Part 54

657 29 0
                                    

"Danke.", dankbar sieht Anton mich an. Die Tränen, welche seiner Wange hinunter gelaufen waren, sind schon getrocknet. Seine Augen sind dagegen noch ein wenig rot und dick. Es war das erste Mal, dass ich ihn - oder generell ein männliches Wesen- habe Weinen sehen. Ich will damit nicht sagen, dass sie kein Recht dazu haben. Nur kommt es selten vor, dass Jungs zeigen, wenn sie verletzt sind. Ihre Gefühle sind sorgsam unter einer Maske versteckt. Mädchen hingegen sind selbst bei ihren Gefühlen ein offenes Buch.
Anton wurde es zu viel. Von Freude, Stolz und Trauer, war alles vertreten.
Ich glaube heute habe ich eine Seite an ihm gesehen, die Niemand, wirklich Niemand von ihm kennt. Es hat mich gefreut, dass er sie mir gezeigt hat. Er vertraut mir. Das fühlt sich schön an.
Sein Opa war eine wichtige Person in seinem Leben. Immer wenn er Zuhause raus musste, weil ihm die Decke auf den Kopf fiel, ist er zu seinem Opa gegangen. Kam seine Mutter ihm mit einer neuen Gala Veranstaltung, bei der er im Anzug kommen sollte und eine Begleitung an seiner Seite habe musste, die von seinen Eltern ausgesucht wurde, fuhr er mit seinem Opa raus angeln.
Hielt sein Vater ihm einen Vortrag über seine Zukunft, dachte er an seinen Opa. Er rief sich immer die Worte seines Opas in Gedanken, wenn seine Eltern ihm eine Standpauke hielten. Sein Opa war ein Humorvoller Mann, der immer einen Spruch auf Lager hatte. Gute Lektionen konnte er auch erteilen.
Ich glaube, wenn er noch leben würde und ich ihn kennenlernen dürfte, ich würde ihn mögen.
Bei Anton seinen Erzählungen war es, als wäre ich dabei gewesen. Säße im selben Boot und sah, was sie gesehen haben.

"Dein Opa ist ein wunderbare Mensch!", lächend sehe ich Anton an.

"Ja, das war er. Ich vermisse ihn schrecklich!" Eine einzelne Träne kullert seine Wange runter und tropft dann von seinem Kinn. Schnell wischt er sich über sein Gesicht und reibt sich die Augen.

"Er ist immer noch hier." Meinen Körper dreh ich zu ihm, damit ich ihn besser sehen kann.
Ich will ihn nicht verarschen. Ich meine was ich sage. Verständnislos sieht Anton mich an.

"Hier drinnen.." Ich lege meine Hand auf seine Brust, über seinem Herzen.
Er legt seine warme, große Hand über meine kleine und richtet seinen Blick auf mich. Ich verliere mich in seinen dunklen, braunen Augen. Sie sehen heute aus wie flüssige Schokolade.
Ein warmes Kribbeln breitet sich in meinem Bauch aus.
Anton seine Augen wandern zu meinen Lippen und wieder zurück.
Wie gern, würde ich jetzt seine Lippen auf meinen spüren wollen. In seinen Armen liegen und mich ihm hingeben. Überall von ihm berührt werden.
Aber sein Gesicht kommt meinem nicht näher.
Stattdessen nimmt er meine Hand, die unter seiner auf seinem Herzen liegt, in beide Hände. Seine Augen fixieren meine und er beginnt zu sprechen.
"Liz hat so eine Freundin wie dich nicht verdient." So bald er die Worte gesprochen hat, stürzten die gut nach hinten geschobenen Schuldgefühle auf mich ein. Wie kann ich bloß? Sitze hier mit Anton, der nebenbei bemerkt der Freund meiner Besten Freundin ist, welche derzeit im Urlaub ist und flirte. Erhoffe mir, dass er mich in seine Arme nimmt und mich nicht mehr loslässt. Das Einzige was er machen soll ist, mich dichter zu sich zu ziehen und auch den letzten Abstand zwischen uns, mit seinen Lippen zu versiegeln.
Er hat Recht, ich bin eine schlechte Freundin. Ich habe Lizzy nicht verdient. Sie brauch eine aufrichtige Freundin. Jemand der sich nicht an ihren Freund schmeißt und sich alles ermögliche erträumt.
An ihrer Seite sollte ein Mädchen stehen, was aufpasst und verhindert, dass sich jemand anderes, wie beispielsweise ich, an Anton wirft.
Das Anton mich genau jetzt daran erinnern muss, tut weh. Gerade war ich noch so glücklich, dass er mir traut und von seinem Großvater erzählt. Er war mir dankbar, dass ich ihm zuhörte und ihm Kraft gab.
Einen Augenblick später dann macht der mir deutlich, dass ich ein scheußlicher Mensch und dazu eine egoistische Freundin bin.
Er hat Recht. Ich hätte ihn weiterhin ignorieren sollen. Mich von ihm fern halten.
Stattdessen tue ich das Gegenteil. Flirte mit ihm. Bin ihm nahe und verbringen jede freie Minute mit ihm. Sogar mein Arbeitsplatz ist der selbe, wie seiner. Es gab kaum ein Tag, an dem ich nicht mit Anton unterwegs war oder ihn gesehen habe.
Ich ertrage es nicht länger ihm in die Augen zu schauen. Ich versuchte mit aller Kraft meine Hand aus seiner zu ziehen.

Zwischen Herz und VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt