky nennt. Der Rest sagt Tori oder wenn ich was angestellt habe meinen ganzen Namen 'Victoria'.
Wir sagen ihrer Erzieherin 'Auf Wiedersehen' und gehen dann vom Hof.

"Können wir Kuchen essen?", sie schaut mich mit ihren Knopfaugen an und zieht dabei einen Schmollmund. Lulu sieht damit so niedlich aus, dass ich nicht Nein sagen kann. Ich gebe daher nach und wir machen uns auf den Weg in ein kleines Café am Markt. Es ist klein, aber fein und immer gut besucht. Das Café heißt ' Schleckermäulchen'.

Ein 'Ding' ertönt als wir in das Lokal treten. Luisa und ich suchen uns einen Platz am Fenster.
Ein Blick in die Karte bringt mich auch nicht weiter. Jedes mal das selbe Problem mit mir. Ich weiß einfach nicht, was ich nehmen soll. Kann mich nie entscheiden. Bei so einer großen Auswahl auch kein Wunder. Ich steh jedesmal kurz vor einem Anfall. Das selbe wie sonst, will ich ja auch nicht haben.
Die Bedienung kommt und mir fallen die Augen aus. Vor mir steht Anton. Gekleidet mit einer kurzen schwarzen Hose, einem gestreiften weiß-rotem T-shirt und darüber eine schwarze Schürze. Es sieht so aus als gebe es bis auf die Schürze keine Arbeitskleidung. In seiner Hand hält er ein Block und ein Stift. Es hätte jeder, wirklich jeder da stehen können. Aber Nein, das Schicksal gönnt mir keine Pause vor ihm.
Es müssen ein paar Minuten vergangen sein, denn der Ausdruck auf seinem Gesicht verzieht sich und er wirkt genervt. Fragend schaut er mich an.
"Mhm?" mache ich. Ganz kreativ. Doch ich wusste nicht, weswegen er mich so ansieht.
"Was du möchtest?" stellt er mir wie es aussieht die Frage nicht zum ersten mal. Meine Sis kichert im Hintergrund und bekommt dafür einen Blick, der sagt: 'Sei lieber still, sonst..'

"Einmal den Mangocrash", bestellte ich. Zufrieden mit mir, etwas gefunden zu haben. Wobei es bei dem Getränk nie ein Problem gibt. Da bleibe ich immer bei meinem Liebling.

".. Und einen Cupcake", füge ich noch schnell hinzu.
"Was für einen Cupcake?", fragt er grimmig. Oh nein. Jetzt geht es los.
"hm..ich weiß nicht..vielleicht Schoko?", sage ich mehr als Frage, verbessere aber noch bevor er sich ganz von uns weggedreht hat "ne lieber Schoko mit Himbeerhaube."
Stöhnend notiert er sich die Änderung und geht dann zum Tresen. Meine Schwester hat wohl schon bestellt.

Nach 10 Minuten kommt Anton zu uns. Er stellt mir meinen Cupcake und das Getränk an den Platz. Meine Schwester hat sich einen Orangensaft und einen Schokomuffin bestellt, den sie ebenfalls von Anton gereicht bekommt.
Während des Essen redet niemand. Wie genießen beide unsere Bestellungen.
Hin und wieder sehe ich Anton dabei zu, wie er die Kunden bedient.
Gegen 16 Uhr verlassen wir das Café.
Abkassiert hat uns eine andere Kellnerin. Ist mir aber auch recht so. Trinkgeld hätte er nämlich nicht bekommen. Immer wenn Anton an unserem Tisch vorbei gegangen ist, hat er mir einen angewiderten Blick zugeworfen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich ihm getan habe. Aber wenn er mir solche Blicke schenkt, erwiderte ich sie. So wie er mir, so ich auch ihm. Ich hatte mich wohl zu früh gefreut ihn nicht im Sommer zu sehen. Konnte ich ahnen, dass er in dem Cafe arbeitet?!

Beim Abendessen verkündet meine Mum, dass ich doch die restliche Woche Luisa Nachmittags abholen soll. Ihrer Meinung nach komme ich so mal an die frische Luft. Ich habe versucht, ihr mitzuteilen, dass ich mich ja in den Garten setzten könnte. Meine Serien kann ich vom Laptop aus auch da schauen. Den Vorschlag fand sie - im Vergleich zu mir- nicht angemessen. Ich erntete dafür sogar einen wütenden Blick.

Zwischen Herz und VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt