Kapitel 6

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Meine Augen wechselten von intensiv blau, auf golden. Ich bemerkte es nur an meinen schärferen Sinnen, an der Art wie ich die Dinge um mich herum wahrnahm. Empfindungen stürzten auf mich ein, der Drang zu Laufen, mich meiner Schuhe zu entledigen und auf Jagd zu gehen. Doch ich gehörte nicht zu den Wölfen die ihre Verwandlungen präzise kontrollieren konnten, selbst wenn mir diese Gabe durchaus in die Wiege gelegt worden war.

„Leiha...!", knurrte Cain hinter mir, doch ich beschleunigte meine Schritte. Meine Beine trugen mich über die Wiese, entlang der Jungenwohnheime die ich zuvor noch nicht gesehen hatte. Beinahe ein wenig Sarkastisch wurde mir Bewusst, das sich meine Frage damit beantwortet hatte.

Hinter mir hörte ich ein ersticktes keuchen das in ein animalischen laut überlief. Mein Herzschlag beschleunigte sich, mein Atem wurde rasanter - ich wusste dass der Schülersprecher sich ganz in seinem Element befand und das Wort wörtlich. Der rote Sonnenuntergang war geradezu klischeehaft, doch ich spürte nicht das Verlangen anzuhalten damit er mich einholte und in den Arm nahm, wie es wohl in jeder Romanze der Fall gewesen wäre. Schreckliche Angst pochte in meinen Adern, kämpfte mit dem Instinkt stehen zu bleiben und sich klein zu machen und der Vernunft die alles daran setzte zu entkommen.

In dem Moment da der Wolf mich einholte, als sein Gewicht mich zu Boden riss, wechselte auch ich die Gestalt völlig unkontrolliert. Meine Kleidung riss, meine Hände wurden zu Pfoten und mein panisches schreien wurde zu einem jaulen. Mir wuchs Fell aus der Haut, spitze Zähne zierten meine Schnauze. Komplett verwandelt, wälzten sich nun also zwei Wölfe auf dem Boden, mitgerissen von der Wucht ihres Tempos.

Viel erkennen konnte ich nicht, da ich einzig und allein Versuchte den gefletschten Zähnen des Schülersprechers auszuweichen der an meine Kehle wollte. Er würde mich umbringen. Ich war mir so Sicher dass er mir die Kehle heraus riss, das ich schon den Geschmack von Blut auf der Zunge schmecken konnte.

Als wir endlich anhielten, lag ich Unten und er über mir. Cain hatte die Ohren angelegt, stand völlig Kampfbereit dort, fletschte weiter mit den Zähnen und sah auf mich herab. Ich indessen wurde von meinen Instinkten übermannt, obwohl ich mir so fest vorgenommen hatte auf meine menschlichen Empfindungen zu hören. Den Nacken frei gelegt, mit angewinkelten Pfoten, wartete ich auf das Urteil meines Henkers. Es war seltsam. In der Natur verstießen Wölfe jene Mitglieder die ihre Autorität untergraben, wenn sie sie nicht nur zu Recht wiesen. Werwölfe waren bei weitem brutaler und viel grausamer. Die meisten unter uns hielten sich für Überlegen, wirkten arrogant und Angst einflößend. Wenn ein Werwolf einen Fehler tat, war es nicht unüblich das andere Tiere ihn umbrachten. Den einzigen Schutz bot also das Alpha eines Rudels, im schlechtesten Falle noch der Betha. Währen sie nicht, würden hunderte von Werwölfe in ihrer Ursprungsgestalt durch die Städte wüten und Menschen reißen wie Vieh. Nicht unbedingt weil sie es wollten, viel eher weil sie es brauchten um das dominante Selbst zu befriedigen. Es hatte in der Vergangenheit viele Anführer gegeben die ihren Mitgliedern erlaubt hatten zu machen was sie wollen. Menschen aufreißen, sich selbst Bekämpfen, auch das streiten mit feindlichen Rudeln.

Es scharfer Schmerz ließ mich wieder aufjaulen. Meine Schulter brannte, wie als hätte jemand tausend Nadeln hinein gesteckt. Gleich darauf meine linke Brust. Doch ein knurren erinnerte mich daran still zu bleiben und ich versuchte den Schmerzenslaut zu ersticken.

Cain hatte mir in die Schulter gebissen, brutal daran herum gezerrt während er meine Brust mit seinen Krallen markiert hatte. Aber er hatte mich nicht getötet. Jetzt trat der Wolf ein paar Schritte weg von mir und nahm wieder menschliche Gestalt an. Sein Blick lag auf mir.

„Verwandle dich zurück."

Ich staunte nicht schlecht als mein Körper ihm gehorchte. Nackt, und mit Blutüberströmten Arm, lag ich zitternd auf den Boden. Der Schmerz war viel stärker als das ich mich über erstere Begebenheit hätte schämen können.

„Und wag es nicht noch ein einziges Mal meine Autorität zu untergraben! Wenn ich dir etwas sage ist es Gesetz - bis jemand kommt der das Gegenteil behauptet. Nächstes Mal kommst du nicht nur mit einem blauen Auge davon."

Und dann ging er einfach. Ich konnte es nicht fassen - während ich Hilflos auf dem Boden lag, verschwand dieser Arsch einfach und überließ mich meinem Schicksal! Ein tiefes, wütendes knurren drang aus meiner Kehle, doch Cain war schon lange außer Sichtweite. Lange Zeit blieb ich liegen, starrte dem Werwolf hinterher und hing meinen eigenen Gedanken nach.

„Ich hab dir doch nur meine Meinung gesagt.", flüsterte ich leise, mit vor Schmerz getränkter Stimme.

Ich erhob mich, ignorierte das Geräusch von weiter reißendem Fleisch. Tränen traten mir in die Augen, doch mein Gesicht war von langen Strähnen verdeckt. Obwohl ich nicht zu den eitlen Wesen unserer Art gehörte, machte mich der Gedanke traurig, dass Zukünftig große Narben meine Schulter und meine Brust zieren würde.

Die Sonne war nun gänzlich hinter dem Horizont verschwunden und die Nacht breitete ihre Fänge aus. Ich seufzte leise und stellte mir vor was Lucien in diesem Moment gesagt hätte wenn er hier wäre.

„So ein Idiot! Er kann meine kleine Schwester doch nicht...! Argh! Wag es nie wieder auch nur in seine Nähe zu gehen - sonst muss ich ihm den Schwanz abbeißen! Und Oh~ Nein. Ich spreche hier nicht der der Rute an seinem Hintern."

Ich kicherte leise und für einen Moment schien es als wäre er nie weg gewesen. Doch die Stimme in meinem Kopf verklang in weiter Ferne und ich brach heulend zusammen. Es tat so weh.

Omega: Academy of the PackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt