1. Explosionen

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Rote und grüne Farbwirbel rasten vor meinen Augen vorbei, zogen grauen Rauch über den schwarzen Hintergrund, verschmolzen miteinander, um schließlich in blendend hellen Explosionen wieder auseinander zu gehen. Hatten die Farben gerade noch wie Stürme gewirkt, die sich die Welt unterwarfen, waren sie nun zu Wellen geworden, die alles verschlangen, Strudel wie von Wasser, die mich mitrissen. Doch anders als von Wasser fühlten meine Augen sich an den Stellen, über die die Farbstrudel tobten heiß und verätzt an. Gleichmäßig mit den Farbbewegungen brannten schreckliche Geräusche, Kreischen, Schreien und Knallen sich in meinen Kopf ein. Ich wollte schreien vor Schmerzen und Angst. All das geschah nur in meinem Kopf, dessen war ich mir bewusst. Aber es quälte mich, wie kein physischer Schmerz es zu tun vermochte. Wellen der Panik rissen an mir und schließlich kämpfte ich mich durch das tödliche Farbmeer in meinem Kopf an die Oberfläche, versuchte die Augen zu öffnen, wie ein Ertrinkender zu atmen versuchte. Ich trug einen unbeschreiblichen Kampf aus, einen Kampf gegen mich selbst. Und schließlich, als ich kurz davor war, aufzugeben und der Tod mir lächelnd, wie ein alter Freund, die Hand entgegenhielt, um mir mit dem letzten Schritt in sein Königreich, ein ruhiges, verlockendes Königreich, zu helfen, schließlich schaffte ich das, woran ich schon nicht mehr geglaubt hatte und öffnete meine Augen.


Doch als ich meine Lider aufschlug, sah ich nicht wie erwartet, mein Zimmer, mein Bett. Ich sah auch sonst nichts von dem, was meine Augen bereits kannten. Ich sah gar nichts. Nur Leere. Schwarze, tiefe Leere. Panik überkam mich, ich wollte Schreien, doch mein Hals brachte keinen Ton hervor. Stattdessen kamen meine Erinnerungen an die letzten Stunden zurück, fielen über mich her, drohten, mich zu erdrücken und brachten meine Welt zum Einsturz. Ich war Zuhause gewesen, in meinem Bett, in Sicherheit. Ich hatte geschlafen, als es geschah. Wir hatten nie Feuermelder besessen, warum auch? Uns würde es doch eh nie treffen. Dachten wir. Was mich dann doch aufwachen ließ, waren die unfassbare Hitze und die Schreie meiner Schwester. Als ich sah, dass alles um mich herum, mein ganzes Zimmer, meine Festung der Ruhe, in Flammen stand, wurde ich von Panik ergriffen, von nackter Panik. Ich sprang auf, stürzte zur Tür, fiel hin. Sofort kämpfte ich mich weiter, stolperte durch den Flur, die Treppe runter ins Erdgeschoss, sah meine Schwester aus der Tür stürzen, wollte ihr hinterher. Doch der letzte Schritt, der letzte Schritt, der mich hätte in Sicherheit bringen können, der letzte Schritt endete, bevor er überhaupt begann. Das letzte, was ich vor Augen hatte, bevor das taube Schwarz mich umfing und der alles vernichtende Schmerz mich einhüllte, war eine Explosion aus Feuer und Trümmern, meine zuvor so heile Welt, die vor mir explodierte und mich zu Boden riss. Diese Explosion war das Letzte, was ich gesehen hatte, das letzte woran ich mich erinnern konnte. Die Panik in mir stieg ins Unermessliche, ich versuchte wieder zu schreien, doch brachte keinen Ton heraus, schlug schließlich wie von Sinnen um mich, das Einzige, was ich noch machen konnte. Eine Stimme tauchte in meinem Kopf auf, nein, sie kam von irgendwo vor mir, sie war real und nicht nur eine Ausgeburt meiner Psyche, was mir aber erst nach einigen Sekunden bewusst wurde. Diese Stimme redete auf mich ein, wurde immer lauter, fing an zu schreien und ging zu einem Kreischen über. Realität und Eibildung verflossen miteinander, ich wusste nicht mehr, was echt war und was nicht. Ich wurde an den Handgelenken gepackt und festgehalten, der Griff war erbarmungslos fest und ich ihm hilflos ausgeliefert. Doch ich wollte noch nicht aufgeben, nicht, nachdem ich schon ein Mal gewonnen hatte, gegen die Stürme aus Farben in meinem Kopf. Ich bäumte mich auf, kämpfte über das schreckliche Gekreische hinweg gegen diesen Feind an, der mich zu Boden zwang. Ich hatte es fast geschafft, mich zu befreien, diesem schrecklichen Alptraum zu entkommen, als sich etwas schweres auf meine Brust legte. Ich war besiegt. Das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, überkam mich und ließ mich nur noch panischer werden. Irgendwann spürte ich, wie mein Arm gedreht wurde, der Druck darauf verstärkte sich und an der Innenseite meines Handgelenkes durchbohrte etwas meine Haut. Schlagartig zog sich die Panik, diese übermächtige Angst, die mich unter Kontrolle gehabt hatte, zurück und ließ mich als Wrack zurück. Ich fühlte mich ausgebrannt und leer, alle Anspannung fiel von mir ab und ich sackte im festen, fast schon schmerzhaften Griff der Person, die mich ruhig halten wollte, zusammen. Meine Augen, die immer noch nichts als Dunkelheit vernahmen, brannten in ihren Höhlen und ich spürte heiße, salzige Tränen über mein Gesicht laufen. Mein Körper wurde immer schwerer und mir fehlte die Kraft, gegen diese Schwere anzukämpfen, also ließ ich mich fallen und erneut von der Taubheit überkommen, ließ dieses Nichts sich von meinen Augen über meinen ganzen Körper und meinen Geist ausbreiten und verlor schließlich wieder das Bewusstsein.

Blindes Vertrauen ~ #StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt