Chapter 2

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"Und was machen wir heute?"
Fragte ich gespielt interessiert um vom Thema abzulenken.

Natürlich sprangen meine Freundinnen sofort darauf an.

"Natürlich ist uns shoppen in den Sinn gekommen, die neue Sommerkollektion ist draussen, aber die kann auch noch bis morgen warten.
Da heute dein Geburtstag ist, haben wir beschlossen das zu tun von dem du immer redest.
Wir haben einen Club im Armenviertel gefunden, da werden wir feiern."

Ich vermied es so gut ich konnte an meinen Geburtstag zu denken.
17 quälende Jahre waren schon so vergangen. Wie lange sollte es noch so weitergehen?
Ich feierte meinen Geburtstag nie und redete auch nicht gerne darüber, im Gegensatz zu meinen Freundinnen stand ich nicht gerne im Mittelpunkt.
Ich hatte schon immer das Gefühl gehabt dass ich nicht in diese Gesellschaft hinein gehörte.

Aber das sie einwilligten endlich mal raus aus unserem Kaninchenbau zu gehen, und die welt zu erkunden, auch wenn es nur einmalig war, damit hatte ich nicht gerechnet.

Ein echtes Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus und ich konnte es kaum noch ertragen hier rum zu stehen.

"Worauf warten wir denn noch?"
Hibbelig sah ich mich um.
Ruby hatte ihr Handy hervorgeholt und   Beauftragte Siri uns die Rute zu berechnen.

Der graue Alltag hatte endlich einen Klecks Farbe bekommen, und ich wollte ihn so lange es ging ansehen, bevor er wieder übermalt wurde.

Siri führte uns weg von den sauberen Strassen und langsam begannen die Häuser dunkler und ungepflegter auszusehen.
Sie Pflanzen in den wenigen Gärten wucherten vor sich hin, unzählige Fenster waren Zerschlagen und mit Brettern vernagelt.
Der Putz an den mit Grafitti vollgesprayten Wänden blätterte langsam ab und die meisten Laternen hatten den Geist aufgegeben.

Überall auf der Strasse lagen Blätter, Abfall und Dinge die ich lieber nicht genau betrachtete.

Die Ruhe des Viertels wurde abrupt unterbrochen als der Boden zu beben begann- ein Zug raste in unmittelbarer Nähe an uns vorbei und übertönte die anderen Geräusche.

Und trotz alledem, fühlte es sich hier unbeschwert an. Für mich jedenfalls. Was diese Menschen alles tun mussten um zu überleben wollte ich mir nicht vorstellen.
Wieso konnten meine Eltern nicht mal an sie spenden, anstatt an Waisenhäuser die sowieso kein Bisschen des Geldes für die Kinder verbrauchten.

Die Sonne begann langsam unterzugehen und tauchte das Viertel in schummriges Licht.

ruby und Susen kommentierten jeden Fehler den sie entdecken konnten mit einem angeekelten Laut oder einem "iih".

Doch ich war viel zu fasziniert von diesem Teil der Stadt.
Meine Augen konnten die Umgebung gar nicht genug einsaugen, ich atmete die anderen Gerüche der Strasse ein und nahm die veränderten Geräusche die aus den Häusern kamen bereitwillig auf.

Ich hatte das Gefühl als hätte ich mein Leben lang Flügel auf den Rücken gebunden gehabt, und konnte sie jetzt endlich ausbreiten und fliegen.

Ich entdeckte ein schmutziges Kleinkind dass nur in Windeln zu seiner Mutter rannte, die mit Kochhandschuhen an der Tür stand und nach ihm rief.
Lachend sprang er ihr in die Arme und sie wirbelte ihn umher.

Sie waren unter diesen Umständen imstande Glücklich zu sein. Das wollte ich auch.
Vielleicht war ich ein verwöhntes Girl dass das harte Leben noch nie erlebt hatte, aber ich würde vieles aufgeben, um es einmal zu sehen.

Ich hatte gar nicht gemerkt dass ich stehen geblieben war und zu den beiden hingestarrt hatte.

Erst als meine beiden Begleiterinnen begannen zu kichern und sich über das Outfit der Frau lustig zu machen wurde ich aus meinen Träumen gerissen.
Es versetzte mir einen Stich als die Frau an sich herunter sah und dann traurig den Jungen ins Haus scheuchte und selbst darin verschwand.

Wut wallte in mir auf.
"Nur weil ihr Geld habt seid ihr nicht mehr Wert als sie," fuhr ich die beiden an und funkelte wütend in die aufsteigende Dunkelheit.

Empört sahen sie mich an.
"Schätzchen ich hab von anfang an gewusst dass das Viertel nichts für dich ist."

Nickend pflichtete Ruby Susen bei:
"Genau, aber weil dein Geburtstag ist, vergessen wir was du gesagt hast."

Das taten sie nicht wirklich wegen meinem Geburtstag. Das taten sie wegen dem Rang meiner Eltern und meiner Verbindung zu ihnen.

Ich schnaubte und eilte über die Strasse.

"Cloe was machst du? Sie könnten gefährlich sein!"
Die schrillen Stimmen meiner Begleiterinnen verfolgten mich doch ich lief unbeirrt weiter.

An der Tür angekommen klopfte ich an das abgenutzte Holz und wartete.

Ich hatte erwartet dass die Frau öffnen würde, doch es öffnete ein Junge, einen Kopf grösser, so dass ich zu ihm hochblicken musste.

Seine grünen Augen musterten mich von oben bis unten und verdunkelten sich dann.
Seine schwarzen Haare hingen ihm frisch gewaschen in die Stirn und sein schwarzes abgenutztes Outfit liess ihn noch besser aussehen als er es ansonsten schon tat.

"Verschwinde und lass uns in Ruhe", er sah mich abfällig an und wollte die Tür schliessen als ich endlich meine Stimme wiederfand.

"Ich wollte mich entschuldigen", piepste ich.
Er hielt inne und mahlte mit dem Kiefer, in seinen Augen spiegelte sich Wut und unverholener Hass.

"Bitte", fügte ich hinzu und er atmete langsam aus.

Dann öffnete er die Tür etwas sodass ich hindurchgehen konnte.

Die Wohnung war winzig und die blassgelbe Farbe der Wänden war abgeblättert.
Es gab gar keinen Flur, ich befand mich direkt im Wohnzimmer, dass auch als Küche diente.
Es gab keinen Platz und nur ein wackelig aussehender Tisch und einige Hocker standen dort.

Ein abgenutztes Sofa hatte einen Teil seines Bezuges verloren und war an einigen Stellen aufgeplatzt.

Die Frau sass an Tisch und ihr Augen waren gerötet.

Oh gott, fuhr es mir durch den Kopf.
Was hatten wir nur angerichtet.

Sie sah hoch und als sie mich sah verdunkelte sich ihr Blick, auf die gleiche Art wie vorhin der ihres Sohnes.

"Geh raus! Lass uns einfach in ruhe", ihre Stimme zitterte und sie brach immer wieder ab.

Mir stiegen Tränen in die Augen und ich sah kurz zu dem Jungen neben mir, der mich kalt ansah.

Dann lief ich zögerlich zu der Frau hin und kniete mich vor sie.

Ich weiss nicht wieso aber irgendwie dachte ich dass ich mich so nicht versuchte über sie zu stellen.

Ich versuchte meine Stimme ruhig zu halten und begann zu reden.

"Es tut mir leid, diese beiden Mädchen haben nicht richtig gehandelt, und ich wollte sie nicht anstarren. Ich habe mich nicht über sie lustig gemacht.

Ich habe mir..,"
Ich stockte kurz und zwang mich dann weiter zu reden.
"...nur vorgestellt wie es gewesen wäre wenn ich ihr kleines Kind gewesen wäre. Wie glücklich ich gewesen wäre, mit ihnen als Mutter.
Es ist mir egal was die anderen gerade von mir oder ihnen denken.
Sie haben es nicht verdient so von ihnen behandelt zu werden,
Ich wollte mich eigentlich bloss entschuldigen und sagen, wie sehr ich sie bewundere, was sie alles tun.
Entschuldigung nochmals für die Störung."

Während ich geredet hatte war der Blick der Frau von verwirrt zu ungläubig und dann zu gerührt gewechselt.

Ich blinzelte die Tränen weg und stand auf. Dann zögerte ich kurz und riss mir die Kette kurzerhand vom Hals.

Ich legte sie sanft vor die Frau und sagte: "vielleicht hilft es ihnen, mir hat es keine Freude gemacht."

Stumm berührte die Frau mit grossen Augen die Kette und dann rann eine Träne aus ihren Augenwinkeln.
Sie hatte wohl gesehen dass die Kette aus Gold war.

Ein berührendes Kapitel, zumindest für mich. Wir können uns gar nicht vorstellen wie es ist, aber ich fand dass es wichtig ist, wenn ich schon über diese unterschiedlichen Welten schreibe, dann nicht so oberflächlich, ich möchte auch die wenigen Einblicke die ich hatte mit euch teilen.
Ich hoffe es ist mir gelungen
❤️Rebella

This is Life *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt