Chapter 15

10.2K 586 34
                                    

Ich stand noch eine Weile so da, am liebsten hätte ich mich zusammen gerollt um mir selbst Trost zu spenden.
Erst als Lucas mich unsanft zur Seite riss, und ein hupendes Auto haarscharf an uns vorbei fuhr, wurde ich aus meiner Starre gerissen.
"Spinnst du? Hast du keine Augen im Kopf oder wolltest du überfahren werden?"
Grob packte er mich an den Oberarmen und drehte mich zu sich um, doch dieser Griff half mir bloss, mich wieder in der Realität ein zu finden, seine Worte drangen nicht richtig zu mir durch.
Er bückte sich ein klein Wenig, um mir in die Augen zu sehen, und seine so verschlossenen Augen musterten mein Gesicht, doch noch immer sah ich ins Leere.
Ich war all die Jahre gleich daneben gewesen, hatte ein Leben in Luxus genossen, während hier jeden Tag solche Dinge passierten.
Es hatte mich nie interessiert, da ich hiermit nie etwas zu tun gehabt hatte, und überhaupt nicht viel mit bekommen hatte, ausser dass die Leute hier auf die falsche Bahn geraten sein sollten.
Aber jetzt war ich mitten drin, und dieses Erlebnis würde ich nie wieder aus meinem Kopf verbannen können.
Ich bemerkte wie sich Lucas Griff lockerte und seine Stimme veränderte sich.
Sie war nicht mehr hart und unwirsch wie vorhin, sondern weich und besorgt.
"Tessa? Komm, gehen wir."
Er legte eine Hand an meinen Rücken und schob mich langsam nach vorne, doch ich schluckte und schüttelte den Kopf.
"Meine Hände."
Ich wagte es nicht nach unten zu sehen und spürte dennoch dass sie zitterten.
Fremdes Blut an meinen Händen, es war sowohl körperlich als auch symbolisch.
Jeder in dieser Stadt hatte das Blut dieser Menschen an den Händen, wenn er weiter hin darüber hin weg sah, was mit ihnen hier geschah.
"Warte," Lucas führte mich zu einem Brunnen, der auf einem kleinen Platz stand, das Wasser darin war schmutzig, und lief nur langsam ab.
"Ich wasch es jetzt weg, siehst du, sie sind wieder sauber, du kannst wieder hinsehen."
Er tauchte vorsichtig meine Hände in das kühle Nass und ich spürte wie soch mit dem Blut auch eine Last von mir entfernte.
Wie er mit mir redete, so verständnisvoll und sanft, obwohl ich völlig verrückt reagierte.
Er sah nicht nach dem frechen und eingebildeten Lucas, oder dem kalten und wütenden Rebell aus, den ich sonst immer in ihm sah.
Mein Blick fiel zögerlich auf meine nassen aber sauberen Hände, und dann auf seine, die meine vorsichtig umschlossen hatten.
Ich lächelte leicht als ich sah dass meine Hände nicht mehr befleckt waren, und ich erkannte dass ich dem Kind geholfen hatte, etwas getan hatte, wenn auch nicht viel.
Ich sah hoch und Lucas Hände entfernten sich etwas zu schnell von meinen, und sein Blick verhärtete sich wieder.
"Gut, können wir jetzt weiter?"
Ich blinzelte verwirrt, ich wurde nicht schlau aus diesem Jungen, was ging in ihm vor?
Wahrscheinlich war es für ihn schon ein solcher Alltag, dass er gewohnt mit dem Lebe weiter fuhr, und das verlangte er nun auch von mir.
Ich wollte eigentlich nachdenken, mich in einer sicheren Ecke verkriechen und ein Kissen an mich drücken.
Oder ihn. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf und hob den Kopf hoch und versuchte seine selbstbewusste Haltung nach zu ahmen.
"Klar," gleichgültig zuckte ich mit den Schultern und er sah mich kurz an, bevor er sich abrupt abwandte.
Ich lief ihm kopfschüttelnd hinter her, einmal war er das grösste Arsch und einmal war er ein sanfter Prinz auf dem Märchenross.
"Der Skaterplatz ist das Herzstück der Treffpunkte im Viertel, alle die zu uns gehören sind öfters dort als in der Schule."
Erklärte mir Lucas während er durch eine Strasse schlenderte, und jeder Person zunickte die an ihm vorbei lief.
Ich fing häufig neugierige, abschätzige oder verunsicherte Blicke ein und versuchte keine Bedrohung für die Leute dar zu stellen. Das sollte eigentlich auch nicht schwer werden, da jeder hier wahrscheinlich stärker war als ich.
"Kennst du denn viele?"
Ich lief schneller über die unregelmässige Strasse und holte ihn ein.
Mit eiligen Schritten stiefelte ich neben ihm her, langsam wusste ich wieso jeder weiter machte, es lenkte ab und zeigte mir auf, dass das Leben weiter ging, man hatte keine Zeit um in Selbstmitleid zu versinken, wenn man überleben und stark bleiben wollte.
"Alle."
Antwortete er knapp und sein Blick war fest auf den hügeligen Park vor uns gerichtet, der sich in einige Meter Lufthöhe erhob.
"Wow, dann..."
Er unterbrach mich und lief etwas langsamer, während er mich beobachtete.
"Und genau weil ich alle kenne, kann ich es mir nicht leisten mit einem kleinen Schwächling daher zu kommen, du verstehst das vielleicht nicht aber hier wird alles zu deiner Schwachstelle gemacht, was man findet. Also bemüh dich etwas...härter aus zu sehen."
Mein Mund klappte auf und meine Augen verformten sich zu engen Schlitzen.
Ich nahm alles zurück, ich würde lieber mit einem Igel kuscheln als mit ihm. Es war echt verletzend, aber zumindest zeigte es mir was er von mir hielt, und dass es ihm unangenehm war, mit mir gesehen zu werden.
"Du bist so ein..." Ich ballte die Hände zu Fäusten und bedachte ihn mit dem tödlichsten Blick der Tode.
"Ja ungefähr so, bloss etwas weniger verkrampft."
Meinte er monoton und lief dann weiter, auf den Eingang zu.
Ich knurrte leise, wenn er ein Biest haben wollte konnte er eines bekommen.
Ich hob den Kopf, setzte mine arroganteste und gleichgültigste Miene auf und atmete durch.
Du siehst sie einfach nicht, du beobachtest bloss und vor allem lass niemanden an dich heran, ging ich meine gerade eben erstellten Regeln im Kopf durch.
Meine Wut auf das arrogante Arsch neben mir, beflügelte mich zu einer geraden Haltung und ich lief neben Lucas her, doch würdigte ihn keines Blickes.
Stattdessen beobachtete ich den Park, überall waren bahnen in den Boden eingelassen, oder grosse halbmondförmige Dinger standen herum, auf denen einige Skater nach unten, und auf der anderen Seite nach oben rasten, und dabei in der Luft verblüffende Figuren machten.
Viele sassen auf den grossen Bänken und unterhielten sich, feuerten einen an, der gerade die Bahn meisterte und  lachten.
Jeder hier war dunkel gekleidet, Leder, Karohemden um die Hüften, Ketten an der Hose und die verrücktesten Frisuren.
Meine selbstsichere Maske begann bereits zu bröckeln als die ersten Blicke auf mich vielen, aber ich liess mir nichts anmerken.
Nicht um gut da zu stehen, sondern um Lucas keinen Triumph zu ermöglichen.
Ich hatte gerade einen tödlichen Schlag auf ein Kind mit erlebt, und jetzt war ich bereits darauf bedacht, den nächsten Schritt zu meistern.
Nun wusste ich was das Leben war, es verging zu schnell und es war nicht richtig, alles an sich vorbei ziehen zu lassen. Doch hier galten andere Gesetzte, und ich wusste dass ich mich an sie halten musste, wenn ich hier Bleiben wollte.

Was denkt ihr haben Lucas Handlungen für einen Hintergrund? Das erfahrt ihr im nächsten Kapitel, mal sehen wie nahe ihr dem kommt, was dort stehen wird;)
Legt los
Alles liebe
Tala

This is Life *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt