Chapter 39

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Tessa

Es war dunkel als ich neben Lucas die Strasse entlang lief.
Er berührte mich nicht, er schien sich daran halten zu wollen, mich nicht zu bedrängen und alles wieder gut zu machen.
Insgeheim sehnte ich mich aber nach seinen Berührungen.
Wie er mich aus den schönen Augen ansah und wie sanft und doch fordernd er mich küsste.
Schon seit Wochen sehnte ich mich danach.
Wenn man im Leben nichts mehr hatte, die Schule aufgegeben und sogar die Eltern verlassen hatte um frei zu sein, dann brauchte man einen Anker.
Bei mir war es Lucas.
Selbst wenn ich mir das nicht so ganz eingestehen wollte.
Als wir zu der Gruppe der Anderen gestossen waren hatte sich sofort grosse Erleichterung breit gemacht.
Sie alle hatten Lucas vermisst, jedenfalls den Alten.
Und langsam schien er zurück zu kehren.
Immer ein Stück mehr, jedes Mal wenn wir uns ansahen und ich mir ein winziges Lächeln nicht verkneifen konnte.
Ich hatte die ganze Zeit Trübsal geblasen und er auch.
Ich war unterdessen zum
Schluss gekommen dass das was zu bedeuten hatte.
Und zwar dass wir uns brauchten, auch wenn wir beide damit so unsere Probleme hatten.
Klar wollte ich ihn jetzt etwas kämpfen lassen, schliesslich hatte ich das immer noch nicht ganz verdaut.
Aber hier liefen die Regeln anders, es wurde schneller vergessen, was einem daran hindern konnte zu überleben.
Das Leben ging weiter und wer nicht schnell genug war und mit kam, wurde zurück gelassen.
Delilas Blick war eisiger gewesen als der kälteste Winter den wir je hatten und trotzdem hatte es mir eine gewisse Genugtuung gegeben, dass ich wieder neben Lucas lief, und sie hinter mir ging, wo sie nicht in der Lage war ihre fiesen Sprüche losgehen zu lassen.
Sie hätte so viel mehr verdient, von Anfang an war sie nicht nett zu mir gewesen, obwohl ich für meine oder Lucas Gefühle nichts dafür konnte.
Mike hatte mir zugelächelt und mittlerweile machte ich mir Sorgen ob er irgendetwas falsches interpretieren konnte, weil er sich immer etwas zu sehr in meiner Nähe aufhielt.
Aber nur weil ein heisser Gang Boy auf mich stand, musste ich mich nicht gleich wie ein Magnet fühlen.
Wahrscheinlich wollte Mike als guter Freund einfach darauf aufpassen dass ich nicht ausbüxte und Lucas einen Rückfall bekam.
Aber jetzt wo ich mich wieder im Bann seiner Augen befand würde mich ohnehin nichts so schnell von ihm trennen.
"Dieser Freund von euch der etwas "Kleines" veranstaltet. Das ist keine Party oder?"
Fragte ich ein wenig Zögernd nach einer Weile Stille zwischen den gehenden Leuten, in die Nacht hinein.
Jonny grinste, ich war absolut und unmissverständlich sauer auf ihn, aber seit er es geschafft hatte mich und Lucas in diesem beengenden Raum einzusperren, schien er sich zu fühlen wie einer der Avengers.
"Nicht ganz, es ist bloss etwas 'Abhängen.'"
Klärte mich Mike aus und Lucas war völlig und ganz darauf konzentriert mir nicht zu nahe zu kommen.
Was für uns beide Schwer war.
Wieso hatte ich auch sowas von ihm gefordert wenn ich es selbst nicht einmal aushalten konnte! Oder wollte...
Ich atmete tief ein und nickte ermutigend.
Ich hatte gerade nicht so meine Menschen Phase.
Deshalb war nur "Abhängen" ganz okay.
Die Strassen kannte ich mittlerweile, es waren nicht all zu viele, von den kleinen Gassen mal abgesehen, die sich wie ein Labyrinth durch das ganze Viertel schlängelten.
Ich wusste wo wir uns befanden, auch dank der Züge, die immer wieder aus einer der Richtungen in die Andere ratterten.
Bei einigen unstabilen Häusern gleich neben den Schienen wackelten die Zäune, die ohnehin nicht mehr wirklich in der Erde steckten.
Ich mochte die Nacht, da war es egal wer man war und woher man kam.
Man sah nichts und man vertraute einfach den Gefühlen die einem mitteilten ob dem Menschen zu vertrauen war.
Ich hatte immer etwas Anderes gewollt als das was ich gehabt hatte.
Es war ein Traum gewesen, auch für mich.
Ich hatte alles gehabt was man sich nur hätte wünschen können, aber irgendwie wollte ich sowas nie haben. Nur eine normale Familie und Freiheit.
Und genau diese beiden Dinge waren mir verwehrt geblieben.
Jetzt hatte ich meine Freiheit.
Und ich hatte beide Seiten davon kennen gelernt.
Und ich hatte ein Stück weit auch eine Familie.
Jedenfalls fühlte es sich so an wenn wir uns gegenseitig anstiessen oder uns auf dem leeren Asphalt drehten.
Bis wir das Haus, gedrängt zwischen den anderen vorfanden.
Es war etwas grösser und hatte einen kleinen schmutzigen Garten mit einem rostigen Gartentor, welches der einzige Teil des Zauns war welcher noch stand.
Grün hatte ich in dieser Gegend noch nie wirklich gesehen, aber es war gut.
Auch wenn die Gräser krank von der schlechten Luft und dem Müll waren, der überall herum lag und sich häufte als würden sie einfach alle Reste aus dem Fenster schmeissen.
Ich rümpfte die Nase.
Ich hatte ja gelernt nicht heikel zu sein, aber sowas war schon ekelhaft.
"Keine Sorge, er mag etwas speziell sein, aber er hat gutes Gras und ausserdem die bequemsten Couchs."
Ich nickte nur.
Von rauchen hielt ich nicht viel, all die Krankheiten alleine waren schon Grund genug.
Ich hatte mich immer gefragt was so schlimm sein könnte dass ein Mensch diese Risiken trotzdem auf sich nahm.
Jetzt verstand ich es zwar, aber nur für einen kurzen Moment des Rauchens waren die Probleme weg.
Danach waren sie noch genauso da wie vorher.
Ich hinterfragte es trotzdem nicht, viel zu wertvoll war mir dieser Moment.
Ich musste ja selbst nicht rauchen, ich konnte einfach da sitzen und die Anwesenheit geniessen.
Als Lucas mich ganz leicht zur Seite schob und mich so berührte schauderte ich, was ihm nicht entging.
Kurz glühten seine Augen auf, dann aber klopfte er an und kurz darauf schwang die wackelige Türe auf.
Ich blinzelte etwas perplex, das Licht dahinter war ziemlich gedämpft und ich konnte beinahe schon sehen wie stickig die Luft war.
Den Rauch konnte man ebenfalls ausmachen, er schwebte im Licht hinter dem Jungen mit den blonden Rastas, der uns anstrahlte.
Seine Zähne waren gelb und nur noch Stümpfe, sofort tat es mir weh das Ganze nur anzusehen.
Aber seine Augen waren weit weg, irgendwo wo alles friedlich und toll war, wo dieser Schmerz und alle anderen Sogen nicht existierten.
Ich hatte diese Welt auch mal kurz betreten.
Und daraus wieder aufzuwachen war schlimmer als das zuvor.
Was wahrscheinlich auch wieder dazu führte dass man sich erneut weg pustete, in die Traumwelt einer heilen Stadt.
"Lucas!"
Das A zog er etwas zu lange, ich fragte mich wie lange sein Atemb halten würde und prompt hustete er.
Nachdem ihm mein irgendwie Freund kräftig auf den Rücken des grünen Tops geklopft hatte , öffnete er die Türe weiter.
"Nur rein spaziert, ich hab auf euch gewartet!"
Teilte er uns fleissig mit, während er Delila mit wackelnden Brauen über die, wirklich nicht hohe, Türschwelle half, bevor er sich über die Rastas strich.
Sie standen ihm nach wie vor wild vom Kopf ab.
"Wie man sieht ja anscheinend nicht."
Gluckste Mike und ich musste ebenfalls grinsen.
Überhaupt nicht, der Junge war weg wie sonst was.
Aber als ich den Gang betrat und die Jacke neben die anderen auf den Boden warf, musste ich zugeben dass die Couch echt einladend aussah.
Die Wände waren eingerissen, man sah nur an den Ecken noch Reste der Unterteilungen in Zimmer.
Ansonsten war es ein Raum, indem hauptsächlich die grosse rote Couch heraus stach, die voller Kissen war.
Auch der Boden war damit gepflastert.
Natürlich war da ein kleiner Tisch mit allem drauf was in unserer Schule verboten gewesen wäre.
Die grünen Gräser und Kräuter in den Plastik Säcken, das weisse Zeug neben der Zeitung und noch einiges mehr.
Ich würde mich davon auf jeden Fall fern halten.
Es war wirklich stockig und es stank nach Marihuana.
Die Anderen schien es nicht zu stören, aber jedes Mal wenn ich einatmete stank der Geruch in meiner Nase.
Die Luft war schwer davon und ich glaubte nicht dass mir Jemand erlauben würde das Fenster zu öffnen.
"Komm Tessa."
Lucas klopfte neben sich auf das Sofa, auf welches er sich gemütlich fallen gelassen hatte.
Es sah so gepolstert aus dass man sich glatt fragte von welchem reichen Haushalt es wohl wohl entwendet worden war.
Ich dachte darüber besser nicht nach und liess mich langsam hinein sinken.
Sofort hatte ich das Gefühl von den Kissen verschluckt zu werden und selbst diese stanken fürchterlich nach Rauch.
Ich musste glucksen als Lucas die Beine streckte und zwischen den Dunkeln Strähnen zu mir linste.
Die Anderen hatten ebenfalls einen Platz gesucht, Jonny hatte natürlich einen drauf legen müssen und hatte sich auf die Kissen am Boden gelegt und sich...ausgebreitet.
Der Junge Gastgeber der sich mir nicht mal vorstellte, geschweige denn mich richtig bemerkte, kniete sich schwungvoll vor den Tisch.
"Also was darfs sein?"
Auf die Frage hin wurden allerlei kleine Päckchen verteilt, und einige sogar eingesteckt.
Mir war nicht klar wieso sie das tun sollten, sie kamen mir alle stark vor.
Doch nach einem ganzen Leben sehnte man sich vielleicht wirklich nach einer Auszeit.
Ich durfte darüber nicht urteilen, genauso wenig wie Jeder Andere, der nicht dasselbe durchgemacht hatte.
Lucas begnügte sich mit einer Zigarette.
Jedenfalls nahm ich das so auf, keine Ahnung was da drin war, aber wissen wollte ich es nicht.
Die Gespräche waren fröhlich und eine etwas zu kratzige Musik lief im
Hintergrund.
Trotzdem fühlte ich mich irgendwie wohl dabei, sie alle zu beobachten, wie entspannt sie mittlerweile waren und wie aufgeregt die Gespräche geführt wurden.
Mit vollem Gestik Einsatz und aus genauso vollem Hals wurden Neuigkeiten ausgetauscht und ich hörte zu.
Während ich sie so beobachtete viel mir nicht nur auf dass sie von Satz zu Satz entspannter und fröhlicher wurden, sondern auch dass sie einfach den Tat lebten als sei es der Letzte.
Ich plante immer alles, ich musste genau wissen wann ich was in der Zukunft tun wollte.
Aber vielleicht würde es mich in der Zukunft nicht mehr geben.
So dachten wohl die Menschen hier, und vielleicht lag daran auch die Zufriedenheit, mit der sie leben konnten, ohne viel zu haben.
Sie begnügten sich damit und freuten sich weil es ein weiterer Tag war, der für sie gut lief.
Ich linste zu Lucas hinüber, der etwas schweigsamer war als sonst, und den Rauch langsam duech den Mund ausstiess.
Wie gerne hätte ich seinen Mund jetzt auf meinem Gespürt.
Als hätte er meine Gedanken gelesen drehte er den Kopf zu mir.
Mit einem unheimlich heissen und schiefen grinsen legte er die Zigaretten Mischung weg und drehte sich zu mir.
Das Lächeln zeigte mir eindeutig dass er auf meinen Wunsch nur zu gerne einging.
"Na Prinzessin? Gemütlich?"
Ich nickte nur, wie gebannt machte ich aus wie er sich über die Kissen langsam näherte, wie ein Raubtier seiner Beute.
Aber konnte sich Beute dem Jäger freiwillig ausliefern? Naja ich würde es sofort tun.
"Ich finde du sitzt sehr unbequem."
Stellte er unschuldig fest und griff nach meiner Hüfte.
Natürlich wich ich nicht aus.
Mein Kopf war auch etwas benebelt, unfreiwillig aber ich musste ja auch atmen. Und es gab ja sowas das nannte sich passiv rauchen. Sehr ungesund.
Er setzte mich auf seinen Schoss und ich spürte wie Glücklich mein ganzes Ich war, ihm endlich so nahe zu sein.
Wieder.
"Ich habe dich vermisst."
Murmelte er gegen meinen Hals, während er einen feinen Kuss darauf hauchte und ich beinahe unter die Couch geschmolzen war.
Ich nahm mir fest vor hart zu bleiben.
"Ich dich auch."

Einige Momente Frieden, aber natürlich muss ich da noch irgendwas einbringen^^ wir haben jetzt ein gutes Stück des Buches hinter uns und ich hoffe ihr seid auch auf die letzten Teile gespannt, es werden noch so an die zehn elf Kapitel kommen schätzungsweise. (Für Jene die gefragt haben )
Bis bald
Tala

This is Life *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt