Chapter 41

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Mein Kopf war nach unten gedrückt worden.
Ich hatte versucht zu kratzen und zu beissen, um zurück rennen zu können.
Aber ich war hinein gestossen worden und als das Auto los rollte, hatte ich aus dem Fenster sehen können.
Einem staubigen Fenster, an welchem viele Tränen von Verzweifelten kleben mussten.
Und nun auch meine.
Wir waren an dem anderen Streifenwagen vorbei gefahren worden, Lucas war auf die Vorderseite des Autos gedrückt gewesen und hatte den Kopf gehoben gehabt.
Sein Blick hatte meinen getroffen und ich hatte sehen können dass er nicht gebrochen war.
Nach all dem was passiert war, war er nicht gebrochen gewesen. Das Grün hatte geleuchtet und seine Augen hatten sich fest in meinen verhakt.
Mir war etwas klar geworden, in dem Moment in dem ich meine Hand an das Kühle Glas gelegt hatte und geweint hatte.
Egal was uns trennte, ich würde ihn immer lieben. Und er mich. Es tat so weh zu sehen wie ich mich von ihm entfernte, bis nur noch ein schwacher Umriss des Autos im Rückspiegel zu sehen war.
Ich hatte geschwiegen, die ganze Fahrt lang und hatte aus dem Fenster gestarrt, während der Polizist mit rasselndem Atem durch die Bronx gefahren war.
Der Rest war bei Lucas geblieben.
Ich konnte nochmals all die Strassen sehen, die Erinnerungen die mit dem Hausdach an dem wir vorbei gefahren waren verknüpft waren, hatten so geschmerzt.
Ich hatte in diesem Ort ein Leben gefunden und hatte hier geweint, gelacht und war herum gerannt.
Das alles musste ich verlassen, das alles würde nicht länger mein Leben sein.
Und selbst wenn ich es wollen würde, es gäbe Irgendwen der mich zwingen würde ohne das hier weiter zu leben.
Ich wusste nicht wo er mich hinbrachte, ich hatte keine Ahnung.
Ich meinte dass ich ausserhalb der Bronx plötzlich so klein war.
So verloren in einem Wirrwarr an Strassen, Kreuzungen und roten Ampeln.
Der Verkehr war dichter, mehr Leute und mehr leuchtende Plakate an den Einkaufszentren.
Aber das alles interessierte mich nicht.
Ich hatte nicht einmal Angst davor alleine mit einem Polizisten im Wagen zu sein.
Ich fürchtete mich nur vor dem Ort an den er mich hinbrinfen würde.
Aber noch mehr fürchtete ich den Ort wo Lucas landen würde.
Ich war schuld an seiner Lage und ich war es, die nun einfach zurück in das Quartier der Reichen und Gebildeten zurück gefahren wurde.
Hier konnte man alles was man tat mit etwas Geld und Arschwackeln wieder vergessen machen.
Aber Lucas konnte das nicht.
Mein Herz gefror als ich dann schlussendlich sah dass der Wagen über das altbekannte Kies rollte.
Mir wurde bewusst dass ich womöglich keinen meiner Freunde jemals wieder sehen würde.
Ich wollte ihn anbetteln dass er umdrehte und mich zurück fuhr, ich hätte ihm alles Geld der Welt gezahlt.
Aber meine Eltern zahlten mehr. Würden sie immer.
Und darauf konnte ich nicht einmal stolz sein.
Als der Wagen vor der Allee stehen blieb, von der bis zur Haustüre nur noch einige Veranda Stufen hoch führten, sah ich wie die Türe öffnete.
Dann stieg der Polizist aus und öffnete meine Seite des Wagens, sodass ich langsam und mit zittrigen Beinen hinaus steigen konnte.
Ich ekelte mich davor die Füsse auf das saubere Kies zu setzen, von dem nie auch nur ein Stein falsch lag.
Und ich hatte Angst davor nun wieder in ein Leben hinein gezogen zu werden in dem ich bis vor wenigen Wochen noch gelebt hatte.
Ein Leben das alles Andere wieder in den Hintergrund drängen würde. Und das wollte ich nicht.
"Es wird alles gut, Sie sind jetzt zuhause."
Beruhigte mich der Polizist als ich die Arme um mich schlang.
Er war so verständnisvoll. Ganz anders als in den Bronx, wo er sich nicht menschlich verhalten musste. Allein weil es da nicht die Gesetze dazu gab.
Ich lachte leise auf, doch es war ein heiseres Schluchzen der Wut.
Ich wollte ihn nieder hauen, alle die mein Glück immer und immer zerstören mussten.
Meine Definition davon wat nicht viel Geld oder den besten Job und Ruf der Stadt.
Ich wollte lieben und lachen und...leben.
Hier würde ich ersticken wie eine Blume unter tausend Tonnen Beton.
Dann richtete ich den Blick auf die beiden Menschen die auf mich zu rannten, über das Kies und durch die Nacht auf mich zu.
Der Polizist stand hinter mir, der einzige Grund wieso ich nicht weg gerannt war.
Meine Mutter sah schrecklich aus.
Ich hatte sie noch nie ungeschminkt gesehen, jetzt gingen ihre Augenringe so tief dass ich ein schlechtes Gewissen bekam.
Das goldene Haar welches ich von ihr hatte, glänzte nicht wie immer top frisiert.
Es war matt und wirkte Strohig, hochgebunden wie das einer einfachen Frau.
Sie trug nicht mehr als ein seidenes Nachthemd und eine weisse Wollen Stola darüber.
Wührend sie rannte liess sie sie einfach fallen, als wäre es nach all der verschwendeten Zeit mit mir das Wichtigste mich zu erreichen.
Sie hatte mein Leben lang besseres zu tun gehabt als ein Kind aufzuziehen. Und jetzt rannte sie als würde ihr Leben davon abhängen.
Mein Vater, der stets so ein imposanter Mann gewesen war und vor dessen breiten Schultern jeder Mensch Respekt gehabt hatte, trug nicht einmal seinen Anzug.
Eine normale Hose und ein Hemd das ich noch nie an ihm gesehen hatte.
Seine ordentlich gemachten Haare waren zerzaust und er sah dadurch viel jünger aus. Gar nicht mehr so streng wie ich es in Erinnerungen hatte.
Er hielt eine Hand auf den Rücken meiner Mutter, eine der wenigen Berührungen die ich von den Beiden mitbekommen hatte.
Ich konnte mich nicht darüber freuen dass ich hier war, egal ob sie meine Eltern waren. Sie hatten es nie für mich dargestellt und waren nicht meine Familie. Das war vielleicht Maria, unsere Haushälterin oder die Menschen der Bronx. Joe. Lucas.
Aber nicht diese Menschen, die mich aufgrund meines Blutes als Tochter sahen aber ansonsten kein Interesse zeigten. Bis in diesen Moment in dem sich alles zu ändern schien. Nur wusste ich dass es das niemals tun würde.
Ich wollte sie nicht, und das änderten sie nicht einmal als sie mit geröteten Augen über mich her fielen und mich an sie drückten.
Ab diesem Moment indem ich zwischen ihnen begraben wurde stellte ich ab.
Ich hörte nicht zu was sie sagen, beachtete die Tränen meiner Mutter nicht, während sie mit ihren Nägeln die meinen weg wischte.
Ich stand nur verweint da, liess die Arme am Körper hinunter hängen.
Sie redeten auf mich ein, strichen mir über Gesicht und Haare aber ich schwieg einfach und sah geradeaus.
Nichts was sie sagen würden war auch nur im Geringsten wichtig für mich.
Das würden Sprüche sein die alle Menschen bringen würden. Dass sie mich vermisst hätten, vor Sorge gestorben waren und alles stehen und liegen gelassen hätten.
Obwohl ich das bezweifelte war es möglich. Und trotzdem fühlte ich dabei gar nichts.
Ich dachte nur daran dass Lucas nicht Menschen um sich herum hatte die ihn mit ihren Umarmungen wärmten. Dass da wo er war nur Gitterstäbe und Beton Wände sein würden.
Dafür dass er nichts gemacht hatte, ausser meinem Wunsch nach Abwechslung nachzukommen.
Ich hatte davon gehört, selbst Delila hatte mich gewarnt dass ich ihn in den Untergang führen würde.
Nie hatte ich darauf gehört, doch jetzt war es tatsächlich geschehen.
Mein Vater reichte dem Polizisten die Hand, die Scheine die darin waren beachtete ich nicht.
Erst als das Polizeiauto vom Platz rollte und ich wieder das Plätschern des grossen Brunnen in der Mitte hören konnte, klärte sich mein Gehör auf.
"Oh mein Gott Steve, sie ist völlig unter Schock."
Flüsterte meine Mutter meinem Dad zu, der mich schnell in Richtung Haus drängte.
"Cloe Schätzchen? Alles wird gut, du bist nun wieder zuhause..bei uns."
Ich verzog nur die Lippen und liess mich von ihren klammernden Händen führen.
Cloe, ich hatte den Namen schon lange abgelegt gehabt.
Der Bedeutete dieses brave Mädchen, das war ich nicht mehr.
Ich hatte das Gefühl als Tessa mehr Möglichkeiten zu haben. Mich zu entfalten, in allem indem mich früher als Cloe alles eingeengt hatte.
Jetzt war ich wieder zurück, und nichts hatte sich verändert.
Nichts war gut, und erst recht nicht dass ich wieder bei ihnen war.
Das war das Letzte was ich wollte, trotzdem lief ich an Maria vorbei, deren Lächeln so echt war dass es das meiner Eltern übertraf. Was nicht so hätte sein dürfen.
"Sag doch was mein Schatz, geht es dir gut? Wurdest du angefasst?"
Mein Vater führte mich hinein in das Kalt wirkende Haus aus dem ich wieder raus stürmen wollte.
Aber weil ich wusste dass sie beide nicht nachgeben würden, und immer weiter reden würden, musste ich etwas sagen.
Als ich meine trockenen Lippen öffnete wollte ich schreien, all den Frust und die Verzweiflung einfach hinaus werfen.
Stattdessen antwortete ich mit rauer und leiser Stimme:
"Nein, es ist alles gut."
Das war alles was sie gebraucht hatten
Um sich wieder wie gute Eltern zu fühlen, die Erleichterung stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Sie liebten mich, und sie hatten sich Sorgen um ihr Kind gemacht, das wusste ich. Dennoch war es so unwirklich wie auch unerwünscht. Von mir.
"Ich bin so froh dass du wieder da bist meine Kleine.
Jetzt erholst du dich und gleich morgen werden wir deine Anklage schreiben. Alles wird wieder gut."
Meine Mutter führte mich hinauf in die Richtung meines Zimmers.
Die breite Treppe mit dem Teppich auf dem Marmor wirkte so unwirklich dass ich das Gefühl hatte ins Nichts zu laufen. Das kalte Gebäude war nicht mein zuhause, das war überall dort wo mich Lucas fest halten konnte. Und das war hier nicht.
Langsam drehte ich mich zu ihr um.
"Anklage?"
Was für eine Anklage, ich wollte gegen Niemanden ausser die Polizisten sprechen, was wollte sie von mir?
Sie öffnete meine Zimmertür, mein Vater tätigte Anrufe am laufenden Band.
Alle mussten wissen dass die Skandal Tochter wieder da war.
"Nicht so wichtig Schätzchen, jetzt ruhst du dich erstmal aus und ich bleibe die ganze Nacht bei dir."
Ich schluckte und merkte dass der Kloss in meinem Hals weh tat.
Trotzdem liess sie mir keine Wahl.
Sie zog mich aus, steckte mich in die Dusche und half mir sogar den Schmutz und den Rauch von mir abzuwaschen. Ohne einen abwertenden
Kommentar.
Ihre Berührungen brachten meine Haut aber nicht zu glühen wie die von Lucas.
Sie wollte für mich da sein, aber sie war es nie gewesen und diese eine Nacht würde nichts von alldem nachholen.
Sie konnte hübsch und schlau sein, bekannt oder alles zusammen. Sie würde niemals gut genug sein um Lucas zu ersetzen.
Trotzdem liess ich es schweigend zu dass sie sich in der Nacht neben mir ins Bett kuschelte und mich fest hielt.
Als würde sie sich selbst sagen dass sie es doch gut gemacht hatte.
Während sie mir durch die Haare strich und immer wieder Dinge in die Dunkelheit flüsterte, hatte ich die Augen geschlossen und horchte.
Ich horchte nach Joe, der immer unter mir noch hantierte, im Takt zur Musik.
Ich horchte nach den Leuten die draussen zusammen redeten und nach dem Knarren der Dielen wenn er sich schlafen legte.
Doch da war nichts. Nur Stille.
Das Leben war weg gewischt und ich hatte mich nicht einmal verabschieden können.
Eine Träne rann unter meinen Wimpern hervor.
Sie waren alle weg.
Und mit ihnen meine Träume.
Und ohne meine Träume würde ich zerbrechen.

Wir sind zwar noch nicht fertig, aber Dreiviertel liegen hinter uns und ich möchte euch sagen wie sehr es mich freut dass ihr immer noch dabei seid
Nun werdet ihr noch erfahren ob sie aufhört zu kämpfen oder ob sie dieses Leben doch nicht gefangen halten kann. Oder ob beides nicht der Fall ist^^
Bis bald
Tala

This is Life *beendet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt